Am 22. Oktober sah ein Mann in Caldwell im US-Bundesstaat New Jersey eine Szene vor seinem Haus, die ihn beunruhigte. Ein Mädchen ging von Baum zu Baum und besprühte diese mit einer für ihn nicht weiter identifizierbaren Flüssigkeit.
So entschied sich der Mann, zum Telefonhörer zu greifen und den Vorfall der Polizei zu melden. «Da ist eine kleine schwarze Frau, die irgendwas an die Bäume sprüht», meldete er gemäss CNN den Beamten. «Ich weiss nicht, was zur Hölle sie da macht. Aber es macht mir Angst.»
Als die Polizei dann eintraf, stellten sich die Sorgen des Mannes aber als unbegründet heraus. Beim Mädchen handelte es sich um die neunjährige Bobbi Wilson. Sie hatte es sich zum Projekt gemacht, die Bäume in ihrer Nachbarschaft zu schützen.
In der Schule hatte Wilson von der Gepunkteten Laternenträgerzikade gehört: einem Insekt, das ursprünglich aus Südostasien kommt, aber mittlerweile auch in den USA heimisch ist. Laternenträgerzikaden sind dafür bekannt, Löcher in Bäume zu bohren und daraus zu trinken, wobei Schadstoffe in den Baum eintreten. Wissenschaftler empfehlen deshalb, die Schädlinge zu töten. Wilson war dieses Problem bekannt. Aus diesem Grund hatte sie auf TikTok ein Rezept für eine Mixtur – bestehend aus Wasser, Spülmittel und Apfelessig – gesucht, mit welcher sie die Insekten töten konnte.
Als die Polizei Wilsons Vorhaben erkannte, beruhigte sich die Situation. Dennoch sorgte der Vorfall landesweit für Schlagzeilen. Monique Joseph, die Mutter des Mädchens, erhob schwere Vorwürfe gegen den Nachbarn. In den USA werden schwarze Kinder deutlich häufiger erschossen als Weisse, womit Wilson laut Joseph unnötigerweise in Gefahr gebracht wurde.
Der Nachbar soll sich zwar bei ihr entschuldigt und gesagt haben, er dachte, es habe sich um ein verirrtes Mädchen oder eine demente alte Frau gehandelt. Doch Joseph akzeptierte diese Entschuldigung nicht. Ihre Tochter sei seit diesem Tag nicht mehr dieselbe gewesen. Rund einen Monat später sagte Joseph, sie hoffe, dass aus diesem Vorfall zumindest die nötigen Lehren gezogen würden.
Die ganze Geschichte verfolgte auch Ijeoma Opara aufmerksam, eine Assistenzprofessorin an der Elite-Universität Yale. Sie entschied sich dafür, Wilson für ihren Einsatz zu ehren. So lud sie das sehr für Wissenschaft interessierte Mädchen und ihre 13-jährige Schwester nach Yale ein, wo sie mehrere erfolgreiche schwarze Wissenschaftlerinnen treffen konnten. «Yale macht so etwas normalerweise nicht», stellte Opara klar, «wir wollten ihren Mut honorieren und zeigen, wie inspirierend sie ist.»
Twitter fam, thank you for helping me to find the family of the 9 year old girl from NJ who had the police called on her by her neighbor for collecting lantern flies. I connected with them & invited them to @yale for a Black girl led Science Tour! Yesterday—HISTORY was MADE (1/) pic.twitter.com/NV1CGp8Qss
— Dr. Ijeoma Opara (@IjeomaOparaPHD) November 17, 2022
Wilson kam nicht mit leeren Händen nach Yale. Sie brachte ihre Sammlung von 27 toten Laternenträgerzikaden mit, welche sie bei ihrem Einsatz gesammelt hatte. Diese überreichte sie der Insektensammlung des Yale Peabody Museums, wo man sie in der Datenbank bereits einsehen kann.
Wilsons Mutter Monique Joseph zeigte sich von der Einladung gerührt. «Ich weiss das zu schätzen. Es bedeutet uns die Welt», sagte sie. Und versprach anschliessend: «Ihr werdet weiterhin von Bobbi hören. Denn wir werden alles dafür tun, dass sie ihr volles Potenzial ausleben kann.»
(dab)