Ob es Albert Einstein nun gesagt hat oder nicht, zutreffend ist es auf jeden Fall: Wer das gleiche Experiment wiederholt und auf einen anderen Ausgang hofft, der ist verrückt. Das jüngste Beispiel dieser Binsenwahrheit ist die «Big and Beautiful Bill» (BBB) von Donald Trump. Dieses Monster-Gesetz ist im Begriff, mit Hängen und Würgen durch den amerikanischen Kongress gepeitscht zu werden. Wahrscheinlich wird es auch gelingen, wenn auch möglicherweise nicht mehr vor dem 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, wie dies Trump gefordert hat.
Trumps BBB-Gesetz hat mehrere Vorläufer. In den Achtzigerjahren hat es Ronald Reagan bereits versucht. Er hat die Steuern massiv gesenkt und sich dabei auf die Laffer-Kurve berufen. Arthur Laffer ist ein amerikanischer Ökonom, der diese Kurve erfunden hat. Sie verspricht die beste von allen Welten: Tiefere Steuern und höhere Staatseinnahmen mit der Begründung: Weil Unternehmen und Reiche dem Staat weniger abliefern müssen, investieren sie mehr, fördern so das Wirtschaftswachstum und den allgemeinen Wohlstand und damit indirekt auch mehr Steuereinnahmen.
Ökonomen ergänzten die Laffer-Kurve und sprachen damals von einer «trickle down economy», will heissen, der Geldsegen der Reichen tröpfelt allmählich auch zu den Armen herab. Deshalb gibt es nur Gewinner.
So weit die Theorie. In der Praxis ist die amerikanische Wirtschaft unter Reagan wieder angesprungen, allerdings nicht wegen der Laffer-Kurve, sondern weil sie sich aus einer langen Rezession erholt hatte. Nicht eingetreten ist jedoch der zweite Teil des Versprechens. Die Steuersenkungen haben nicht zu einer Reduktion, sondern zu einem massiven Anstieg der Staatsschulden geführt.
Das es auch anders geht, bewies in den Neunzigerjahren Präsident Bill Clinton. Obwohl er die Steuern anhob, florierte die Wirtschaft und es gelang tatsächlich, die Staatsausgaben wieder ins Lot zu bringen. Das sollte sich jedoch als Zwischenhoch erweisen. Kaum war George W. Bush im Amt, verkündete sein Vize (und starker Mann im Weissen Haus) Dick Cheney: «Reagan hat uns gelehrt, dass Schulden keine Rolle spielen.»
Gott hat die republikanische Partei bekanntlich erschaffen, damit sie die Steuern senkt, und genau das tat George W. Bush sogleich. Erneut wurden Laffer-Kurve und die «trickle down»-Theorie als Rechtfertigung bemüht, und erneut sollten sie sich als Fata Morgana erweisen.
2007 platzte eine gewaltige Immobilienblase in den USA. Das hatte eine schwere Finanzkrise zur Folge, die gar drohte, das internationale Finanzsystem zu Fall zu bringen. Der Staat musste das Bankensystem mit hunderten von Milliarden Dollar retten, das Staatsdefizit wuchs munter weiter.
Erneut musste ein Demokrat, diesmal Barack Obama, die Scherben aufwischen, die sein republikanischer Vorgänger hinterlassen hatte. Es folgten lange Jahre der Erholung, in denen die amerikanische Wirtschaft nur langsam wuchs. Die Euro-Krise war ebenfalls nicht wirklich hilfreich. Doch als Donald Trump 2017 zum ersten Mal ins Weisse Haus einzog, konnte er eine gesunde Volkswirtschaft übernehmen, mit einem Staatshaushalt, der sich in einem vernünftigen Zustand befand.
Das sollte sich rasch ändern. Trump ahmte umgehend Reagan nach, nur viel extremer. Es gelang ihm, ein Steuergeschenk in der Höhe von rund vier Billionen Dollar durch den Kongress zu schleusen, ein Geschenk, von dem primär Superreiche und Unternehmen profitierten. Die Rechtfertigung war die gleiche wie seinerzeit bei Reagan, und das Resultat ebenso: Trump hinterliess das grösste Staatsdefizit, das je ein amerikanischer Präsident in einer einzigen Amtszeit zu verantworten hatte.
Zwischenbemerkung: In Zeiten von Krieg oder anderen schwerwiegenden Krisen lässt sich ein Staatsdefizit nicht vermeiden und ist daher ökonomisch gesehen sinnvoll.
Genau diese Situation traf Joe Biden an, als er im Januar 2021 die Nachfolge von Trump antrat. Um eine schwere Rezession, ja gar eine Depression zu verhindern, musste er die Staatsausgaben massiv erhöhen. Aufgrund der Erfahrungen nach der Finanzkrise 2008 tat er dies auch, und er hatte Erfolg. Die amerikanische Wirtschaft stürzte nicht ab und erholte sich weitaus am besten von allen Volkswirtschaften aus der Pandemie.
Zum zweiten Mal konnte Trump daher im vergangenen Januar eine intakte Volkswirtschaft übernehmen, und erneut scheint er im Begriff zu sein, die Errungenschaften seines Vorgängers zu verschleudern. Mit seiner BBB will er nicht nur die Steuergeschenke seiner ersten Amtszeit für alle Zeiten festzurren, er will auch Zückerchen wie keine Steuern auf Trinkgelder und Altersrente verteilen. Zusätzlich will er die Ausgaben für Grenzbeamte und Militär massiv erhöhen.
Im Gegenzug will er bei den Sozialleistungen für die Armen, bei Medicaid und den Food Stamps, den Nahrungsmittel-Bons für die Ärmsten, sparen. Das Resultat ist ein auf den Kopf gestellter Robin-Hood-Effekt: Den Ärmsten wird genommen, was die Reichsten erhalten. Das Congressional Budget Office (CBO), ein überparteilicher Thinktank, der die Auswirkungen der Fiskalpolitik analysiert, hat berechnet, dass Trumps BBB das Einkommen der Ärmsten um vier Prozent reduziert und dasjenige der Reichsten um zwei Prozent erhöht.
Zweite Zwischenbemerkung: Das CBO ist keineswegs eine linke Denkfabrik. Phillip Swagel, der aktuelle Chef, ist Republikaner und wurde vor zwei Jahren auf ausdrücklichen Wunsch seiner Parteikollegen wiedergewählt.
Die Zahlen, die das CBO berechnet hat, sind verheerend. Trumps BBB wird dazu führen, dass das jährliche Defizit bei rund drei Billionen Dollar liegen wird. Das wiederum heisst, dass die Zinszahlungen jährlich rund eine Billion Dollar betragen werden, mehr als die Militärausgaben.
Trotzdem halten die Republikaner an der längst widerlegten These der Laffer-Kurve fest. «Dieses Gesetz wird das Defizit senken, nicht erhöhen» erklärt beispielsweise John Thune, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat.
Wie pervers das Ganze ist, führt die «New York Times» in einem redaktionellen Kommentar aus:
«Rund die Hälfte der Staatsschulden wird typischerweise an amerikanische Investoren verkauft, und diese Investoren sind überdurchschnittlich wohlhabend. Leiht sich nun die Regierung von diesen Leuten Geld, anstatt ihre Steuern zu erhöhen, dann erhält sie das gleiche Geld von den gleichen Leuten unter schlechteren Bedingungen. Anstatt die Reichen zu besteuern, zahlt die Regierung ihnen Zinsen.»
Besonders obszön ist das Ganze, weil sich die Grand Old Party (GOP) stets als diejenige Partei darstellt, die für gesunde Staatsfinanzen einsteht. Deshalb spielt sich jeweils im Vorfeld der Abstimmung das gleiche absurde Theater ab: Vollmundig verkünden Abgeordnete der GOP, sie würden höhere Staatsdefizite auf keinen Fall akzeptieren, um dann einzuknicken, wenn es Ernst gilt. Das ist auch diesmal der Fall. Mehrere republikanische Defizit-Falken, die sich im Vorfeld kämpferisch gaben, haben mittlerweile den Schwanz eingezogen.
Nicht nur für die Staatsfinanzen und die Ärmsten ist Trumps BBB eine Katastrophe. Auch die Umwelt wird darunter leiden, denn viele Massnahmen zur Förderung der nachhaltigen Energien, die unter Biden beschlossen wurden, sollen wieder rückgängig gemacht werden, und das in einer Zeit, in der nur noch Vollidioten den Klimawandel leugnen können.
Selbst Elon Musk hat sich deshalb vehement gegen Trumps BBB ausgesprochen. «Die letzte Version des Senats zu diesem Gesetz wird Millionen von Jobs in Amerika vernichten und immensen strategischen Schaden für unser Land anrichten», so Musk. «Es ist vollkommen verrückt und destruktiv. Es verteilt Almosen an die Industrien der Vergangenheit und beschädigt die Zukunfts-Industrien.»
Dass ausgerechnet Musk von "verrückt und destruktiv" und "immensem strategischem Schaden" spricht und sich als Verteidiger von zu verlierenden Jobs stilisiert, ist angesichts seines eigenen Vernichtungszuges durch die US-Verwaltung der blanke Hohn. Musk geht es um seine Pfründe, punctum finis.
Schon klar, warum er in Ausland nach Ressourcen (Grönland, RuSSLand, Saudi-Arabien, Katar, Iran!, u.a.) sucht und diese auch mit Gewalt nehmen will / wird!