Es scheint paradox: Obwohl Russland seit dem Ukraine-Krieg unter Druck steht, ist der Rubel an der Börse auf einem Hoch. Derzeit muss man für 1 Dollar nur noch rund 60 Rubel auf den Tisch legen, im März waren es noch über 100 Rubel. Seit Jahresbeginn hat der Rubel gegenüber dem US-Dollar um mehr als 11 Prozent zugelegt. Damit übertrifft die russische Währung den brasilianischen Real, der um 9 Prozent gestiegen ist, und ist im laufenden Jahr somit die Währung mit der bislang besten Performance.
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Direkt nach Kriegsbeginn und der Verkündung erster Sanktionen – also etwa dem Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System, der Sperrung von Vermögenswerten oder Exportverboten – war der Rubel drastisch eingebrochen. Seinen Tiefpunkt hatte er am 7. März. Damals kostete 1 Dollar rund 154 Rubel. Seitdem hat der Rubel gegenüber dem Euro und dem Dollar rund 80 Prozent an Wert gewonnen. Auf einem Allzeithoch, wie auf Social-Media-Plattformen teils kolportiert wird, ist der Rubel allerdings nicht.
Experten sehen mehrere Ursachen dafür, dass sich die russische Währung inzwischen wieder erholt hat. So schwächen die westlichen Sanktionen zwar die russische Wirtschaft, die Wirkung auf den Rubel-Kurs ist aber weniger eindeutig, weil dieser Markt nicht wie in normalen Zeiten funktioniert. Das liegt daran, dass die russische Regierung eine Reihe von Massnahmen ergriffen hat, um den Rubel vor den Sanktionen zu schützen.
Theoretisch sagt die Stärke der Währung etwas über die Stärke einer Volkswirtschaft aus, im Fall Russland stimmt das aber so nicht. «Es gibt derzeit keinen Markt für den russischen Rubel», sagt Yngve Abrahamsen, Ökonom am Konjunkturforschungsinstitut KOF der ETH Zürich. Die von Russland festgelegten Regeln sorgen dafür, dass grundsätzlich möglichst wenig Rubel verkauft werden darf und gleichzeitig möglichst viel Rubel gekauft werden muss. Beides stützt den Kurs.
Der erste und wohl wichtigste Grund für die Kurssteigerung ist, dass Russland weiterhin viel Öl und Gas verkauft – für täglich Hunderte von Millionen. Der Westen zahlt zwar weiterhin in Euro und Dollar, die russischen Energiekonzerne jedoch müssen 80 Prozent dieser Erlöse über nicht sanktionierte russische Banken in Rubel umtauschen. Bis vor dem Ukraine-Krieg wurde nur ein Teil umgetauscht, jetzt sind es die gesamten Einnahmen.
Mit diesem Zwangsumtausch wird die Rubel-Nachfrage künstlich angekurbelt. Diese Umtauschpflicht gilt nicht nur für Gas- und Öllieferanten, sondern für sämtliche russische Firmen. Der grösste Teil der russischen Exporte stammt aus dem Rohstoff- und Energiesektor, betroffen sind also Staatskonzerne wie Gazprom oder Rosneft. Daneben auch die Diamantenproduzenten Alrosa und Cristal.
Zweitens hat die russische Regierung Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, die es sowohl den Bürgerinnen und Bürgern wie auch den Unternehmen erschweren, russische Anleihen, Aktien oder andere Beteiligungen zu verkaufen. Damit werde eine «Flucht aus dem Rubel» verhindert, sagt Alexis Körber, Leiter Makro Research bei BAK Economics.
Drittens hat Russland die Importe ins eigene Land reduziert. «Russland kann gegenwärtig nur noch das Nötigste importieren», ergänzt Koerber. Dies ist eine Folge der westlichen Sanktionspolitik, die weniger auf Russlands Exporte zielt, sondern auf Lieferungen nach Russland. Obwohl also Russland von einem Teil des Welthandels abgeschnitten wurde, verbessert sich somit seine Handelsbilanz – während sich der Devisenbedarf verringert.
Indirekt gewinnt der Rubel zudem durch einen weiteren Faktor an Wert: Seit dem Ukraine-Krieg sind Rohstoffe knapper und somit teurer geworden, darunter auch Öl und Gas. Gazprom und Rosneft kassieren also noch mehr Geld, welches sie dann wiederum in Rubel umtauschen und so die Nachfrage nach der Währung weiter verstärken.
Wie stark die vom Westen verhängten Sanktionen Russland wirklich treffen, war lange umstritten. Deren Erfolg lässt sich jedoch nicht am offiziellen Kurs des Rubels ablesen, da dieser seit Kriegsbeginn keine frei handelbare Währung mehr ist. Das heisst aber auch: Solange der Westen russisches Öl und Gas bezieht, ist ein Rubel-Absturz unwahrscheinlich.
Der ökonomische Kollaps Russlands blieb bisher ebenfalls aus. Zuletzt zeigte sich jedoch, dass die Wirtschaft doch zunehmend unter den Sanktionen leidet. Das Ziel, Lieferketten zu stören und die Versorgung mit Gütern einzuschränken, wurde teils schon erreicht, wie das Beispiel der Autobranche zeigt: Mehrere Autofirmen haben ihre Produktion in Russland aufgrund fehlender Bauteile und einer blockierten Logistik eingestellt.
Auch die Inflation ist in Russland stark gestiegen, Güter des täglichen Bedarfs sind teils um ein Vielfaches teurer geworden. Um den horrenden Preisanstieg zu stoppen, hat die von Elvira Nabiullina geführte Zentralbank den Leitzins auf einen Rekordwert von mehr als 20 Prozent verdoppelt. (aargauerzeitung.ch)
Die Russische Wirtschaft wird mittel- und langfristig darnieder liegen.
Wenn Konzerne wie Renault und MacDonalds Russland verlassen (mit Milliarden Abschreibern) wie die Ratten das sinkende Schiff, sagt das über die wirtschaftliche Zukunft des Landes wohl alles.