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Aufatmen nach den Midterms: US-Hilfe für die Ukraine wird fortgesetzt

Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy, left, and White House national security adviser Jake Sullivan talk during their meeting in Kyiv, Ukraine, Friday, Nov. 4, 2022. (Ukrainian Presidential Press O ...
Joe Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan (r.) besuchte am letzten Freitag Wolodymyr Selenskyj in Kiew.Bild: keystone

Aufatmen nach den Midterms: US-Hilfe für die Ukraine wird fortgesetzt

Führende US-Republikaner hatten vor den Zwischenwahlen gedroht, die Unterstützung für die Ukraine zu überdenken. Diese Gefahr dürfte nun gebannt sein. Aber es gibt auch Rufe nach Verhandlungen.
11.11.2022, 18:5812.11.2022, 13:42
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Der Termin wurde kaum zufällig gewählt. Am Mittwoch sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit CNN-Starreporterin Christiane Amanpour. Es war der Tag nach den Halbzeitwahlen in den USA, bei denen mit einer roten, also republikanischen Welle im Kongress gerechnet wurde. Das Interview sollte den drohenden Schaden begrenzen.

Dafür spricht auch, dass Selenskyjs Ehefrau Olena am Gespräch teilnahm. Grund zur Sorge gab es. Kevin McCarthy, der Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, hatte wenige Tage vor der Wahl ebenfalls auf CNN erklärt, es werde «keinen Blankoscheck» mehr für die Ukraine geben, wenn seine Partei künftig den Kongress kontrollieren sollte.

Die schrille Trumpistin Marjorie Taylor Greene ging noch weiter. Die Ukraine werde «keinen Penny mehr» von den USA erhalten, sagte sie letzte Woche. JD Vance, der die Senatswahl in Ohio gewann, hatte schon im Februar erklärt, die Ukraine sei ihm «eigentlich egal». Es waren beunruhigende Töne, denn die USA sind der mit Abstand wichtigste Geldgeber.

Selenskyjs Besorgnis

Der Schaden hielt sich am Ende in Grenzen, aber nicht wegen des CNN-Interviews, sondern dank der amerikanischen Wählerschaft. Denn die befürchtete «rote Welle» fand nicht statt. Noch immer sind die Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern des Parlaments unklar. Und schon bislang wurde die Ukraine-Hilfe mit Stimmen aus beiden Parteien beschlossen.

«Wir sind dankbar für die überparteiliche Unterstützung», sagte Präsident Selenskyj im Interview. Sie sei ein «sehr deutliches, starkes Signal», nicht zuletzt an die Adresse der russischen Invasoren. Gleichzeitig äusserte er sich «sehr besorgt» über die Signale vor allem von republikanischer Seite. Die Hilfe der USA seit wichtig für die Einigkeit des Westens.

«Kein Zweifel» an Unterstützung

Die Bestätigung lieferte Stavros Lambrinidis, der EU-Botschafter in den USA, in einem Interview mit der «Washington Post», das ebenfalls am Mittwoch stattfand. Er habe «keinen Zweifel», dass die US-Hilfe für die Ukraine fortgesetzt werde, unabhängig von der Zusammensetzung im neuen Kongress. Das habe er in Gesprächen im Kapitol erfahren.

epa10238919 Chief of Staff of the US Army General Mark A. Milley attends a press conference at the end of the Meeting of the Ukraine Defense Contact Group as part of a NATO Council of Defense Minister ...
Generalstabschef Mark Milley plädiert für eine diplomatische Lösung.Bild: keystone

Die Wahrscheinlichkeit ist in der Tat gross, dass die USA weiterhin militärische und finanzielle Unterstützung leisten werden. Und das war nicht die einzige gute Neuigkeit für Kiew. Am Mittwoch gab die russische Armee den Rückzug aus der Stadt Cherson bekannt. Es ist der bislang wohl schwerste von zahlreichen Rückschlägen für die Invasoren.

Forderung nach Verhandlungen

Allzu sicher darf sich Selenskyj trotzdem nicht fühlen. In den letzten Tagen gab es in den USA vermehrt Spekulationen und sogar Forderungen nach Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Anlass dazu war unter anderem eine Reise von Jake Sullivan, dem nationalen Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden, letzte Woche nach Kiew.

Für Gespräche plädiert offenbar Generalstabschef Mark Milley, der ranghöchste US-Militär. Die Ukrainer sollten ihre Erfolge am Verhandlungstisch «zementieren», soll er gemäss der «New York Times» in internen Diskussionen erklärt habe. Es gebe «Möglichkeiten für eine diplomatische Lösung», bekräftige Milley am Donnerstag gegenüber dem Sender CNBC.

Kein Druck auf Ukraine

Die Regierung Biden allerdings will von solchen Forderungen nichts wissen. «Die USA setzen die Ukraine nicht unter Druck», sagte Jake Sullivan am selben Tag im Weissen Haus. Sein Chef bekräftigte in seiner Medienkonferenz nach den Midterms, der Entscheid liege bei den Ukrainern: «Wir werden ihnen nicht sagen, was sie zu tun haben.»

A U.S. M142 High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) fires a missile during annual combat drills between the Philippine Marine Corps and U.S. Marine Corps in Capas, Tarlac province, northern Phi ...
Die USA liefern neue Munition für die Himars-Raketenwerfer.Bild: keystone

Wolodymyr Selenskyj zeigte sich im Gespräch mit Christiane Amanpour skeptisch: «Ausser Ultimaten haben wir vom derzeitigen Präsidenten der Russischen Föderation nichts gehört.» Er habe die Türe nicht zugemacht und sei bereit, mit Russland zu reden, «aber mit einem Russland, das wirklich zum Frieden bereit ist». Und dazu habe er nichts gehört.

USA liefern weitere Waffen

Ein Ende des Krieges ist auch nach dem Rückzug aus Cherson nicht in Sicht. Das Pentagon kündigte am Donnerstag weitere Militärhilfe im Umfang von 400 Millionen Dollar an. Sie umfasst unter anderem Luftabwehrsysteme, Winterausrüstung und Munition für die HIMARS-Raketenwerfer, die sich im Kampf gegen die Russen als besonders effektiv erwiesen haben.

Ein gewisses Risiko besteht, dass ein neuer Kongress die Unterstützung für die Ukraine kürzen oder blockieren könnte. Und Rufe nach Verhandlungen gibt es nicht nur von rechts, sondern auch vom linken Flügel der Demokraten. Allerdings tagt der Kongress bis Ende Jahr in bisheriger Zusammensetzung, was Raum für neue Hilfspakete ermöglicht.

Selenskyj liess auf CNN keine Zweifel aufkommen, dass er auf militärische Hilfe des Westens zählt. Auf die Frage von Christiane Amanpour, wie viele Waffen sein Land noch benötige, erwiderte er: «Es sind genug, wenn wir nicht länger Explosionen hören. Es sind genug, wenn die Luftabwehr sicherstellt, dass keine Raketen mehr einschlagen.»

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