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Der Dreikampf von Biden, Trump und Obama

Der Dreikampf von Biden, Trump und Obama

Um Trump zu schlagen, rücken Biden und Obama nun sogar zusammen an. Das Drama der Demokraten wird am Wochenende vor den Midterms offensichtlich.
06.11.2022, 19:41
Bastian Brauns, Washington / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Mit einem Mal ist Donald Trump bereit, alles zu geben. Schlampig und lustlos wirkten seine Auftritte in den vergangenen Monaten. Das Publikum bei den vielen Rallys im ganzen Land schien auch zunehmend gelangweilt von den immergleichen Geschichten ihres 2020 aus dem Amt gefegten Präsidenten: der Wahlbetrug, die Mauer und die bösen Demokraten.

Former President Donald Trump applauds toward the crowd at the conclusion of an election rally in Latrobe, Pa., Saturday, Nov. 5, 2022. (AP Photo/Jacqueline Larma)
«Es kommt nicht mehr auf die Kandidaten an»: Trump will die Kontrolle über die Stimmzettel.Bild: keystone

In Pennsylvania wirkt an diesem Wochenende alles anders. Auf einem kleinen Flughafen östlich von Pittsburg landet Trump zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mit seinem grossen Flugzeug. Bekannt ist die blau-weiss-rot lackierte Boeing 757 als «Trump Force One» seit seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2016. Sie dient nicht nur zum Protzen. Sie ist ein Symbol des Machtanspruchs. Das Publikum wirkt elektrisiert. «Four more years!» ruft die Menge immer wieder.

Bald soll es so weit sein. Am 14. November, so heisst es, soll Trump seine neue Kandidatur für eine zweite Amtszeit bekannt geben. Das wäre genau der Tag, an dem er vor dem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zum 6. Januar aussagen soll.

Der Kampf des MAGA-Königs

Je grösser der Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen, desto besser für Trump: politisch, wirtschaftlich und auch juristisch. Der Bundesstaat Pennsylvania ist dafür entscheidend.

Sollte dort der Sitz für den Senat an den Kandidaten Mehmet Oz, einen Trumpisten, gehen, könnte seine Partei sogar in beiden Parlamentskammern die Mehrheit erringen. Trump will die blauen Demokraten mit einer «Red Wave», besser noch einem «Red Tsunami», versenken.

Former President Barack Obama speaks at a campaign rally for Pennsylvania's Democratic gubernatorial candidate Josh Shapiro and Democratic Senate candidate Lt. Gov. John Fetterman, Saturday, Nov. ...
«Denkt daran, in welchem Jahrhundert wir leben»: Obama warnt vor einem Rückfall in alte Zeiten. Bild: keystone

Hinter Trumps Rednerpult auf dem Flugfeld wurde die sonst übliche Zuschauertribüne nicht aufgestellt. Das Flugzeug ist heute wichtiger als die jubelnden Unterstützer. Die Fernsehkameras sollen es einfangen. Langsam rollt die Maschine ins Fernsehbild. Die weissen Buchstaben auf der Seite prägnant in Szene gesetzt: T - R - U - M - P. Auf seinem Kopf die rote «Make America Great Again»-Kappe, schreitet der 45. Präsident der Vereinigten Staaten die Gangway herunter.

Trump ist in seinem Element. Im Battleground-State Pennsylvania berichten auch die grossen Medien wieder über eine seiner Reden. Fox News, MSNBC und sogar CNN. Denn an diesem Samstagabend sind noch zwei andere Präsidenten anwesend. In Philadelphia kämpfen Barack Obama und Joe Biden zum ersten Mal in diesem Wahlkampf sogar gemeinsam auf einer Bühne für die Kandidaten der Demokraten. Als Trump bei Pittsburgh zu reden beginnt, sind Obama und Biden in Philadelphia schon fertig. Trump weiss, die Primetime gehört jetzt ihm.

«Ich bin der MAGA-König!», ruft er und macht sich damit über seinen Nachfolger im Weissen Haus lustig. Joe Biden hatte in den vergangenen Monaten immer wieder vor den extremen Trumpisten gewarnt und Trump als deren «grossen MAGA-König» betitelt. Die Demokraten seien keine Sozialisten mehr, sondern längst Kommunisten, sagt Trump.

Als er davon spricht, wie findig seine Gegner beim Fälschen von Stimmzetteln seien, offenbart Trump dann sogar seine eigene anti-demokratische Strategie. «Es kommt nicht mehr auf die Kandidaten an, sondern auf jene, die die Stimmen auszählen», sagt er. Es ist ein Hinweis auf seine Strategie, künftig Wahlen in seinem Sinne zu manipulieren.

Trumps Lösung für ein nicht existierendes Problem sieht so aus: Solche Personen als Wahlverantwortliche einsetzen, die Ergebnisse liefern, die ihm gefallen. Das wird auch deutlich, als er seine Rede für eine kleine Präsentation mit Umfrageergebnissen auf einer Leinwand unterbricht. Trump macht sich gar nicht die Mühe, zu verbergen, dass er dort nur ihm genehme Ergebnisse aufführen lässt.

Als ihm bei einer Folie der Abstand zu einem Konkurrenten nicht gross genug ist, sagt er, das könne nicht sein. Das müsse ein Fehler sein. Wie dieses Ergebnis in die Präsentation gekommen sei? Er hätte das nicht zugelassen. Was Trump auf dem Flugfeld erzählt, ist für jeden sichtbar und hörbar. Es ist sein Kampf.

Obama und ein Hauch von 2008

Vor diesem Szenario warnen Joe Biden und Barack Obama in Philadelphia so eindringlich, wie sie nur können. «Es geht nicht nur um ein Referendum», ruft Biden. «Es geht um das Recht, zu wählen.» Obama fragt die Zuhörer: «Überlegt euch, wer würde im Zweifel für euch kämpfen? Wer würde für eure Freiheiten kämpfen?»

Er warnt vor einer drohenden erzkonservativen Agenda, die dabei ist, liberale Rechte zurückzunehmen. Wer dafür kämpfen würde, dass es egal ist, wen man liebe oder wann man eine Familie gründen wolle. «Denkt daran, in welchem Jahrhundert wir leben!»

Ein Hauch von 2008 liegt in der Luft, wenn Obama spricht, als wäre er ein Motivationscoach vor einem wichtigen Football-Spiel an einem College. Ohne Anzug, mit einem himmelblauen Hemd, versucht er, die Wichtigkeit der Zwischenwahlen zu betonen: «Wir sind manchmal so fokussiert auf den Präsidenten.» Aber der könne alleine gar nicht arbeiten. Er brauche den Kongress. Joe Biden mache schon einen Super-Job. «Wenn ihr wählen geht, dann kann er sogar mehr machen. Aber es kommt auf euch an!», ruft Obama. «Unsere Demokratie funktioniert nur als Teamsport!»

Doch der demokratische Kandidat für den US-Senat schwächelt. Ein Schlaganfall zeichnet John Fetterman im gnadenlosen Kampf mit den Republikanern um den Senatssitz. Biden und Obama versuchen ihn in Pennsylvania mit vereinten Kräften über die Ziellinie am Dienstag zu schieben. Fetterman macht einen Witz: «Wisst ihr, was das Schlimmste ist, wenn du einen Schlaganfall hattest? Wenn du danach vor Barack Obama sprechen musst.» Solcher Humor und auch sein Kampfgeist kommen an. Aber sein einstiger Vorsprung ist immens zusammengeschrumpft. Ob es am Ende reicht, ist unklar.

Pennsylvania Democratic Senate candidate Lt. Gov. John Fetterman speaks at a campaign rally with President Joe Biden on Saturday, Nov. 5, 2022, in Philadelphia. (AP Photo/Patrick Semansky)
John Fetter ...
Sozialarbeiter und Bürgermeister: John Fetterman will in den US-Senat. Bild: keystone

Das Rennen gegen Mehmet Oz und damit gegen Trump ist eines der knappsten Rennen im ganzen Land. So knapp, dass der ebenfalls schwache Biden für die Intervention nicht ausreicht. Mehr als zehnmal ist der amtierende Präsident im Wahlkampf in diesen Bundesstaat gereist. Doch angesichts von Inflation und Kriminalität schwächelt Biden. Der ehemalige Vize-Präsident braucht seinen Vor-Vorgänger Barack Obama jetzt mehr denn je.

Seinen stärksten Moment hat Obama, als er davon spricht, dass es nicht um «politische Korrektheit» gehe. «Es geht um fundamentale Werte, die mir meine Grosseltern in Kansas beigebracht haben.» Es gehe um Ehrlichkeit, Fairness, um Chancen und um harte Arbeit. Zuvor hatte er den republikanischen Senats-Kandidaten Mehmet Oz angegriffen. Der verkaufe heute politisches «Schlangen-Öl» – so wie er früher medizinische Produkte im Fernsehen verkauft habe, die den Menschen schadeten. Oz hatte als Arzt im Fernsehen medizinische Produkte zum Abnehmen verkauft, die unter anderem zu Leberschäden führen können.

So wie Trump seine Menge bei Pittsburgh begeistern kann, ist Obama in der Lage, den Massen in Philadelphia Hoffnung zu geben. Auch er, der «Hope and Change Guy» fühle sich angesichts der Lügen, des Hasses und des um sich greifenden Zynismus extrem hoffnungslos. Wenn seine Frau Michelle ihn frage, was nur werden solle, dann sage er ihr, dass «alles gut werde» – denn er wisse, dass alle gut werde. «Aber ich weiss auch, dass nur alles gut wird, wenn wir etwas dafür tun.»

Obama und Trump – zwei Ex-Präsidenten machen in Pennsylvania das Rennen. Aber nur einer von ihnen kann 2024 wiedergewählt werden: Obama kann nach seinen zwei vorherigen Amtszeiten nicht nochmals antreten. Das heisst auch: Selbst wenn die Demokraten die rote Welle am Dienstag halbwegs gut überstehen, brauchen sie am Ende mehr. Nämlich einen mitreissenden Kandidaten oder eine Kandidatin für 2024.

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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fairness
06.11.2022 19:51registriert Dezember 2018
Sperrt den endlich ein, damit die Demokratie überlebt.
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DerRabe
06.11.2022 20:14registriert Juli 2014
Wie Yuval Harari vor wenigen Wochen bereits gesagt hat: Das könnten die letzten Wahlen (für eine sehr lange, düstere Zeit) in den USA werden.
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Schwefelholz
06.11.2022 21:29registriert Dezember 2015
The handmaids tale

Das Unvorstellbare hört nicht auf, Normalität zu werden. Ist der böse Traum denn nie zu Ende?
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