Der skandalumwobene US-Abgeordnete George Santos fliegt aus dem Repräsentantenhaus. In einer Abstimmung am Freitag stimmte die erforderliche Mehrheit der Parlamentskammer für den Ausschluss des Republikaners. Er ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass ein Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus ausgeschlossen wird, der zuvor nicht strafrechtlich verurteilt wurde. Das ist passiert.
Das Votum vom Freitag folgt auf eine Untersuchung des Ethik-Ausschusses im Repräsentantenhaus. Der hatte Mitte November schwere Vorwürfe gegen Santos erhoben und einen Untersuchungsbericht vorgelegt.
Die Abstimmung im Repräsentantenhaus am Freitag war bereits das dritte Mal, dass über Santos' Rauswurf votiert wurde. Zwei Mal zuvor stimmten die Abgeordneten gegen einen Ausschluss. Der Untersuchungsbericht der Ethik-Kommission dürfte einige seiner Unterstützer nun bewogen haben, ihn doch nicht mehr zu halten. Auch die Vehemenz, mit der er sich auch zuletzt immer wieder als Unschuldiger inszenierte, dürfte eine Rolle gespielt haben.
Im Bericht heisst es, der Abgeordnete habe unter anderem Wahlkampfgelder gestohlen und seine Spender betrogen. Dem Bericht zufolge soll Santos Wahlkampfgelder für Kosmetik und Luxuseinkäufe ausgegeben haben – der Ausschuss präsentierte etwa Abrechnungen für Botox.
Santos habe zudem versucht, «anderen die Schuld für einen Grossteil des Fehlverhaltens zuzuschieben». Die mangelnde Ehrlichkeit des Abgeordneten sei besorgniserregend. Der Politiker habe mit seinem Verhalten «die Würde des Amtes» verletzt und «das Repräsentantenhaus schwer in Verruf gebracht».
BREAKING: House votes to expel GOP Rep. George Santos. He has left the Capitol for the last time. pic.twitter.com/kHBmIsTAPV
— MSNBC (@MSNBC) December 1, 2023
Santos teilte nach Veröffentlichung des Berichts zwar mit, sich im kommenden Jahr nicht mehr zur Wiederwahl stellen zu wollen. Die Vorwürfe wies er umgehend zurück. Der Bericht sei «eine abscheuliche politisierte Verleumdung», schrieb Santos. «Jeder, der an diesem schweren Justizirrtum beteiligt war, sollte sich schämen.»
«Zur Hölle mit diesem Ort», sagte der 35-Jährige nach der Entscheidung zu Reportern vor dem Kapitol. Er war gefragt worden, ob er als Nicht-Mitglied mit besonderen Rechten in der Kammer verbleiben würde. Dies ist möglich, weil er bislang von keinem Gericht verurteilt wurde. «Warum sollte ich hier bleiben wollen?», antwortete er. Das Repräsentantenhaus habe mit seinem Vorgehen aber einen «gefährlichen Präzedenzfall» geschaffen.
Ja. In einem New Yorker Prozess ihm unter anderem Betrug und Diebstahl vorgeworfen. Er soll laut Anklageschrift unter anderem falsche Erklärungen gegenüber der Wahlkommission FEC abgegeben haben. Ausserdem wirft ihm die Staatsanwaltschaft die Fälschung von Unterlagen, Verschwörung gegen die USA, Betrug, schweren Identitätsdiebstahl, Geldwäsche und Diebstahl öffentlicher Gelder vor. Santos plädierte nach Verlesung der Anklageschrift auf «nicht schuldig». Der Prozess soll im September 2024 beginnen.
Auch sonst wird Santos' Karriere von Betrugs- und Täuschungsvorwürfen überschattet. So haben Recherchen gezeigt, dass Santos einen grossen Teil seines Lebenslaufes, mit dem er sich den Wählern 2022 präsentierte, erfunden hat. Darin gab er sich etwa als erfolgreicher Geschäftsmann an der Wall Street aus, als Tierschützer oder als Sohn brasilianischer Einwanderer, die vor dem Holocaust geflohen sind. Die «New York Times» nahm den Lebenslauf unter die Lupe und kam zu dem Ergebnis: Universitätsabschluss, Karriere bei grossen Banken, familiärer Hintergrund – alles erfunden.
Santos räumte ein, seinen Lebenslauf «beschönigt» zu haben, beteuerte aber, er sei kein Lügner, kein Schwindler.
Santos' Geschichte beschäftigten die USA auch deshalb so sehr, weil die Details so irrwitzig sind. So hat er sich allerhand bizarre Einzelheiten ausgedacht, die widerlegt worden sind – etwa dass er während seiner Zeit an der Uni - an der er nie war – ein Volleyballstar gewesen sei. Bei der Attacke auf den Nachtclub Pulse im US-Bundesstaat Florida mit 49 Toten will er vier Mitarbeiter verloren haben. Über seine Mutter erzählte er, sie habe die Terroranschläge am 11. September 2001 im World Trade Center erlebt.
Santos kandidierte 2020 erstmals für das Repräsentantenhaus. Im 3. Kongresswahlbezirk von New York unterlag er allerdings dem demokratischen Amtsinhaber Thomas Suozzi. Bei den Wahlen 2022 trat Santos erneut an und besiegte den Demokraten Robert Zimmermann mit rund 54 Prozent der Stimmen. Im Repräsentantenhaus war er Teil in des Mittelstandsausschusses sowie des Ausschusses für Wissenschaft, Raumfahrt und Technologie. Diese Mitgliedschaften kündigte Santos Ende Januar dieses Jahres.
Der Politiker gilt als grosser Anhänger von Donald Trump. So war Santos einst Präsident der Vereinigung «United for Trump», welcher sich für die Wiederwahl einsetzte. Santos ist offen homosexuell und versuchte immer wieder, Mitglieder der LGBTQ+-Bewegung zu ermutigen, das Lager der Demokraten zu verlassen. Weiter sorgte er für Schlagzeilen, als er Abtreibung mit Sklaverei verglich und diese «barbarisch» nannte. (dab, mit Material von Keystone-sda)