Die US-Südstaatenmetropole New Orleans ist in der Silvesternacht zum Schauplatz eines Terrorakts geworden. Nur wenige Stunden nach Mitternacht raste ein Mann mit seinem Pick-up-Truck durch die feiernden Passanten im beliebten Ausgehviertel French Quarter und tötete mindestens 15 Menschen.
Zuerst wurden zehn Todesopfer gemeldet, in der Nacht auf Donnerstag (Schweizer Zeit) wurde die Zahl aber von mehreren US-Medien unter Verweis auf den Gerichtsmediziner der Stadt, Dwight McKenna, nach oben korrigiert. Die Opferzahl könnte noch weiter steigen. Die Polizei meldete zudem 35 Verletzte.
Der Attentäter ist tot. Zunächst war unklar, was nach dem Angriff passierte. Später wurde bekannt, dass es zwischen dem Angreifer und Einsatzkräften einen Schusswechsel gegeben hatte und der Mann inzwischen gestorben ist. Das berichtete das FBI. Bei dem Gefecht sind ausserdem zwei Polizisten verletzt worden. Beide seien im Krankenhaus und in «stabilem Zustand», sagte New Orleans' Polizeichefin Anne Kirkpatrick.
Augenzeugen berichteten im US-Fernsehen von Leichenteilen auf Strassen und Bürgersteigen. Viele Menschen seien schreiend geflohen. Videoaufnahmen zeigten Blutspuren auf dem Asphalt und regungslose Menschen in unnatürlicher Haltung. Menschen eilten heran, um zu helfen. Die Behörden meldeten schnell, dass die Tat als «Terrorakt» untersucht werde.
Am Mittag (Ortszeit) veröffentlichte das FBI Details zum Täter: Ermittler fanden an Bord des Tatfahrzeugs eine Flagge der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Im Tatfahrzeug seien auch Waffen gefunden worden, in einer Kühlbox auf der Ladefläche des Pick-ups und in dem Viertel entdeckten die Ermittler zudem mehrere mögliche selbstgebaute Sprengkörper. Es werde derzeit geprüft, ob diese wirklich hätten gezündet werden können.
Die lokale Nachrichtenseite «New Orleans Advocate» sprach unter Berufung auf Ermittlerkreise von einem 42-Jährigen in Militärkleidung als Täter. Laut FBI handelt sich um den 42 Jahre alten Shamsud-Din J., einen US-Staatsangehörigen aus Texas, hiess es.
Es wird auch nach möglichen Komplizen gesucht. Man glaube nicht, dass J. «allein verantwortlich war», sagte FBI-Ermittlerin Alethea Duncan. Deswegen schaue sich das FBI alle Kontakte des Mannes und eine Reihe möglicherweise verdächtiger Menschen ganz genau an und bitte auch die Öffentlichkeit um Hilfe. «Wir wollen nichts ausschliessen.»
Schon am frühen Morgen hatte die Polizei das Geschehen als «sehr absichtliches Verhalten» bezeichnet. «Er versuchte, so viele Menschen zu überfahren wie möglich», sagte Polizeichefin Kirkpatrick in einer ersten Einschätzung. Später ergänzte sie:
Der Vorfall ereignete sich laut Polizei um 3.15 Uhr am Morgen in einem Teil der Stadt, den bei vielen Events Zehntausende besuchen. Im French Quarter feiern die Menschen im März auf Balkonen und in den Strassen den berühmten Karneval Mardi Gras, auch ein Jazz-Festival im späten Frühling zieht dort die Massen an.
Der Tatort, die Hauptstrasse Canal Street und die kleinere Bourbon Street, ist an Neujahr auch weit nach Mitternacht noch sehr belebt. Unklar war noch, wie der Täter Absperrungen und Poller umfahren konnte, um in die Bourbon Street einzubiegen. Mehr als 300 Einsatzkräfte seien bereits zu Silvester in dem Viertel gewesen, berichteten US-Medien. Die Polizei ergänzte am Mittag, dass mehr als 400 Ermittler vor Ort an der Aufarbeitung der Tat beteiligt seien.
Schon 2017 hatte es im French Quarter einen ähnlichen Vorfall gegeben. Ein Autofahrer war beim Karneval in die Zuschauermenge eines Umzugs gerast. Er sei «stark alkoholisiert» gewesen und habe zwei Autos gerammt, bevor er in die Menge gefahren sei, hatte damals Polizeichef Michael Harrison vor Journalisten gesagt. 28 Menschen waren verletzt worden, fünf von ihnen schwer.
Joe Biden erklärte in einer Stellungnahme unter Berufung auf das FBI, dass der Attentäter sich vom IS zur Tat «inspirieren» lassen hatte. Das habe er nur wenige Stunden vor der tödlichen Attacke in Videos auf den sozialen Medien mitgeteilt. In den Aufnahmen, die er in sozialen Netzwerken postete, liess der Täter laut Biden erkennen, dass er getrieben sei «vom Verlangen, zu töten».
«Mein Herz geht an die Opfer und ihre Familien, die einfach nur feiern wollten», teilte Biden weiter mit. «Es gibt keine Rechtfertigung für jegliche Art von Gewalt und wir werden keinen Angriff auf die Gesellschaft unseres Landes tolerieren», erklärte er. Die Ermittler bekämen von seiner Regierung und seinen Mitarbeitenden jede nötige Unterstützung.
Untersucht wird laut Biden auch, ob die Tat in New Orleans in Zusammenhang mit der Explosion eines Tesla-Cybertrucks vor dem Trump International Hotel in Las Vegas steht, bei der wenige Stunden später ein Mensch in dem Fahrzeug ums Leben kam und sieben andere leicht verletzt wurden. Bisher gebe es darauf keine Hinweise, sagte Biden. Er warnte generell davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Die Ermittler arbeiteten an einem umfassenden Bild und würden es zu gegebener Zeit präsentieren, so Biden weiter.
Auch Bidens Nachfolger Donald Trump drückte Trauer aus. «Unsere Herzen sind mit allen unschuldigen Opfern und ihren Lieben, inklusive der mutigen Beamten der Polizei in New Orleans», schrieb der Republikaner auf seiner Online-Plattform Truth Social.
Trump wartete allerdings nicht auf Fakten, um Schlüsse zu ziehen und nutzte den Anlass, um Stimmung zu machen. «Als ich gesagt habe, dass die Kriminellen, die in unser Land kommen, deutlich schlimmer seien als die Kriminellen, die wir im Land haben, wurde meine Aussage ständig von Demokraten und von den Fake-News-Medien zurückgewiesen, aber es hat sich als wahr herausgestellt», schrieb Trump weiter und deutete damit eine mögliche ausländische Herkunft des Täters an.
In der Folge stellte sich heraus, dass der mutmassliche Täter ein 42-jähriger US-Amerikaner, der in den Staaten geboren und aufgewachsen ist und zudem zehn Jahre für die US-Armee gearbeitet hatte. Nebst Trump verbreiteten weitere Rechtspopulisten wie Marjorie Taylor Greene und kurzzeitig auch Fox News das Narrativ, es habe sich um einen illegalen Einwanderer gehandelt.
Trump log zudem über die Kriminalitätsraten in den USA, welche seiner Darstellung nach so hoch wie nie seien. Tatsächlich verbuchten die USA in den vergangenen Jahren klar sinkende Kriminalitätszahlen.
Die Generalstaatsanwältin des Bundesstaats, Liz Murrill, wählte bei X harsche Worte und schrieb vom «brutalen, absichtlichen Abschlachten unschuldiger Menschen.»
Louisianas Gouverneur Jeff Landry nannte das Geschehen beim Nachrichtendienst X eine «fürchterliche Gewalttat». «Bitte beten Sie gemeinsam mit Sharon und mir für alle Opfer und Ersthelfer vor Ort», schrieb er in Bezug auf seine Ehefrau und rief dazu auf, den Bereich der Tat zu meiden.
Der Gouverneur rief dazu den Notstand für die Stadt und anstehende Grossereignisse aus. «Die Notstands-Erklärung ist lebenswichtig, da sie uns erlaubt, schnell zusätzliche Versorgung zu erhalten, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten», schrieb Gouverneur Jeff Landry auf der Nachrichtenplattform X, wo er die Erklärung am Mittwoch (Ortszeit) teilte.
Der Erklärung zufolge geht es darum, im Fall von Katastrophen, die mit dem Verlust von Leben oder starken Schäden einhergingen, schnell mit Anordnungen wie etwa Evakuierungen reagieren und auch Hilfe auf US-Bundesebene anfordern zu können. Der Schritt erfolgt mit Blick auf anstehende Veranstaltungen speziell in New Orleans, wie dem «Sugar Bowl» (siehe weiter unten).
Die Bürgermeisterin der Stadt, LaToya Cantrell, sprach in einer ersten Reaktion US-Medien zufolge von einem «Terrorangriff». Die Details und Hintergründe der Tat wurden ermittelt. Sie sei mit dem Weissen Haus und dem Gouverneur von Louisiana in Kontakt.
Die Rettungskräfte waren mit einem massiven Aufgebot vor Ort. Laut einem Reporter des Senders WWLTV liess die Polizei Restaurants und Bars auf der Bourbon Street räumen und sperrte die Strasse weiträumig ab.
US-Medien berichteten, dass in mehreren US-Städten Bundesermittler im alten Jahr die lokalen Behörden vor Angriffen mit Fahrzeugen gewarnt hätten. Solche Taten seien generell möglich und es gelte, sich darauf vorzubereiten. Dabei sollen die Behörden auch über den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg vom 20. Dezember mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten gesprochen haben.
In Folge der Gewaltfahrt wird zudem der «Sugar Bowl» um einen Tag verschoben. Das Football-Spiel zwischen den College-Mannschaften Notre Dame und University of Georgia solle nun am Donnerstag stattfinden, sagte der zuständige Organisationschef Jeff Hundley bei einer Pressekonferenz.
«Die Entscheidung, das Spiel zu verschieben, war keine einfache», sagte Troy Carter, Abgeordneter der Demokraten. «Sie wurde getroffen mit einem einzigen Ziel: Der öffentlichen Sicherheit.» Auch das Weisse Haus und das Ministerium für Innere Sicherheit seien involviert gewesen. Er werde das Spiel besuchen, sagte der Gouverneur Louisianas, Jeff Landry. Der traditionell in New Orleans ausgerichtete «Sugar Bowl» zieht jedes Jahr Zehntausende Menschen aus dem ganzen Land an. (con/sda/dpa/lyn)