Hillary Clinton gibt die Schuld für ihre überraschende Niederlage in der Präsidentschaftswahl am Dienstag FBI-Chef James Comey. Dies sagte sie in einer Telefonkonferenz mit den wichtigsten Geldgebern ihres Wahlkampfes. Die Nachrichtenagentur Reuters hat mit zwei Teilnehmern gesprochen.
Comey habe falsch gehandelt, als er Abgeordneten und Senatoren wenige Tage vor der Wahl einen Brief schrieb, in dem er erklärte, dass er das Verfahren gegen sie in der E-Mail-Affäre wieder aufgenommen habe. Clinton hatte in ihrer Zeit als Aussenministerin 2009-2012 für ihre Amtsgeschäfte einen privaten E-Mail-Server benutzt.
Am Wochenende vor der Wahl erklärte Comey, dass die neu entdeckten E-Mails doch nicht relevant seien und er weiterhin keine Anklage gegen Clinton empfehle. Da war der politische Schaden aber bereits angerichtet.
Auch CNN hat offenbar mit einem Teilnehmers der Telefonkonferenz gesprochen. Demnach sagte Clinton, der erste Schritt habe den Schwung gestoppt, den sie nach drei TV-Debatten und der Veröffentlichung des Skandalvideos mit vulgären Äusserungen ihres Wahlgegners Donald Trump gewonnen habe.
Clinton sagte weiter, dass die Republikaner auch die zweite, eigentlich entlastende Erklärung Comeys gegen sie verwenden konnten. Trump-Anhänger hätten sie als Beleg interpretiert, dass das System korrupt sei, was zu ihrer Mobilisierung am Wahltag beigetragen habe.
Sie räumte den Angaben zufolge aber ein, dass es andere Gegenwinde im Wahlkampf gegeben habe, die nicht «angemessen bekämpft» worden seien.
Clinton hat ihre kolportierten Aussagen bislang nicht kommentiert. Während ihre Kritiker sie als schlechte Verliererin darstellen werden, bekommt sie aus prominenter Ecke Unterstützung. Umfrage-Guru Nate Silver twittert heute:
I'm actually surprised there aren't more Comey-cost-Clinton-the-election takes. You can make a pretty good argument.
— Nate Silver (@NateSilver538) 11. November 2016
Nate Silver hatte Clinton auf seinem Blog fivethirtyeight.com eine Siegeschance von 70 Prozent vorhergesagt – geringer als die Prognosen anderer Institute und Medien, wie er jetzt betont. So klar, wie die Verteilung der Elektorenstimmen suggerierten, sei die Wahl gar nicht gewesen, schreibt er. Hätte Clinton, welche in absoluten Zahlen mehr Stimmen erhalten hat als Trump, noch zwei Prozent besser abgeschnitten, hätte sie die 307 Elektorenstimmen geholt, nicht Trump, und wäre jetzt Präsidentin. Sein heutiger Tweet zielt wohl darauf ab, dass die Erklärung von FBI-Chef Comey einen Einfluss in dieser Grössenordnung auf die Wahl gehabt haben könnte.
Die «New York Times» hat ihre Leser angeschrieben und versichert, unparteiisch und fair über den nächsten US-Präsidenten Donald Trump zu berichten. Das von Herausgeber Arthur O. Sulzberger Jr. unterzeichnete Schreiben wurde per E-Mail an die Abonnenten der grössten US-Zeitung versandt.
Die «Times» hatte sich schon während der Vorwahlen hinter Hillary Clinton gestellt und die Demokratin auch beim Duell mit dem Republikaner Trump zur Favoritin erklärt. Die konservative «New York Post» erklärte Sulzbergers Mail am Samstag zu einem «Schuldbekenntnis» einseitiger und parteiischer Berichterstattung. (sda/dpa)