Bernie Sanders ist zufrieden wie eine Katze, die soeben eine Maus verspeist hat. «Endlich haben wir erreicht, dass Amerika die Welt im Kampf gegen den Klimawandel anführen kann», schnurrt er.
Grund für Sanders' Genugtuung ist ein Deal, den Präsident Joe Biden und die demokratischen Kongressmitglieder gestern besiegelt haben. Es geht um ein 3.5-Billionen-Dollar-Paket, mit dem die Klimaerwärmung gestoppt und das Gesundheits- und das Bildungswesen rundum erneuert werden. «Das wird das wichtigste Gesetzeswerk für die arbeitende Bevölkerung seit den Dreissigerjahren», erklärt Sanders.
Konkret geht es um strenge Umweltvorschriften für Energiekonzerne, die mit massiver staatlicher Unterstützung gefördert werden. Es geht aber auch um Kitas, bezahlbare Medikamente und Gratis-Hochschulbildung an Community Colleges. Zusammen mit einem überparteilichen Infrastrukturprogramm, auf welches sich eine Arbeitsgruppe von Demokraten und Republikanern geeinigt hat, sind damit die Voraussetzungen für einen Green New Deal gegeben, der diesen Namen auch verdient.
Ursprünglich wollte Sanders gar sechs Billionen Dollar. Doch das war Taktik. Mit dem nun beschlossenen Deal ist er mehr als zufrieden, zumal es scheint, als hätte er realistische Chancen, auch die Hürden im Kongress zu überspringen. «Ich denke, wir werden es schaffen», erklärte Präsident Biden.
Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, spricht von «einem Sieg für das amerikanische Volk». Die progressive Senatorin Elizabeth Warren erklärt: «Das ist ein sehr starker erster Schritt. Wir teilen das Geld in vernünftige Schritte auf.»
Auch die gemässigten Demokraten stehen hinter dem Deal, beispielsweise Jon Tester, ein Moderater aus dem Bundesstaat Montana. Er will zwar noch ein paar Details ändern, erklärt sich jedoch grundsätzlich bereit, dem Deal zuzustimmen. Selbst die beiden Sorgenkinder Joe Manchin und Kyrsten Sinema schliessen eine Unterstützung nicht aus. «Angesichts der Tatsache, dass wir 50 Senatoren bei der Stange halten müssen und dass Kompromisse gemacht werden müssen, ist dies ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung», so Sanders.
Die Demokraten wollen nun den 3.5-Billionen-Dollar-Deal mittels des sogenannten Reconciliation-Verfahrens (fragt nicht!) durch den Senat peitschen. Das bedeutet, dass die Republikaner ihn nicht mit einem Filibuster verhindern können. Parallel dazu wollen sie das überparteiliche Infrastrukturprogramm zur Abstimmung bringen.
Ein raffinierter Schachzug: Verweigern die Republikaner ihre Zustimmung zu diesem Programm, dann tun sie dies im Wissen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sich dafür ausspricht. Zudem geben sie dann den Demokraten die Möglichkeit, das Infrastrukturprogramm zusätzlich in den nun beschlossenen Deal einzubauen.
Für die Demokraten ist es damit eine Situation wie bei einem Münzwurf, bei dem es nur einen Ausgang gibt: Kopf – ich gewinne; Zahl – du verlierst. «Wenn man mich fragt, dann sage ich: ‹Wir werden es schaffen›», erklärt denn auch Sanders. Wenn alles gut läuft, soll der Deal noch vor den Sommerferien im August über die Bühne gehen.
Indirekte Schützenhilfe erhalten die Demokraten auch aus Europa. Die EU hat soeben ebenfalls ihre Version eines Green New Deals beschlossen, ein umfangreiches Programm, mit dem bis zum Jahre 2030 der CO2-Ausstoss auf 55 Prozent des Niveaus von 1990 gesenkt werden soll. Dazu sind ebenfalls gewaltige Investitionen in Infrastruktur und Energieversorgung nötig. Spannen die Europäer und die Amerikaner zusammen, dann erhöhen sie auch den Druck auf die Chinesen, die aktuell grössten Umweltverschmutzer.
Für den 79-jährigen Sanders ist der gestern beschlossene Deal sein bisher grösster Sieg. Er war die treibende Kraft dahinter. Mit Hillary Clinton hatte Sanders das Heu nie auf der gleichen Bühne. Bei Joe Biden hingegen findet Sanders immer ein offenes Ohr, obwohl die beiden politisch in verschiedenen Lagern stehen.
Deshalb hat Sanders beste Beziehungen ins Weisse Haus. Die hat er nun spielen lassen. «Er hat die Diskussion in der Hauptstadt verändert», stellt Maureen Dowd in der «New York Times» fest. «Er ist der Typ, der seine Partei wieder näher an die Arbeiter und Präsident Biden auf einen progressiveren Pfad führen kann.»
Davon lässt Bernie Sanders sich nicht abbringen. Das musste Dowd am eigenen Leib erfahren. Jedes Mal, wenn sie ihn zu Themen befragen wollte, in denen es nicht um das Wohl der Arbeiter ging, winkte er ab – und hielt ihr einen Fresszettel unter die Nase, auf denen die relevanten Fragen aufgelistet waren.