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US-Rüstungsindustrie profitiert vom Ukraine-Krieg – weniger als gedacht

US-Rüstungsindustrie profitiert vom Ukraine-Krieg – aber weniger als gedacht

Ein Blick in die aktuellen Quartalszahlen der führenden amerikanischen Rüstungsfirmen zeigt: Das Geschäft mit Waffensystemen und Munition läuft gut, auch dank des Krieges in der Ukraine. Die Profite aber übertreffen die Erwartungen noch nicht.
26.01.2023, 11:5826.01.2023, 12:29
Renzo Ruf, Washington / ch media
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A U.S. F-35 fighter jet flies over the Eifel Mountains near Spangdahlem, Germany, Wednesday, Feb. 23, 2022. The U.S. Armed Forces moved stealth fighter jets to Spangdahlem Air Base a few days ago. The ...
Der F-35 von Lockheed Martin.Bild: keystone

Als der Finanzanalyst Peter Arment diese Woche die Quartalszahlen eines führenden amerikanischen Rüstungskonzerns studierte, da machte sich bei ihm leise Enttäuschung breit. «Es scheint, als sollte es eigentlich besser sein, ganz offensichtlich», sagte Arment später über das Ergebnis an einem Analystengespräch – eine Anspielung des Rüstungsspezialisten, der für das Finanzhaus Baird arbeitet, auf den Krieg in der Ukraine, der unter westlichen Nationen zu einer grösseren Nachfrage nach amerikanischen Waffensystemen geführt hat.

Arment steht nicht allein. Obwohl gerade auch im deutschsprachigen Raum immer wieder der Vorwurf zu hören ist, dass dem industriell-militärischen Komplex in den USA der Krieg in der Ukraine gelegen komme, spiegelt sich dies in den Bilanzen der vier grossen amerikanischen Rüstungsunternehmen vorerst nicht wider. Zwar sind die Waffen von Lockheed Martin, Raytheon Technologies, Boeing und General Dynamics weltweit gefragt – von einem Geldsegen für die Aktionärinnen und Aktionäre der börsenkotierten Konzerne kann aber vorerst nicht die Rede sein.

Gewinn sinkt bei Raytheon, stagniert bei General Dynamics

Zwei Beispiele bloss. Die Raytheon-Sparte «Missiles & Defense», die auch das aktuell stark nachgefragte Patriot-Waffensystem produziert, meldete im Jahr 2022 einen Umsatzrückgang um 0.7 Milliarden Dollar auf 14.9 Milliarden Dollar. Der Nettoprofit sank im Vergleich zum Vorjahr um 0.4 Milliarden Dollar auf 1.6 Milliarden Dollar – was zu einem Rückgang der Gewinnmarge auf 10.6 Prozent führte. (Raytheon produziert auch zivile Güter. Die Verteidigungssparte steuert rund einen Viertel des gesamten Konzernumsatzes bei.)

Die Erträge der Sparte «Combat Services» des Rüstungsmultis General Dynamics wiederum, dem Hersteller des Abrams-Kampfpanzers, stagnierten 2022 bei 7.3 Milliarden Dollar. Der Spartengewinn belief sich unverändert auf etwas mehr als 1 Milliarde Dollar, was einer Marge von fast 15 Prozent entspricht. (Die «Combat Services»-Sparte ist für rund einen Fünftel des Konzernerlöses verantwortlich. General Dynamics stellt auch zivile Produkte wie den Gulfstream-Jet her.)

Das sind zwar solide Zahlen, auch angesichts Lieferkette-Probleme und der Chips-Krise, mit denen sich Produktionsbetriebe in den vergangenen Monaten herumschlagen mussten. Aber die Präsentation der Quartalszahlen der vier grossen Rüstungsbetriebe löste in der ersten Wochenhälfte an den US-Börsen kein Kursfeuerwerk aus. Seit Jahresbeginn legte der S&P Aerospace & Defense Select Industry Index um 4.8 Prozent zu. Der Nasdaq Composite wuchs um 8.9 Prozent, während der Leitindex Dow Jones an der New Yorker Börse ein Plus von 1.8 Prozent verzeichnete.

Rüstungsindustrie verweist auf volle Auftragsbücher

Den Rüstungsvertretern ist diese zurückhaltende Reaktion natürlich nicht entgangen. Sie vertrösten die Investoren deshalb auf die nächsten Monate, auch mit Verweis auf den massiven Arbeitsrückstand und gut gefüllte Auftragsbücher. So sagte Greg Hayes, Konzernchef von Raytheon Technologies: «Ich glaube, wenn wir auf 2023 und dann 2024 schauen», dann besitze die Sparte «Missiles & Defense» intern das «grösste Wachstumspotenzial» – auch weil das Pentagon die eigenen Zeughäuser wieder füllen will, nachdem die USA in den vergangenen elf Monaten die Ukraine mit Waffen und Munition aus eigenen Beständen beliefert hat.

Ähnlich klingt es bei der Konkurrenz, wobei sich die Produkte der führenden US-Rüstungsbetriebe häufig ergänzen und nicht direkt konkurrenzieren. So gab US-Präsident Joe Biden am Mittwoch bekannt, dass seine Regierung bei General Dynamics 31 Kampfpanzer des Typus M1 Abrams für die Ukraine bestellen werde. Allein dieser Auftrag könnte mehr als 300 Millionen Dollar in die Kassen des Rüstungsbetriebs spülen. «Wir haben ausreichend Kapazität», sagte die General-Dynamics-Chefin Phebe Novakovic am Mittwoch. (Dennoch wird es wohl viele Monate dauern, bis die Abrams in der Ukraine eintreffen werden, heisst es im Weissen Haus.)

Pentagon hat 145 Milliarden Dollar für Rüstungsgüter reserviert

Die Kassen, aus denen die US-Regierung die Rechnung für die neuen Panzer bezahlen will, sind gut gefüllt, mit einer zweistelligen Milliarden-Summe, die ausdrücklich für die Ukraine reserviert sind. Hinzu kommen gegen 145 Milliarden Dollar, die im regulären Budget des Pentagons für die Beschaffung von neuen Waffensystemen reserviert sind. Zum Vergleich: Die Schweizer Armee will im laufenden Jahr Waffensysteme und neue Munition im Wert von umgerechnet 0.8 Milliarden Dollar beschaffen.

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