Das Rennen ums Weisse Haus zwischen Kamala Harris und Donald Trump könnte eines der engsten in der jüngeren US-Geschichte werden. Doch selbst in umkämpften Swing States wie North Carolina gibt es Wahlkämpfe, die bereits entschieden waren, bevor sie begonnen hatten – so wie der von Demokratin Kate Barr.
Barr tritt im Rennen um den Sitz des Wahlbezirks 37 im Bundesstaats-Senat North Carolina an – in vollem Bewusstsein darüber, dass sie in dem massgeschneiderten, konservativen Bezirk keine Chance hat. Barr hat daraus einen Kampagnenslogan gemacht, der inzwischen weit über North Carolina hinaus Beachtung findet: «Kate Barr kann nicht gewinnen.»
Was zunächst wie ein Eingeständnis der eigenen Schwäche aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als beissende Kritik an einer politischen Praxis namens Gerrymandering.
Der Begriff Gerrymandering bezieht sich auf Elbridge Gerry, einen ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, und einen zu seinen Gunsten neu gezogenen Wahlbezirk, der die Form eines Salamanders hatte.
Dabei werden Wahlkreise passgenau auf bestimmte Wählergruppen zugeschnitten – in diesem Fall, um den Republikanern einen Bezirk zu sichern, der ansonsten umkämpft wäre. Im Extremfall haben diese Wahlkreise nichts mit geografischen Gegebenheiten, Landkreisen oder Regierungsbezirken zu tun, sondern ziehen sich auf den ersten Blick willkürlich anmutend durch die Landkarte.
Ein solcher Wahlbezirk ist auch der 37. North Carolinas. Barr schreibt dazu auf ihrer Website:
Barrs Lebenslauf auf ihrer Website ist überschrieben mit: «Ich habe mein Leben lang darauf hingearbeitet, diese Wahl zu verlieren. (...) Das sind die Dinge, die ich so tue, wenn ich nicht verliere.» Sie verkauft ausserdem Pullover mit der Aufschrift «Gerrymandered as fuck» (Verdammt viel Gerrymandering).
Doch warum wendet diese Frau so viel Zeit, Energie und Geld dafür auf, gegen ein System zu kämpfen, das beide Parteien seit Jahren einsetzen und wohl bis auf Weiteres einsetzen werden? Das schreibt die dreifache Mutter auf ihrer Website neben ihren politischen Zielen – Abtreibungsrechte für Frauen, ein gut finanziertes, staatliches Bildungssystem und vernünftige Waffengesetze:
Die Auswirkungen des Gerrymandering sind besonders in North Carolina deutlich: In dem Staat sind fast genauso viele Demokraten wie Republikaner als Wähler registriert.
Diese Ausgeglichenheit wird im Senat North Carolinas allerdings nicht ersichtlich. Hier haben die Republikaner eine Supermehrheit, halten mehr als zwei Drittel der Sitze. Eine noch stärker zugeschnittene Version der Wahlbezirke wurde 2013 von einem Gericht gekippt. Die Begründung: «Dieses Gesetz schneidet schwarze Wähler mit chirurgischer Präzision aus dem demokratischen Prozess heraus.»
Der Politikwissenschaftler Sam Wang erklärt dem Sender CBS News, dass Republikaner in North Carolina und die Demokraten in Illinois aktuell ihre Wähler aussuchen würden – nicht andersherum.
2013 hatte Wang analysiert, dass insgesamt 4,4 Millionen Wähler durch Gerrymandering effektiv ihrer Stimme beraubt werden: vier Millionen Demokraten und 400'000 Republikaner. Unter anderem Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses und Verbündeter Donald Trumps, stammt aus einem heftig zugeschnittenen Distrikt in Louisiana.
Es gebe auch andere, demokratischere Wege, Wahlbezirke festzulegen, erklärt Wang: In Kalifornien, Arizona und Colorado beispielsweise bestimmen Bürgerräte, wo die Grenzen verlaufen. Im republikanisch geprägten Ohio wird in diesem Herbst über die Einrichtung eines solchen Bürgerrates abgestimmt.
In North Carolina ist eine solche Veränderung – zumindest aktuell – nicht angedacht. Solange sich nichts ändert, will Kate Barr weiterkämpfen, wie sie CBS News erklärt: «Jede Stimme für mich ist ein Mittelfinger an die Republikaner.»
(t-online/dsc)
Oder nur ein missglückter Versuch, und eine Warnung?