Die angelsächsische, von den USA angeführte Front gegen China nimmt Form an. Der amerikanische Präsident Joe Biden, der britische Premierminister Boris Johnson und sein australischer Amtskollege Scott Morrison haben per Videokonferenz einen «indopazifischen Sicherheitspakt» geschlossen. Er beinhaltet unter anderem eine milliardenschwere Produktion von atomaren Unterseebooten.
Ziel ist es laut Biden, «im Indopazifik langfristig Frieden und Stabilität zu sichern». Während US-Republikaner darin eine «Botschaft der Stärke» an das aufrüstende Regime in Peking sehen, erklärte Johnson, der Pakt sei nicht gegen China gerichtet. Peking verurteilte ihn trotzdem, weil er der «Mentalität des Kalten Krieges» entspreche.
Treibende Kraft hinter dem Rüstungsvorstoss sind die USA. Biden zimmert parallel dazu ein politisches Bündnis namens «Quad», das neben den USA und Australien auch Indien und Japan umfasst. Kommende Woche wollen sich die Regierungschefs der vier Partner erstmals im Weissen Haus in Washington treffen.
Kritik gab es am Donnerstag nicht nur aus China, sondern auch in Europa. Der deutsche Kanzlerkandidat Armin Laschet warnte vor einem neuen Kalten Krieg, der auf die Exporte seines Landes drücken würde. Noch viel schärfer reagierte Frankreich. Seine Werft Naval Group verliert einen fest vereinbarten australischen «Jahrhundertauftrag» von zwölf U-Booten im Wert von 56 Milliarden Euro.
Die Regierung in Paris wirft Australien «Vertragsbruch» und sogar «Vertrauensverrat» vor.
erklärte Aussenminister Jean-Yves Le Drian sehr undiplomatisch. Noch härter kritisierte er die USA für eine «unilaterale, brutale und unvorhersehbare Entscheidung, die stark an das erinnert, was Herr Trump vorgemacht hatte».
Le Drian liess hingegen keinen Zweifel offen, dass Frankreich finanzielle Entschädigung für den entgangenen Auftrag verlangen wird. Frankreich hatte mit Australien von 2014 bis 2019 über den Bau der zwölf U-Boote verhandelt. Die Australier hatten damals den Verzicht auf den atomaren Antrieb erwirkt. Auch deshalb schüttelt man nun in Paris den Kopf, dass die amerikanischen U-Boote doch atomar betrieben werden sollen.
Die Franzosen sind umso aufgebrachter, als sie den «Jahrhundertauftrag» in Australien nur zum Preis massiver Konzessionen – und gegen starke Konkurrenten wie die deutsche ThyssenKrupp – ergattert hatten. Die französische Naval-Group musste den Australiern 2800 Arbeitsplätze in Adelaide zugestehen; in Cherbourg (Normandie) entstehen dagegen nur 500 neue Jobs, wovon 300 für Australier reserviert sind. Für die nun gewählten australisch-amerikanischen U-Boote sollen Tausende von Arbeitsplätzen vor allem in Australien und Schottland entstehen.
Johnson sagte am Donnerstag im britischen Parlament, die Beziehung seines Landes zum transatlantischen Verteidigungsbündnis sei «unerschütterlich», dasjenige zu Frankreich «felsenfest».
Allein schon der Umstand, dass sich der Brite zu dieser Klarstellung bemüssigt fühlte, zeigt, wie tief der Graben durch die Nato und Westeuropa geworden ist. Biden scheut sich nicht mehr, Bündnispartner wie Frankreich rücksichtslos zu desavouieren, und Johnson setzt seit dem EU-Austritt voll auf «Global Britain».
Der amerikanische Affront gegenüber Frankreich im U-Boot-Geschäft dürfte noch Folgen haben. Denn er illustriert die zunehmende Distanz zwischen früheren Alliierten des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges.
Die Bündnispartner der Briten sind nicht mehr ihre europäischen Kanalnachbarn, sondern die USA, Australien, Kanada und Neuseeland: Im heiklen Bereich der Geheimdienstarbeit, also dort, wo wirkliches Vertrauen erforderlich ist, haben diese fünf englischsprachigen Länder den Verbund «five eyes» (fünf Augen) gegründet.
Französische Kommentatoren bezeichneten die Amerikaner und Briten am Donnerstag hingegen als «so genannte Alliierte». Die amerikanische Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Nato-Mitglied Frankreich wird die Nordatlantikallianz auf eine harte Probe stellen. Die inzwischen letzte Atommacht der EU fühlt sich zunehmend allein: Deutschland ist, wie der aktuelle Wahlkampf zeigt, nicht bereit, sich militärisch stärker zu engagieren.
Und die Schweiz? Sie bleibt natürlich neutral. Das heisst aber nicht unbeteiligt. Der sich öffnenden Graben zwischen Kontinentaleuropäern und Angelsachsen gibt zur Sorge Anlass.