Sharenting ist in. Der Neologismus ist eine Zusammensetzung aus dem Wort «share» und «parenting». Er steht für das Phänomen, wenn Eltern Fotos ihrer Kinder auf sozialen Netzwerken online stellen und teilen.
Wer konsumiert diese Inhalte? Mehrheitlich erwachsene Männer. Das zeigt eine neue Recherche der «New York Times».
Die New York Times untersuchte rund 5000 Instagram-Konten, auf denen Mütter Fotos ihrer Kinder posten. Eine Berechnung der Publikumsdemografie ergab, dass insgesamt rund 32 Millionen Verbindungen zu männlichen Followern bestehen. Nicht alle diese Männer sind pädophil. Viele von ihnen hinterlassen bei Fotos von Kindern jedoch Kommentare und loben beispielsweise das Aussehen der Minderjährigen.
Um zu bestätigen, was die «New York Times» schreibt, genügen wenige Klicks. watson hat das gemacht: Instagram öffnen und in der Suche «girl» und «beach» eingeben. Es erscheinen vorwiegend Bilder von erwachsenen Frauen. Doch schon das dritte Bild ist jenes eines rund 11-jährigen Mädchens in einem Bikini. Das Bild wurde von einem Kanal gepostet, welcher das Wort «kid» im Benutzernamen hat. Dutzende Männer kommentieren mit Emojis und beschreiben das Mädchen als «sexy», «hot» und «beautiful».
Es erscheinen in der Instagram-Suche auch mehrere Bilder von einem rund 8-jährigen ukrainischen Mädchen, das im Bikini an einem See posiert. Auf einem Bild gar im Schneidersitz. Das Profil hat über 14'000 Follower und wird von der Mutter des Mädchens geführt, in der Beschreibung steht: «Unanständige Kommentare oder Angebote haben eine Blockierung zur Folge».
Alle Fotos des Mädchens kommentieren hauptsächlich Männer – jung und alt.
Wenn man die Instagram-Suche modifiziert und «beach» und «underage» eingibt, erscheinen keine Bilder. Stattdessen wird diese Meldung angezeigt:
Die Richtlinien von Instagram schreiben vor, dass Kinder unter 13 Jahren kein eigenes Profil eröffnen dürfen. Doch Mütter – wie jene des ukrainischen Mädchens – können für ihre Töchter ein Instagram-Profil betreiben. Viele von ihnen erhoffen sich eine Modelkarriere ihres Nachwuchses.
Doch mehr noch: Einige Eltern verkaufen auch Fotos ihrer Kinder, bieten exklusive Chat-Sitzungen an oder versteigern getragene Kleider der Mädchen an meist unbekannte Follower.
Selbst wenn die Eltern nicht direkt Fotos oder Kleider an die Männer verkaufen, profitierten sie von ihren Kindern, so die «New York Times». Denn: Je mehr Follower auf Instagram, desto mehr – finanziell lukrative – Brand-Deals sind möglich.
Die Recherchen der «New York Times» sind extrem umfangreich: Die Reporter befragten mehr als 100 Personen, darunter Eltern aus den USA und drei weiteren Ländern, ihre Kinder, Kindersicherheits-Experten, Mitarbeiter von Technologieunternehmen und Follower der Konten, von denen einige verurteilte Sexualstraftäter waren.
Viele der interviewten Eltern hätten gesagt, dass ihre Kinder gerne in den sozialen Medien aktiv seien oder dass dies für eine zukünftige Karriere wichtig sei.
Einige äusserten aber Bedenken. Die Australierin Kaelyn hat ihre Tochter, die nun 17 Jahre alt ist, schon von klein auf im Netz präsentiert. Kaelyn sagt gegenüber der «New York Times», dass sie sich Sorgen mache, dass die Kindheit, in der sie ihre Tochter online in Bikinis erwachsenen Männern präsentierte, bei dieser tiefe Narben hinterlassen habe.
Die Mutter sagt: «Sie hat sich selbst abgeschrieben und beschlossen, dass die einzige Möglichkeit, wie sie eine Zukunft haben kann, darin besteht, mit OnlyFans Geld zu verdienen.» OnlyFans ist eine Website, auf der kostenpflichtige Fotos und Videos bereitgestellt werden. Oft handelt es sich dabei um erotische oder pornografische Inhalte.
Kaelyn warnt andere Mütter davor, ihre Kinder zu Social-Media-Influencern zu machen. «Mit dem Wissen, das ich jetzt habe, würde ich, wenn ich zurückgehen könnte, es definitiv nicht mehr tun. Ich war dumm und naiv und habe ein Rudel von Monstern gefüttert – und ich bereue es sehr.»
Die Zahlen, welche die «New York Times» präsentiert, mögen erschütternd sein, überraschend sind sie jedoch nicht. Meta, die Muttergesellschaft von Instagram, stellte bereits 2020 in einer internen Studie fest, dass 500'000 Instagram-Konten von Kindern täglich «unangemessene» Interaktionen aufweisen.