Der Schweizer Rüstungsindustrie soll nun doch nicht erlaubt werden, Kriegsmaterial in Länder mit internen Konflikten zu verkaufen. Der Bundesrat plante, das Verbot aufzuweichen. Gestern hat das Gremium entschieden, darauf zu verzichten. Die politische Unterstützung sei nicht mehr gegeben, teilte die Landesregierung mit; ein Insistieren hätte gar «kontraproduktive Auswirkungen für die bestehende Bewilligungspraxis» haben können.
Mit seinem Rückzieher versucht der Bundesrat, den Kritikern von Waffenexporten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese haben im Parlament bereits Erfolge erzielt, etwa als der Nationalrat einem Vorstoss der BDP zustimmte.
Dieser verlangt, dass die Exportbestimmungen nicht mehr vom Bundesrat, sondern vom Parlament beschlossen werden. Damit wäre neu ein Referendum gegen Aufweichungen möglich. Und die Pläne gehen noch weiter: Sollte das Parlament darauf nicht eingehen, droht die «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» mit einer Volksinitiative.
BDP-Präsident und Nationalrat Martin Landolt, Mitglied der Allianz, ist noch nicht zufrieden. «Der Bundesrat hat gar nichts gelöst, sondern nur auf eine einzelne Anpassung verzichtet. Das zeigt, dass es eine breitere politische Abstützung der Kriegsmaterialexporte braucht.» Der Ständerat müsse der BDP-Motion zustimmen. «Sonst könnte unsere Volksinitiative sehr schnell sehr konkret werden», so Landolt.
Bis gestern sah es im Ständerat auch nach einer Mehrheit für die Motion aus. Das könnte sich nun aber ändern, sagt Josef Dittli, Urner FDP-Ständerat und Präsident der sicherheitspolitischen Kommission: «Der Bundesrat nimmt Druck weg von dem Thema. Persönlich halte ich die Chancen jetzt wieder für intakt, dass die BDP-Motion abgelehnt wird.»
Dittli kann den Entscheid des Bundesrats nachvollziehen. «Ich bedaure, dass eine sachliche Diskussion über die Anpassung gar nicht mehr möglich war, weil eine dermassen aufgeheizte Stimmung entstand», sagt er. «Jetzt müssen wir auf anderen Wegen probieren, die Technologiebasis der Schweizer Rüstungsindustrie zu erhalten. Ich denke da insbesondere an die Gegengeschäfte bei der Rüstungsbeschaffung.» Dabei werden ausländische Lieferanten etwa von Kampfjets verpflichtet, Bestellungen im selben Umfang in der Schweiz aufzugeben.
Auf Gegengeschäfte verwies gestern auch das Rüstungsunternehmen des Bundes, die Ruag. Sie hofft auf Aufträge, falls der Bund dereinst Kampfjets und Abwehrraketen für rund 8 Milliarden Franken kauft – obwohl sich der Bundesrat gestern über den weiteren Fahrplan dafür nicht einig geworden ist.
Besonderen Wert legt Ruag auf die Möglichkeit, weiterhin ausländischer Rüstungsbetriebe mit Teilen beliefern zu können. Das ist heute selbst dann möglich, wenn das Endprodukt in ein Land geht, in das Schweizer nicht direkt exportieren dürfen. Voraussetzung ist, dass die Schweizer Teile nicht mehr als 30 bis 50 Prozent ausmachen.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat diese Praxis jüngst kritisiert, und der jurassische SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez fordert in einer Motion, sie zu unterbinden. Ruag spricht sich vehement dagegen aus: «Fällt die Regel, werden wir als Partner nicht mehr ernst genommen», sagt CEO Urs Breitmeier. Die Baugruppenregel sei ein Schlüssel für Kooperationen. Diese wiederum seien essenziell für die Branche.
Weil die Exportregeln streng seien und die Armee nicht mehr auf Eigenentwicklungen setze, drohe der Schweiz ein Kompetenzverlust. Ruag präsentierte eine Liste, vom Bau von Gewehrgranaten bis zur Sprengstoffverarbeitung, die der Konzern aufgegeben hat. «Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben», sagt Breitmeier. «Wer sagt, eine Armee sei so stark wie ihre Industriebasis, muss zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten Jahren Schwächen eingefangen haben.» (aargauerzeitung.ch)