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Das Geistergrinsen wirkte entlarvend – ein Abgesang auf Hillary Clinton

Democratic presidential candidate Hillary Clinton, with her husband, former U.S. President Bill Clinton, (L), and her Vice-President running mate Tim Kaiine (R), applaud at her concession speech to Pr ...
Hillary Clinton bei ihrer Rede nach der Wahlniederlage. Bild: CARLOS BARRIA/REUTERS

Das Geistergrinsen wirkte entlarvend – ein Abgesang auf Hillary Clinton

10.11.2016, 12:0910.11.2016, 12:56
Max Dohner / az Aargauer Zeitung
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Karrieristen bieten im Scheinwerferlicht stets Anschauung, ob ihr Lebensplan aufgeht, ihre Akrobatik gelingt. Man sieht nicht schadenfroh zu, aber auch nicht naiv. Man schaut unbewegt dem Schicksal zu. Und das ist oft fantasieloser als der Mensch. Der Mensch erfindet immer wieder neue Kraftakte, um sich ganz nach oben zu schwingen; das Schicksal holt ihn da früher oder später wieder runter – basta.

Interessanter sind jene Fälle, wo man Aufstieg und Fall beobachtet aus ein und demselben Prinzip: Die gleiche Kraft, die einen Menschen zu einer eindrucksvollen Karriere geführt hat, bricht ihm dann auch das Genick. Diese Leute scheitern am Erfolg, der sie starkgemacht hat. Das ist exemplarisch der Fall bei Hillary Rodham Clinton.

«Hillary ist der berühmteste Mensch, den keiner kennt.»

Auch ihr Lebensplan kippte am Ende ins Gegenteil. Ebnete ihr den Boden zu einer beispiellosen politischen Laufbahn – und zog ihr dann diesen Boden plötzlich weg. Als wäre da gar nie Boden gewesen, nur das dünne Eis einer Karriere im Zentrum der Macht. Weil Hillary ganz nach oben wollte, stürzt die 69-Jährige nun auch von weit oben. Gestern tauchte sie zunächst ab; dann redete sie doch.

Tiefschläge – dagegen hat sie gelernt, sich zu panzern. Sich überhaupt nichts anmerken zu lassen. Noch einmal präsentierte Hillary diesen Panzer mit dem mimischen Sinnbild: ihr Lachen, als würde durch einen Drahtzug der Kiefer nach unten klappen. Tausendfach wurde das maliziös fotografiert in den vergangenen Wochen: diese gefrorene Maske. Tausendmal schien Hillarys viel gerühmte, «hoch professionelle Wahlkampfmaschinerie» nicht zu bemerken, dass Geistergrinsen nicht fröhlich wirkt, sondern entlarvend.

Es gibt politische Langzeit-Beobachter, die Washingtons gesamte Abwasserkanäle kennen. Bei Hillary Clinton aber blicken sie nicht in den Untergrund, nie hinter die Bühne, nicht mal Verbündete: «Hillary ist der berühmteste Mensch, den keiner kennt.»

Hillary Clinton – ihr Leben in Bildern

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Hillary Clinton – ihr Leben in Bildern
Geboren wird Hillary (Zweite von links) 1947 in Chicago als Hillary Diane Rodham. Ihr Vater, Hugh Ellsworth Rodham, war Eigentümer einer mittelständischen Textildruckerei. Der Textilunternehmer war überzeugter Republikaner und hoffte stets, dass sein späterer Schwiegersohn und US-Präsident Bill Clinton die Partei wechseln würde.
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Nicht einmal eine Fortsetzung der Biografie ist möglich

Von der Schwelle zum Weissen Haus hinab ins bodenlose politische Dunkel: Eine grössere Fallhöhe gibt es nicht. Und so jäh – alle Welt sah sie vorne, die doppelt Unglückliche: Hillary dürfte kaum mit der Niederlage gerechnet haben. Und da, wo sie jetzt landet nach einem endlos scheinenden Fall, ist sie im Leben noch nie gewesen: in der Realität, in der Bedeutungslosigkeit von Smith und Miller. Soll sie davon erzählen? Ihre Biografie hat sie bereits geschrieben: «Gelebte Geschichte», ein Bestseller. Eine Fortsetzung, das weiss sie, würde zum Ladenhüter.

Ihr Kartenhaus ist zusammengebrochen. Hillary Clinton hat ihre Karriere weitgehend selbstständig gebaut, auf soliden eigenen Fähigkeiten, seit 1969, seit den triumphalen Tagen als Studentenrednerin im elitären, den Besten vorbehaltenen Wellesley-Frauencollege von Massachusetts. Da war sie ganz kurz noch Präsidentin der jungen Republikaner gewesen, wechselte wegen deren Haltung zum Vietnam-Krieg dann aber die Partei; als «Goldwater Girl» hatte sie zuvor den reaktionären Barry Goldwater in dessen – vergeblicher – Präsidentschafts-Kandidatur unterstützt. An ihren religiösen Mentor richtete die 18-jährige Methodistin damals die Frage: «Ist es möglich, dem Verstand nach konservativ, aber im Herzen linksliberal zu sein?»

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«Will sonst jemand kotzen?», schrieb die Schauspielerin Kristen Bell in der Wahlnacht auf Twitter.
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Der renommierte Journalist Carl Bernstein, einer von Hillarys Biografen, sagte, das beschreibe auch die Haltung der späteren Politikerin treffend. Ihre Wahlniederlage beantwortet heute, fünfzig Jahre später, die Frage der Studentin – im Verstand konservativ, im Herz links-liberal? Nein, nicht möglich. Gegensätze zwischen innen und aussen klaffen stets mehr auseinander; am Ende glaubt niemand mehr weder das eine noch das andere.

Aber warum muss man sich dann «die Nase zuhalten, um unter ihrem Namen ein Kreuz zu machen», wie ein demokratischer Abgeordneter sagte?

Ist Karrierewille, möglicherweise gar Karrieresucht so widerwärtig, dass bei den Wählerinnen und Wählern am Ende nur Hass daraus entspringt? Oder weil sich eine Frau mit ganzer Entschlusskraft auf Karriere verlegt?

Ein Leben wie aus «House of Cards»

In Trumps Lager schäumten die Hillary-Hasser derart kindisch, als hätte eine böse Hexe ihnen permanent über die Finger gehauen. Latenter Chauvinismus schwappte da mit latentem Rassismus zusammen. Und doch ist die Frage vernünftig: Hätte eine andere Kandidatin einziehen können als erste Präsidentin der USA? Noch manche Politikerin – doch partout nicht Hillary?

Ohne Washingtoner Ursuppe ist das Gedeihen einer Karriere und eines Politikerinnen-Typs wie Hillary undenkbar.

Eliteschule, sorgenfreies Milieu, feste Tugend, die richtige Universität, das Jus-Studium, erste Kontakte, noch mehr Netzwerke, bald auch den richtigen Billy-Buddy, von Hillary Rodham offenbar erst erhört nach mehreren Anläufen, seine Frau zu werden (dafür blieb er lebenslang eher Buddy als Gatte), Rivalinnen derart weggebissen, dass Latinas in den USA dafür Hillary auf ewig verachten, Kontakte zum Kapital, Mandate, inzwischen verschwiegen von der Wahlkampf-Entourage ... kurzum: ein Leben wie aus «House of Cards», der TV-Serie, ist sicherlich eine fiebrige Blase, um sich darin ohne feste Regeln, aber nach bekannten Mustern exklusiv zu bewegen, bleibt aber nichtsdestotrotz eine Blase.

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Darin ist Hillary Clinton nicht die einzige Vertreterin dieses modernen, quasi-demokratischen Typs Machtmensch, die nun einen Denkzettel verpasst bekommt, nur die prominenteste. Es dürfte bald eine Reihe anderer Leute der liberalen Elite treffen.

Das könnte uns – die wir ewig das Bodenpersonal der Geschichte bilden – herzlich egal sein, wären am Ende nicht eben wieder die «Globalisierungs-Verlierer», genau dieses Bodenpersonal die Getäuschten der «Wende». Und darum wird das ungemütlich, so oder so, gerade für die, die jetzt dem Rausch erliegen, unter den Etablierten «aufzuräumen».

Es dürfte vorläufig nur ein Muster politischen Agierens ausgetauscht werden durch ein neues. Ersetzt wird Obama durch Trump. Aber Trump ist auch nur der Pepe Grillo von Washington. Auch er folgt einem gespenstisch clownesken Muster. Ersetzt wird sozusagen das hergebrachte «Narrativ» der Politik, um auch einmal diesen unsäglichen Ausdruck zu gebrauchen. Keine Ideologie, schon gar nicht die reale Macht. Ersetzt wird die Spielstruktur von «House of Cards». Die tiefste Überraschung dieser Wahl besteht mithin darin, wie schnell die TV-Serie, die angeblich das wahre Politleben abgebildet hatte, ihrerseits wieder verstaubte.

Im gewohnten Hosenanzug, mit Bill an ihrer Seite

Hillary Clinton hat sich entschieden, Hillary hatte die Wahl: Sie glaubte, dass politische Karriere sich aus jenen Elementen zusammensetzt, die sie alle eigentlich meisterhaft beherrschte. Sogar in der Zeit grösster persönlicher Krisen, beim Betrug und Verrat ihres Buddys Bill, nutzte sie den Vorteil agil, der sich unverhofft für sie ergab: Von der ungeliebten First Lady, die ihre Zeit «nicht mit Plätzchenbacken» verplempern wollte, wurde sie zur geliebten politischen Kämpferin. Es war der letzte Booster zu ihrer Karriere.

In den jüngsten TV-Duellen bekundete sie nicht den Hauch einer Mühe mit Donald, dem Gegenkandidaten. Schien alles ein Kinderspiel. Und nun liegt der Kindskopf vorne! Sie dürfte noch lange an Washington, an der Welt, an sich selber irrewerden.

Jetzt auf

Gestern war davon nichts zu sehen, aber auch gar nichts; Bill applaudierte, mit beeindruckter Grimasse. Sei nicht gerade das erwartete Resultat, aber sie sei dankbar, sagte Hillary für das bereichernde Erlebnis dieser Kampagne. Das Scheitern bleibe sicher noch eine Weile schmerzhaft, aber sie bitte alle, die mitgeholfen hätten. Es sei eine Sache gewesen zur Verbesserung der Lage einer grossen Nation. In diesem Sinn hoffe sie auch, dass Donald Trump eine glückliche Präsidentschaft beschieden sei, um dazu beizutragen.

Einen kleinen Scherz erlaubte sich Hillary Clinton noch, als sie «alle jene Millionen von Freiwilligen», die auch mitgeholfen hätten «in strikt privaten Social-Media-Kanälen» für sie zu werben, dazu aufrief, künftig ihre Stimme deutlich vernehmen zu lassen. (aargauerzeitung.ch)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
10.11.2016 13:03registriert Februar 2016
Hätte sie denn laut schluchzen sollen, so wie ein typisches "Huscheli-Fraueli" jeweils heult, wenn es wieder mal von hysterischen Schreikrämpfen geschüttelt wird?
Ich finde, Hillary Clinton hat sich bei ihrer Rede professionell verhalten, wie man es eben von ihr gewohnt war. Noch einmal hat sie gute Mine zur Hexenjagd gemacht, ohne gleichzeitig ganz zu verbergen, dass auch sie starke Gefühle hat, mit einem "dicken Hals" und den Tränen sehr nahe!
Wenn sie aber geweint hätte, dann hätte es wohl geheissen: "Die ist einfach nicht stark genug! Sie soll besser nach Hause zum Plätzchen backen!"
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Joseph Dredd
10.11.2016 13:19registriert Juli 2014
Hillary Clinton verbrachte vierzig Jahre ihres Lebens damit, ihre Karriere aufzubauen, um jetzt die Präsidentschaft an einen Typen zu verlieren, der die Politik letztes Jahr als Hobby entdeckt hat. Bitter...
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Angelo C.
10.11.2016 12:24registriert Oktober 2014
Recht gute Zusammenfassung über Hillary Clintons Entwicklung bis zum bedeutungslosen Ende...

Auch der hier verlinkte Artikel wird diesem Thema bestens gerecht - m.E. ist dem nichts wirklich relevantes mehr anzufügen :


Die Nacht, in der Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, beschliesst wohl auch die Ära des mächtigsten US-Paares. http://desktop.12app.ch/articles/11984906
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