Ob der ehemalige US-Präsident Donald Trump oder die derzeitige US-Vizepräsidentin Kamala Harris die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden, scheint völlig unklar zu sein. In den jüngsten Umfragen waren ihre Werte ähnlich hoch. Am Ende könnte die Wahl von wenigen Wählern in einer Handvoll unberechenbarer Swing States abhängen. Deshalb scheint ein Unentschieden zwischen den beiden Kandidaten gar nicht mehr so unwahrscheinlich zu sein.
In der modernen US-amerikanischen Geschichte ist das allerdings noch nie passiert. Im Jahr 1800 kam es zwar tatsächlich zu einem Unentschieden. Damals sah das Wahlsystem aber auch noch anders aus und wurde kurz danach angepasst, um solche Pattsituationen zu vermeiden.
Bei der aktuellen Wahl gibt es nur wenige Szenarien, in denen ein Unentschieden tatsächlich eintreten würde. Dem amerikanischen Umfragespezialisten Nate Silver zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei 0,3 Prozent. So ein Patt könnte etwa möglich sein, wenn Harris in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania gewinnt, während Trump in Georgia, Arizona, Nevada, North Carolina und einem linksgerichteten Wahlkreis in Nebraska obsiegt.
Ein Unentschieden wäre erreicht, wenn jeweils genau 269 Wahlleute für beide Kandidaten stimmen. In den Vereinigten Staaten wählt nicht das Volk den Präsidenten, sondern das sogenannte Electoral College. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Anzahl an Wahlleuten, die insgesamt 538 Stimmen abgeben. Um Präsident zu werden, benötigt ein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen: also mindestens 270.
Doch was würde passieren, wenn es tatsächlich zu so einem Patt kommen sollte? Das Regelwerk der US-Politik legt fest, wie es dann weitergehen würde, in Artikel II der Verfassung und dem zwölften Zusatzartikel. Die Wahl würde dann im US-Repräsentantenhaus stattfinden. Nach der Vereidigung der neugewählten Kongressabgeordneten würden dann alle 435 Abgeordnete den Präsidenten wählen.
Allerdings stimmen diese Abgeordneten nicht einzeln ab. Stattdessen geben sie als gemeinsame Delegation ihres Bundesstaats gemeinsam eine Stimme ab, unabhängig von der Bevölkerungsgrösse des Herkunftsstaats. Das bedeutet, dass ein kleiner Staat wie Wyoming die gleiche Stimme wie ein bevölkerungsreicher Staat wie Kalifornien hat. Für den Sieg müsste ein Kandidat dann die Mehrheit der Staatenstimmen erhalten, also mindestens 26.
Derzeit hätten die Republikaner bei einer solchen Wahl einigen Medienberichten zufolge einen Vorteil. Die Partei kontrolliert nämlich aktuell 26 Delegationen im US-Repräsentantenhaus, die Demokraten nur 22. In zwei Delegationen sind die Abgeordneten der beiden Parteien gleich stark vertreten. All das kann sich aber ändern – je nachdem, was bei den Wahlen herauskommt.
Im US-Senat würde sich entscheiden, wer Vizepräsident wird. Anders als im Repräsentantenhaus stimmt hier aber jedes Mitglied individuell ab, nicht für den Staat. Wer 51 Stimmen erhält, wird Vizepräsident. Weil es eben zwei getrennte Abstimmungen sind, könnten Präsident und Vizepräsident dann am Ende sogar aus verschiedenen Parteien kommen.
Dieser Vizepräsident würde dann auch die Aufgaben des Präsidenten übernehmen, falls es bei der Wahl im Repräsentantenhaus keinen Sieger gibt. Das Repräsentantenhaus würde dann so lange abstimmen, bis es einen neuen Präsidenten gibt.