Die «Financial Times» hat kürzlich eine Liste der Dinge veröffentlicht, die Jeff Bezos seit dem Wahlsieg von Donald Trump für den Präsidenten getätigt hat. Hier ist sie:
An der Inaugurationsfeier ist Bezos wie ein Schuljunge hinter dem Präsidenten gestanden. Für die Feier hat er eine Million Dollar gespendet. Die Inauguration wurde live auf dem Amazon-Sender Prime Video übertragen. Die gleiche Plattform hat 40 Millionen Dollar für das Recht hingeblättert, eine Dokumentations-Serie über Melania Trump zu drehen. Und auf Prime Video sollen auch alte Ausgaben von Trumps legendärer Reality-Show «The Apprentice» ausgestrahlt werden.
So gesehen ist es ziemlich dick aufgetragen, wenn es aus dem Umfeld von Bezos heisst: «Jeff fällt keine Entscheide, weil er sich fürchtet oder jemandem einen Gefallen tun will. Die Idee, dass er kalkulierte Versuche unternimmt, um sich so Vorteile zu verschaffen, ist nicht nur falsch. Sie schätzt völlig falsch ein, wer Jeff Bezos ist.»
«Okay, netter Versuch», ist man da versucht zu sagen. Aber wie kommt es, dass der ach so unabhängige Geschäftsmann Jeff Bezos in den letzten Monaten alles dafür getan hat, Trump zu gefallen? Könnte das nicht damit zu tun haben, dass für ihn grosse finanzielle Interessen auf dem Spiel stehen?
Drei davon stehen im Vordergrund. Amazon ist nicht nur der grösste Online-Shop der USA, er ist auch der bedeutendste Anbieter von sogenannten Cloud-Services. Zudem ist Bezos Eigentümer des Raketenunternehmens Blue Origin und Verleger der «Washington Post», eine der einflussreichsten Zeitungen Amerikas.
Gerade die «Washington Post» ist Trump ein Dorn im Auge. Sie ist – oder vielleicht muss man bald sagen, war – traditionell linksliberal ausgerichtet und daher bis anhin dem US-Präsidenten nicht wirklich freundlich gesinnt. Deshalb drängte sich 2019 auch der Verdacht auf, dass Amazon einen Zehn-Milliarden-Vertrag mit der Regierung verloren hatte, weil Trump damit Bezos einen mehr als deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl geben wollte.
Der ehemalige Chefredaktor der «Washington Post» gab daher der «Financial Times» zu Protokoll: «In unseren Kreisen zirkulierte damals der Witz, wonach Bezos nicht 250 Millionen Dollar, sondern zehn Milliarden Dollar für die ‹Post› bezahlt hat.»
Ebenfalls in seiner ersten Amtszeit versuchte Trump auch, Bezos an die kurze Leine zu nehmen, indem er die amerikanische Post dazu bringen wollte, die Gebühren für die Amazon-Pakete massiv zu erhöhen. Vergeblich. «Damals bekämpfte Bezos Trump, weil Trump ihm gezielt schaden wollte, nicht weil er etwa super-progressiv wäre», so ein Insider. «Damals war er von der Mission der ‹Post› überzeugt und erklärte, die Kosten würden sich rechnen.»
Inzwischen haben sich beide geändert, Trump und Bezos. Der Präsident verfolgt in seiner zweiten Amtszeit eine bewusste Politik, die USA in völlig neue Bahnen zu lenken und schreckt dabei vor nichts zurück. Der 61-jährige Bezos hat derweil nicht nur sein Äusseres gewechselt – er macht mittlerweile auf Macho –, sondern auch seine Frau – er wird demnächst die ehemalige TV-Moderatorin Lauren Sánchez ehelichen – und seine Überzeugung – der ehemalige Libertäre wird zunehmend zu einem Konservativen.
Vor allem steht für Bezos jetzt noch deutlich mehr auf dem Spiel. Wie sein Erzfeind Elon Musk ist er ebenfalls Eigentümer einer Raketenfirma namens Blue Origin. Diese ist zwar noch weit davon entfernt, es mit SpaceX von Musk aufnehmen zu können. Doch auch Blue Origin hofft auf happige Regierungsaufträge, um dereinst aus den roten Zahlen zu kommen. Zusammen haben Amazon und Blue Origin derzeit bestehende Verträge für Staatsaufträge in der Höhe von 20 Milliarden Dollar.
«Für ihn ist Blue Origin ein Projekt des Herzens», verrät ein Insider der «Financial Times». «Er hat Angst davor, dass er als wichtiger Player im All, den er werden will, zerstört werden könnte.»
Bezos ist daher offensichtlich bereit, die Kröte Trump zu schlucken, und zwar ohne Wenn und Aber. «Er mag ihn nicht bedingungslos lieben, aber er ist nicht dumm», so ein ehemaliger Manager von Blue Origin. «Es ist eine Frage des Überlebens.»
Bis im Herbst 2024 verhielt sich Bezos als Verleger der «Washington Post» vorbildlich. Er schaltete sich nie in redaktionelle Entscheide ein. Das ist jetzt Geschichte. Bezos untersagte eine redaktionelle Empfehlung für die Wahl von Harris. Kürzlich hat er eine kritische Karikatur aus dem Blatt verbannt und damit erreicht, dass eine der renommiertesten Karikaturistinnen Amerikas auf der Stelle gekündigt hat.
Inzwischen hat Bezos auch verfügt, dass auf der Meinungsseite keine allzu kritischen Kommentare mehr erscheinen dürfen. Das hat erneut zur Folge gehabt, dass eine Reihe von bekannten Journalistinnen und Journalisten das Blatt verlassen und hunderttausende von bisher treuen Lesern ihr Abonnement gekündigt haben.
Jeff Bezos wird damit seinem Ruf als zynischer Geschäftsmann ohne moralische Prinzipien gerecht. Ein weiterer Insider erklärt denn auch: «Der Deal mit Melania Trump ist gleichzeitig offensichtlich lächerlich und sehr pragmatisch. Bezos offeriert Geld, um sich die Zuneigung der Familie Trump zu kaufen und dem Präsidenten zu schmeicheln. Als Kosten-Nutzen-Rechnung betrachtet, ist das eine sehr kluge Investition.»
Und beide Egoisten umwerben einen noch skrupellosen, aber kurzfristig denkenden Präsidenten.
Bezos gehört wie andere der Superreichen in der USA dazu.
Lieber lassen sie sich kaufen.
Für Zivilcourage brauchts eben Courage (Mut).