Am 6. Juli erschoss der weisse Deputy Sheriff Sean Grayson die Schwarze Frau Sonya Massey in ihrer Küche, weil sie einen Topf mit kochendem Wasser vom Herd nehmen wollte.
Jetzt sind die Bodycam-Aufnahmen aufgetaucht. Sie zeigen die letzten Minuten vor dem Tod der Frau und dokumentieren ihre letzten Worte. Der Tod der 36-jährigen Massey wird bereits mit anderen Fällen verglichen, bei denen die Polizei exzessive Gewalt gegen Schwarze angewendet hat. Sogar der US-Präsident, Joe Biden, hat sich nun zum Tod von Sonya Massey geäussert.
Eine Übersicht:
Am 6. Juli gegen 0.50 Uhr ruft Sonya Massey die Notrufnummer 911, um einen Einbrecher zu melden. Sie ist eine zweifache Mutter, die mit einer paranoiden Schizophrenie zu kämpfen hat, wie ihre Tochter später bestätigen wird.
Sean Grayson und ein weiterer Beamter werden zu Masseys Haus geschickt. Sie durchsuchen die Gegend und stellen einen Autoeinbruch fest, können aber keinen Einbrecher ausmachen. So steht es in einem Memorandum der Illinois State Police.
Daraufhin klopfen die Beamten bei Massey, sprechen mehrere Minuten mit ihr und folgen ihr ins Innere des Hauses.
Ab hier dokumentieren die Bodycam-Aufnahmen das Geschehene aus der Sicht des Polizisten, der zusammen mit Grayson im Einsatz ist.
Massey sitzt, gekleidet in einem weissen, bodenlangen Nachthemd, auf einem Sofa und sucht ihre ID, um sich auszuweisen.
In diesem Moment beginnt das Wasser in einem Topf auf dem Herd zu kochen. Die Polizisten fordern sie auf, den Herd herunterzudrehen. «Wir brauchen jetzt kein Feuer hier», sagen sie. Massey steht also auf und bewegt sich in Richtung Küche, die Polizisten bleiben im Wohnzimmer. Dabei werden Wohnzimmer und Küche lediglich von einer Theke getrennt. In der Küche nimmt Massey den Topf vom Herd und trägt ihn zur Spüle, wo sie das Wasser auszuschütten beginnt.
Der Polizist, dessen Bodycam die Szene aufzeichnet, bewegt sich in diesem Moment etwas von Massey weg. Er erklärt, er wolle Abstand zwischen sich und das kochende Wasser bringen. Massey kommentiert das in einem ironischen Tonfall:
Grayson beginnt zu fluchen. Er droht Massey, ihr ins Gesicht zu schiessen, den Finger bereits an der Waffe. «Lassen Sie den verdammten Topf fallen», schreit er mehrfach. Dann zieht er seine Dienstwaffe und richtet sie auf Massey, während er sie weiter anschreit. Massey lässt den Topf fallen und duckt sich hinter der Theke, während sie ruft: «Es tut mir leid.»
Grayson schreit weiter und nähert sich mit seiner Waffe der Theke.
Er schiesst dreimal.
Danach bewegt er sich um die Theke herum. «Kopfschuss.» Und dann: «Fuck.» Erst jetzt aktiviert auch er seine Bodycam – was dem Gesetz widerspricht. Der Polizist, dessen Bodycam läuft, holt das Notfallset. Hier brechen die veröffentlichten Aufnahmen ab. Im Bericht der stellvertretenden Staatsanwältin, Mary Rodgers, wird später stehen: «Der andere Deputy leistete weiterhin Hilfe und blieb bei Frau Massey, bis medizinische Hilfe eintraf». Grayson hingegen «versuchte zu keinem Zeitpunkt, Frau Massey zu helfen».
Dem britischen «Guardian» liegt der Polizeifunk zu einem unbestimmten Zeitpunkt kurz nach der Tat vor. Offenbar hat jemand, der am Tatort war, über den Funk verlautbaren lassen, die Wunde sei «selbst zugefügt». Ein Disponent bittet um Klarstellung und die Männerstimme bestätigt ein zweites Mal: «Selbst zugefügt.»
Massey war eine Nachfahrin von William Donnegan. Er ist in dem Ort bekannt, weil er 1908 während der Rassenunruhen von einem weissen Mob gelyncht wurde. Masseys Tod wurde in dem Spital festgestellt, in dem auch ihr Vorfahre nach den Misshandlungen durch den Mob verstarb.
Der 30-jährige Sean Grayson war bis zu seiner Entlassung nach dem Tod von Sonya Massey Deputy Sheriff beim Sangamon County Sheriff’s Office in Springfield, Illinois. Davor hatte er sieben Jahre lang für eine andere Strafverfolgungsbehörden in Illinois gearbeitet.
In Springfield wurde er eingestellt, obwohl zwei Anklagen wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss gegen ihn vorliegen, wie das «Springfield State Journal-Register» schreibt.
Am 18. Juli musste Grayson zum ersten Mal wegen des Todes von Massey vor Gericht erscheinen. Ihm wird vorsätzlicher Mord, schwere Körperverletzung mit einer Schusswaffe und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Der Angeklagte plädierte auf nicht schuldig. Bis zu seinem nächsten Gerichtstermin am 26. August bleibt er inhaftiert.
Der Anwalt der Familie von Sonya Massey, Ben Crump, sagte gegenüber Reuters, dass Massey zwar psychische Probleme gehabt habe, aber die Polizisten hätten keine tödliche Gewalt anwenden dürfen, da sie zu keiner Zeit aggressiv oder bedrohlich aufgetreten sei, was die Bodycam-Aufnahmen auch beweisen würden. Er ergänzt:
Dass Polizisten wegen Mordes an einem Bürger angeklagt werden, ist selten. Doch in Springfield warten derzeit auch zwei Sanitäter auf ihren Prozess. Sie haben im Januar 2023 den Schwarzen Earl Moore Jr. auf eine Trage geschnallt, als er wegen Alkoholentzugs unter Halluzinationen litt – er erstickte auf der Trage. Bereits dieser Vorfall hat die People of Color (POC) in Springfield tief getroffen.
Anwohner werfen der neuen, republikanischen Bürgermeisterin vor, dass sie die Bemühungen, die es nach dem Tod von Moore Jr. seitens der Politik gegeben habe, nicht mehr weiterführe. So habe man vor allem in die POC-Jugend des Ortes investiert. Doch jetzt brannte am Abend vor der Veröffentlichung der Bodycam-Aufnahmen ein Spielplatz im Quartier, so die Anwohner gegenüber dem «Guardian». Gerüchte kursierten, die Polizei sei dafür verantwortlich gewesen, um Demonstranten davon abzuhalten, sich dort zu versammeln. Diese Gerüchte sind jedoch nicht bestätigt.
Joe Biden gab am Montag, nach der Veröffentlichung der Video-Aufnahmen, ein offizielles Statement heraus, in dem er schreibt, dass die Familie von Massey Gerechtigkeit verdient habe:
Im Weiteren forderte er die Gesetzgeber auf, das «George Floyd»-Gesetz endlich zu verabschieden.
Das Gesetz sieht neben dem Verbot von Würgegriffen auch Regeln gegen «Racial Profiling» sowie eine Einschränkung der Immunität von Polizeibeamten vor. Die Republikaner blockieren den George Floyd Justice in Policing Act seit Jahren.
Der Afroamerikaner Floyd wurde am 25. Mai 2020 durch den weissen Polizisten Derek Chauvin getötet, indem Chauvin neun Minuten und 29 Sekunden lang mit seinem Knie auf Floyds Hals kniete und ihm bis zu seinem Sterben die Atemwege abdrückte. Sein Tod löste die Black-Lives-Matter-Bewegung aus.
James Wilburn, Masseys Vater, sagte bei einer Pressekonferenz am Montag zusammen mit dem Anwalt Ben Crump:
Auf dem Video ist doch gut zu sehen, dass absolut keine Gefahr in dieser Situation besteht. Völlig ungeachtet, wie gut oder schlecht die Ausbildung der Polizisten in Amerika ist, das sind doch Menschen. Und dieser Polizist hält es für nötig, der Frau in den Kopf zu schiessen. Ich weiss gar nicht, auf wie vielen Ebenen das falsch ist. Und dann auch noch 3x!
Völlig verstörend
Eine ganze krasse Mischung aus Verrohtheit, Waffenfixierung, Dummheit und schlechter Ausbildung.
Ich fasse es nicht.
Ich weiss warum ich nie in die USA reisen werde.