Der Welt stehe eine Ölschwemme bevor, wie es sie nie zuvor gegeben habe, ausser im Ausnahmezustand der Coronakrise. Das schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem neuen Erdölbericht. Die Schwemme soll sich ab 2025 stetig aufbauen und 2029 ihr grösstes Ausmass erreichen. Das werde die Benzinpreise nach unten drücken – aber das wäre erst der Anfang.
Hervorgerufen wird diese Schwemme durch zwei gegenläufige Trends: Die Förderländer bauen ihre Kapazitäten ehrgeizig aus; hingegen wächst die Nachfrage nicht, sie stagniert bis zum Ende des Jahrzehnts. Hinter dieser schwachen Nachfrage steht laut IEA vor allem der Erfolg von Elektroautos. Sie verbreiten sich schnell auf den Strassen dieser Welt und stossen so einen Wandel an, der laut Experten «nicht linear» verlaufen wird – also turbulent.
Historisch gesehen war der Transport immer die Hauptstütze der weltweiten Ölnachfrage. Doch mit den Elektroautos bricht nun ein grosser Teil der Nachfrage im Strassenverkehr weg, wie die IEA berechnet hat. Wie immer, wenn sich neue Technologien durchsetzen, geht es erst lange zäh voran, dann auf einmal rasend schnell.
2024 werden weltweit schon rund 17 Millionen Elektroautos einen Käufer finden, was über 20 Prozent aller Autoverkäufe ausmacht. Bis 2030 sind es 40 Millionen, also nicht ganz, aber fast drei Mal mehr. Und der Anteil an allen verkauften Autos wird knapp die Hälfte betragen. Angetrieben wird dieser Trend von sinkenden Preisen für Elektroautos: Bis 2030 sind sie auch ausserhalb Chinas so günstig, dass sie mit Verbrennern mithalten können – ohne Subventionen.
Neben den Elektroautos gibt es auch einen Autotrend, welcher die weltweite Ölnachfrage stützt: die wachsende Beliebtheit von grösseren und schwereren Autos. Die SUV stellen ständig neue Rekorde auf, im Verkauf wie mit ihren Emissionen. Ihr Anteil an den weltweiten Autoverkäufen hat 2023 fast 50 Prozent betragen – und am Anstieg energiebedingter CO2-Emissionen rund 20 Prozent. Laut IEA ist dies «der bestimmende Autotrend des frühen 21. Jahrhunderts».
Paradoxerweise wird dieser Trend von Verbrennungsmotoren angetrieben, die das Öl effizienter nutzen und eigentlich den weltweiten Verbrauch senken sollten. So schreiben etwa neue Gesetze in der EU und in den USA eine Halbierung der CO₂-Emissionen vor. Doch SUV mit einem geringeren Ölverbrauch sind SUV, die nicht mehr sie so viel Benzin verschlingen, dass sie vielen Haushalten zu teuer sind. Sie passen viel leichter in knappe Haushaltsbudgets hinein.
Das Arbeiten im Homeoffice macht so manche Autofahrt überflüssig und senkt so den weltweiten Ölverbrauch. In den USA waren Vollzeitangestellte letztes Jahr durchschnittlich 1,4 Tage pro Woche im Homeoffice. In Kanada und in Grossbritannien sind es ähnlich viele Tage, in Europa immerhin 0,8 und in Asien 0,7 Tage.
Ob das Homeoffice populär bleibt, sei zwar laut IEA ungewiss. Denn es werde kontrovers diskutiert, ob daheim der Schlendrian herrsche, und einige Arbeitgeber drängen auf die Rückkehr ins Büro. Doch vorläufig hat sich das Homeoffice in den reicheren Ländern auf höherem Niveau als vor Corona stabilisiert. Mehrere Länder haben nun Gesetze, die flexible Arbeitszeitregeln fördern, und neue Technologien könnten virtuelle Sitzungen bald produktiver machen.
Im Luftverkehr gibt es noch nichts, was Verbrennungsmotoren bereits im grossen Stil ersetzen könnte. Der Ölverbrauch wird deshalb weiter steigen – aber langsamer als früher. Flugreisen wurden 2023 beinahe wieder so oft unternommen wie vor Corona und sie werden weiter zulegen. Zugleich wird der Luftverkehr effizienter und Passagiere werden mit weniger Kerosin befördert. Der Kerosinverbrauch lag darum 2023 noch immer tiefer als vor Corona und wird es laut IEA bis 2027 bleiben.
In der Summe führen diese Trends zu einer «Entkoppelung» von Öl und Wirtschaft. Der globale Ölverbrauch wächst erst weniger stark als die Wirtschaft, dann gar nicht mehr und schliesslich, gegen Ende des Jahrzehnts, fällt er ein wenig, in den westlichen Industriestaaten sogar sehr stark.
Zurück bleibt eine Ölschwemme – was normalerweise einen globalen Ölpreis-Crash zur Folge haben sollte. Doch die IEA äussert sich nur vorsichtig zu den Aussichten für den Ölpreis. «Ein solch dickes Polster in der Ölförderung könnte ein niedrigeres Ölpreisumfeld einleiten», schreibt sie in ihrem Bericht. Dies könne «die Preise bis zum Ende des Jahrzehnts belasten.»
Dass die IEA keine klare Prognose zu den Preisen wagt, hat vor allem einen Grund: Es ist völlig ungewiss, wie die Erdölproduzenten und ihr Kartell, die OPEC, auf die sinkende Nachfrage reagieren. Der IEA-Chef Fatih Birol richtet deshalb eine eindringliche Warnung an ihre Adresse.
Sie müssten «das zunehmende Tempo des Wandels aufmerksam verfolgen» und vorsichtig sein mit ihren Investitionen, damit «ein geordneter Übergang gewährleistet ist». Gemeint ist: weg vom Öl, hin zu den neuen Technologien wie eben Elektroautos oder Solarenergie. Und die Warnung zeigt vor allem: Der IEA-Chefökonom fürchtet einen nicht-geordneten Übergang, also einen turbulenten, mit einem Auf und Ab des Ölpreises wie auf einer Achterbahn.
Wie dies geschehen könnte und sich in der Schweiz auswirken würde, erklärt Patrick Hofstetter, Energieexperte bei der Umweltschutzorganisation WWF: Wenn es tatsächlich eine Ölschwemme gebe, werde der Preis zunächst abstürzen, beispielsweise auf noch 20 US-Dollar pro Fass. Dabei werde es jedoch nicht bleiben.
Bei einem so tiefen Preis würden viele Produzenten nicht überleben können und deshalb den Markt verlassen. Damit sinkt das Angebot wieder und der Preis steigt, auf vielleicht 50 US-Dollar. Das wäre für viele Produzenten immer noch zu tief, weshalb sie ihre alten Anlagen nicht ersetzen und der Preis noch weiter steigt – vielleicht wieder auf 80 bis 90 US-Dollar wie heute. Danach könnte der nächste Sturz in die Tiefe folgen, wenn viele Produzenten auf einmal wieder investieren, während sich zugleich Elektroautos weiterverbreiten und die Nachfrage noch mehr sinkt.
Die Schweiz werde diese Schwankungen mitmachen müssen, die Benzinpreise würden stärker hinauf und hinuntergehen als früher, sagt Hofstetter. Immerhin ginge es weniger extrem zu und her als auf dem Rohölmarkt selbst, da Rohöl nur einen Teil der Endpreise ausmache, die hierzulande an den Zapfsäulen bezahlt werden. Insgesamt gelte jedoch, so Hofstetter: «Der Ölmarkt war schon bisher instabil. Wenn wir nun auf Elektromobilität umsteigen, steigt der Rohölverbrauch nicht länger, sondern er sinkt – und wir haben einen noch volatileren Erdölpreis.» (aargauerzeitung.ch)
sie es so entscheiden. Sie machen sich nicht mal die Mühe, ein fast glaubwürdige Mangellage zu erfinden wie die Strom- und Gaslieferanten... darüber lacht die OPEC.
Aber es werden sich sicher einige finden, welche auf Grund solcher Meldungen einen Verbrenner kaufen werden, in der Hoffung billig tanken zu können.