Trump ist bereit, Putin den Geldhahn abzudrehen – unter einer Bedingung
Monatelang haben die Europäer den US-Präsidenten Donald Trump bearbeitet, dass er endlich die Sanktionsschraube gegenüber Russland anzieht und Machthaber Wladimir Putin unter Druck setzt. Jetzt ist Trump anscheinend so weit: «Ich bin bereit, loszulegen. Sagt mir einfach, wann», so Trump am Samstag auf seiner Online-Plattform «Truth Social» in einem Brief an «alle Nato-Staaten und die Welt».
Konkret schlägt er vor, die beiden grössten Abnehmer von russischen Energieprodukten, China und Indien, mit Strafzöllen von bis 100 Prozent zu belegen. Es wäre ein grosser Schritt auf dem Weg, Putins wichtigste Geldquelle zur Finanzierung seines Angriffskrieg gegen die Ukraine trockenzulegen.
Allerdings kommt Trumps Kehrtwende mit einer Bedingung: Zuerst müssten alle Nato-Staaten aufhören, bei Putin Öl zu kaufen. Dass dies weiterhin geschehe, sei «schockierend» und schwäche die eigene Verhandlungsposition gegenüber Russland, so Trump.
Türkei, Ungarn und Slowakei kaufen weiter russisches Öl
Damit hat er einen Punkt. Auch mehr als drei Jahre nach Kriegsbeginn und 18 Sanktionspaketen gibt es immer noch europäische Staaten, welche Öl aus Russland beziehen. In der EU sind das Ungarn und die Slowakei. Sie hängen direkt an der «Druschba»-Pipeline (russ. «Freundschaft») und profitieren von einer Ausnahmeregelung zum geltenden EU-Öl-Embargo. Seit Februar 2022 bis Ende 2024 kauften Budapest und Bratislava russisches Öl im Wert von total über 12 Milliarden Euro.
Noch weit bedeutender ist aber die Rolle, welche das Nato-Mitglied Türkei für Russlands Öl-Geschäft spielt. Nach China und Indien ist die Türkei in den vergangenen Jahren der drittwichtigste Abnehmer für russisches Rohöl geworden. Und anders als bei Ungarn und der Slowakei hat die EU wenig Möglichkeiten, auf die Regierung von Recep Tayyip Erdogan Einfluss zu nehmen. Dass sämtliche Nato-Mitglieder den russischen Öl-Hahn abdrehen, wie von Trump gefordert, wird daher so bald nicht geschehen. Und selbst wenn: Es gibt noch ein zweites, nicht weniger grosses Problem.
Trump will nicht wie die Europäer gezielt Firmen und Finanzinstitute sanktionieren, welche vom Öl-Geschäft mit Russland profitieren. Sondern er verlangt, wie in seiner Stellungnahme geschrieben, dass bis zu 100 Prozent Pauschalzölle gegen Staaten wie Indien und China verhängt würden. Das wird aber kaum passieren. Die Europäische Union möchte vielmehr genau in die entgegengesetzte Richtung gehen: Ziel ist es, bis Ende Jahr ein Freihandelsabkommen mit Indien auszuhandeln. Es geht darum, sich handelspolitisch breiter aufzustellen. Ironischerweise auch wegen Donald Trumps Zollpolitik und der momentan schwierigen Handelsbeziehung mit Amerika.
Und von China ist Europa wirtschaftlich einfach zu stark abhängig, als dass es sich einen Zollkrieg leisten könnte. Gerade die strauchelnde Wirtschaftsmacht Deutschland ist mit China stark verwoben. Würde Europa nun hohe Zölle gegen China und Indien erheben, könnte das den Kontinent noch weiter in Richtung Rezession bringen.
Trump lässt die Europäer als Scheinheilige dastehen
Natürlich weiss man das alles auch in Washington. Es stellt sich deshalb die Frage, wie ernst es Trump mit seinen Sanktionen gegen Russland ist, wenn er solche Bedingungen daran knüpft. Für Stirnrunzeln sorgt in Brüssel zudem, dass Trump in seiner Wortmeldung Präsident Wladimir Putin als Verantwortlichen für den Krieg mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen sagte Trump einmal mehr, es sei der «lächerliche Krieg» seines Vorgängers Joe Biden und des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.
Wenn es Trump aber darum ging, die Europäer der Scheinheiligkeit zu überführen, dann hat er das geschafft. Und dabei hat der Amerikaner noch gar nicht auf das Gas-Geschäft gezielt. Beim Gas gibt es nämlich anders als beim Öl kein Embargo, sondern bloss einen Plan, sämtliche Importe bis zum Ende des Jahres 2027 zu beenden. Russisches Gas fliesst heute weiterhin nach Europa, bis Anfang Jahr sogar noch durch die Ukraine. Abnehmer des Pipelinegases sind die Slowakei und Ungarn. Flüssiggas kommt mittels Tankschiffen in beträchtlichen Mengen in Belgien, Spanien und Frankreich an. Insgesamt kauften die Europäer im vergangenen Jahr für fast 22 Milliarden Euro in Russland Energieprodukte, wie Zahlen der Denkfabrik «Centre for Research on Energy and Clean Air» (CREA) zeigen. Nicht mitgerechnet sind da russische Ölprodukte, welche über Umwege nach Europa kommen. Zum Beispiel zu Diesel oder Kerosin verarbeitetes Rohöl. Ein Importverbot für raffinierte Produkte aus russischem Rohöl via Drittländer tritt erst im Januar 2026 in Kraft. (aargauerzeitung.ch)