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Warum dein Cappuccino immer teurer wird

Capuccino teurer Schweiz Teaser
Bild: Shutterstock/watson

Warum dein Cappuccino immer teurer wird

Der Preis für Kaffee ist explodiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Besuch bei den Kaffee-Bauern in Mittelamerika.
23.02.2025, 14:4323.02.2025, 16:15
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In El Salvador und Honduras wächst der Kaffee im Wald, im Tropenwald, genauer. Wer die Kooperative Los Pinos in der Nähe von San Salvador besuchen will, muss sich daher zunächst durch einen mörderischen Stau in der Hauptstadt quälen, sich dann auf löchrigen Bergstrassen durchschütteln lassen, um dann auf das Ladedeck eines Pickups umzusteigen, eine halsbrecherische Fahrt auf einer schmalen Waldstrasse überstehen, um schliesslich auf einem schmalen Pfad zu den Kaffeepflanzen zu gelangen.

Nur so kann man sich ein Bild machen, wie die Produzenten der Kooperative ihre Arbeit verrichten, eine Genossenschaft, die 1980 in den Wirren eines Bürgerkrieges gegründet wurde, heute 72 Mitglieder zählt, von denen 41 aktiv sind, die den Boden – insgesamt 280 Hektaren – gemeinsam besitzen. Letztes Jahr produzierte die Genossenschaft insgesamt 56 Tonnen Kaffee und entlöhnte ihre Kleinbauern dafür alle zwei Wochen mit knapp 120 Dollar.

Atemberaubende Aussicht bei der Kooperative Los Pinos in San Salvador.
Atemberaubende Aussicht bei der Kooperative Los Pinos in San Salvador.bild: Adriana Eugenia Valle
Die Produzenten haben wenig davon. Finanzchef Antonio Oscar Molino.
Die Produzenten haben wenig davon. Finanzchef Antonio Oscar Molino. bild: Adriana Eugenia velle.

Für den Besucher lohnt sich die beschwerliche Reise nach Los Pinos. Die Genossenschaft liegt an einem Berg oberhalb eines Vulkansees. Der Ausblick ist atemberaubend. Für die Kaffeebauern gilt dies auch für die Lage, nicht jedoch für die aktuelle finanzielle Lage. «Der Klimawandel hat die wegen der Kaffeepreis-Explosion besseren Preise weggefressen», klagt Antonio Oscar Molino, der Buchhalter der Genossenschaft. «Die Ernte ist rund 40 Prozent unter unseren Erwartungen ausgefallen.» Nur einen Teil davon kann die Genossenschaft mit Agro-Tourismus ausgleichen.

Warum aber wächst der Kaffee im Wald und nicht wie anderswo in Plantagen? Weil der Boden in El Salvador und Honduras sehr dicht ist und das Regenwasser nicht versickern, sondern sofort abfliessen würde. Die Kaffee-Kirschen lassen sich nicht einfach pflücken wie beispielsweise Pilze. Die Pflanzen müssen gedüngt, geschnitten und alle 50 bis 60 Jahre erneuert werden. Auch der umliegende Wald will gepflegt sein. Nur dann kann man zwischen Oktober und März die Kaffee-Kirschen ernten, eine mühsame Arbeit, die von Hand, an steilen Hängen und im subtropischen Klima verrichtet werden muss.

Die Kleinbauern bewirtschaften ein Gelände, das zwischen drei und zwölf Hektaren gross ist. Seit einiger Zeit bringt der Klimawandel ihren traditionellen Arbeits-Rhythmus aus dem Takt. Mal regnet es gar nicht, mal viel zu viel. Das hat zur Folge, dass die Kaffee-Kirschen zu schnell oder zu spät reifen und dann für die Ernte zu wenig Arbeiter zur Verfügung stehen. Trotz Donald Trump wollen vor allem junge Männer nach wie vor in die USA auswandern. «Dort verdienen sie in einer Stunde so viel wie bei uns in einem Tag», stellt Molino resigniert fest.

Einen Dollar erhält der Arbeiter pro Körbchen gepflückter Kaffee-Kirschen.
Einen Dollar erhält der Arbeiter pro Körbchen gepflückter Kaffee-Kirschen. bild: Miguel tabora

Der Wald macht die Arbeit für die Produzenten nicht nur hart, er bürdet ihnen derzeit auch noch zusätzliche Kosten auf. Weshalb? Der Kaffee von Los Pinos wird hauptsächlich nach Europa exportiert. Deshalb müssen die Produzenten eine Reihe von neuen Gesetzen erfüllen, welche die EU erlassen hat. Die Absicht hinter diesen Gesetzen ist lobenswert. Wie bei der von der Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer angenommenen, aber vom Ständemehr verworfenen Konzernverantwortungs-Initiative geht es darum, Menschenrechte und die Umwelt zu schützen. Wird in der Schweiz die Anfang Januar lancierte Neuauflage dieser Initiative angenommen, dann werden auch Schweizer Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und 450 Millionen Franken Umsatz davon betroffen sein.

Eines dieser Gesetze betrifft die Abholzung. Die EU verbietet unter anderem den Import von Rindfleisch, Kakao, Palmöl, aber auch Kaffee, der auf abgeholztem Wald angebaut wurde. Das Gesetz hätte schon zu Beginn dieses Jahres in Kraft treten sollen, wurde jedoch ein Jahr hinausgeschoben, weil viele Kleinbauern schlicht nicht in der Lage sind, die damit verbundenen Auflagen zu erfüllen. Um die Einhaltung dieses Gesetzes zu überwachen, müssen die Produzenten ihre Anbaufläche exakt kartografieren und jährlich updaten lassen.

Diese sogenannte Geo-Lokalisation ist kompliziert und teuer. Würde die Genossenschaft eine externe Firma damit beauftragen, müsste sie mit Kosten von rund 40’000 Dollar rechnen und wäre damit heillos überfordert. Zum Glück steht ihnen jedoch Felix Menjivar, ein junger Computer-Crack, zur Verfügung. Dieser ist von der CLAC, dem Fairtrade-Produzentennetzwerk von Lateinamerika, abgeordnet worden, um den Kooperativen bei der Umsetzung des Abholzungsgesetzes beiseitezustehen. Menjivar kann die Arbeit weitgehend ohne fremde Hilfe erledigen und hilft der Genossenschaft so aus der Patsche.

CLAC-Chefin Xiomara J. Paredes.
CLAC-Chefin Xiomara J. Paredes. bild: miguel tabora.

Das Abholzungsgesetz sorgt bei den Produzenten in Mittelamerika für grossen Aufruhr. Vor allem die nicht genossenschaftlich organisierten Kleinbauern sind nicht in der Lage, die damit verbundenen Auflagen zu erfüllen. Deshalb setzt sich auch CLAC für sie ein. Das bereits erwähnte Netzwerk vertritt die Interessen von rund 300’000 Menschen in 23 Ländern Lateinamerikas und der Karibik.

CLAC-Chefin Xiomara J. Paredes nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie auf das Abholzungsgesetz zu sprechen kommt. «Die Produzenten kennen die Probleme der Klimaerwärmung bestens», sagt sie. «Sie können und wollen sich anpassen. Deshalb ist das Gesetz überflüssig, es sei denn, es schreibt auch vor, dass sich alle Akteure in der Lieferkette sich an den Kosten für die Einhaltung der Vorschriften beteiligen.»

An dieser Stelle müssen wir ein paar Worte über Fairtrade verlieren. Wir sprechen hier von einem führenden Nachhaltigkeits-Label. Die Organisation setzt sich für fairen Handel und bessere Lebensbedingungen von Bäuerinnen und Arbeitern im Globalen Süden ein. In der Schweiz kennt man vor allem das Label von Fairtrade Max Havelaar.

Was das Fairtrade-Label leistet.

Wer sein Produkt mit dem Fairtrade-Label schmücken und damit das Gewissen der Konsumenten in den reichen Ländern entlasten oder tatsächlich eine Verbesserung der Kaffee-Produzenten erreichen will, muss diesen einen Mindest-Abnahme-Preis garantieren. Im Fall von Kaffee muss er zudem 20 Cent pro Pfund drauflegen. Mit diesem Geld können die Kooperativen Projekte realisieren, über die sie zuvor intern abgestimmt haben. Nicht anbieten kann Fairtrade hingegen eine Absatz-Garantie. Deshalb wird auch längst nicht aller unter Fairtrade-Bedingungen produzierte Kaffee auch zu den vorgeschriebenen Mindestpreisen abgesetzt.

Zurück zu den Kaffeebauern, konkret der Kooperative Cafescor in Honduras. Dem Besucher wird dort der Kaffee in Sektgläsern kredenzt. Damit wird nicht nur der Stolz auf ein Premium-Produkt zum Ausdruck gebracht. Für Honduras ist der Kaffee überlebenswichtig. Das Land ist der weltweit fünftgrösste Produzent, und Kaffee ist nach Geld, das Emigranten nach Hause schicken, die wichtigste Einnahmequelle. 2023 wurden 384'361 Tonnen Kaffee exportiert.

Kaffee in Champagner-Gläsern bei der Kooperative Cafescor.
Kaffee in Champagner-Gläsern bei der Kooperative Cafescor.bild: Miguel tabora.

Bei Cafescor unternimmt man deshalb grosse Anstrengungen, um die Qualität des Kaffees – wir sprechen hier übrigens von verschiedenen Varianten der Sorte Arabica – sicherzustellen. Wie beim Wein überprüfen speziell ausgebildete Testerinnen die Ernten und verwenden dabei ebenfalls eine Skala von 0 bis 100. Zubereitet wird dieser Kaffee nicht etwa in italienischen Espresso-Maschinen, sondern mit einem Filter. Getrunken wird er schwarz. Wer in Honduras Milch oder Zucker in den Kaffee schüttet oder gar Instant-Kaffee trinkt, macht sich etwa so beliebt wie jemand, der in Neapel eine Ananas-Pizza bestellt.

Die Kooperative Cafescor zählt 436 Mitglieder und zählt damit zu den grössten. Sie ist auch ein Vorzeige-Beispiel für die Zusammenarbeit mit Fairtrade. So konnte dank dieser Zusammenarbeit das erwähnte Geo-Lokalisationsproblem schon vor Jahren gelöst werden. Gegen den Klimawandel ist jedoch kein Kraut gewachsen. Auch in Honduras sind die erwarteten Ernte-Erträge deswegen nicht eingetreten. Bei Cafescor hat man mit zehn Prozent mehr gerechnet.

Trotzdem ist die Stimmung viel besser als bei den Kollegen in El Salvador. Weil der Boden nicht der Genossenschaft, sondern den einzelnen Produzenten gehört, konnten diese von höheren Kaffeepreisen direkt profitieren. Merlin Alexis Pinto (50) beispielsweise bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Matilda Perdomo Romero ein Gebiet von zehn Hektaren. Es gehört je zur Hälfte den beiden Ehepartnern. Pinto ist Kaffeebauer in der vierten Generation und zählt darauf, dass einer seiner drei Söhne die Tradition weiterführen wird. Die Chancen dafür stehen gut. Zwei dieser Söhne haben bereits einen Hochschulabschluss. «Dank des Kaffees konnten sie studieren», sagt Pinto stolz.

Dank Bio: Kaffeebäuerin Claudy Pinto kommt mit drei Hektaren über die Runden.
Dank Bio: Kaffeebäuerin Claudy Pinto kommt mit drei Hektaren über die Runden.bild: miguel tabora

Ähnliche Zustände wie bei Cafescor herrschen bei der Cocrebistol in Santa Teresa. Auch in dieser Genossenschaft besitzen die 97 Produzenten ihr Land. Für die Bäuerin Claudy Pinto reichen drei Hektare, um über die Runden zu kommen. Sie muss es weitgehend alleine tun, ihr Mann ist vor drei Jahren in die USA ausgewandert. Pinto hilft, dass sie konsequent auf Bio setzt. Sie kann ihre Ernte so zu Premium-Preisen absetzen, hat dabei aber gerade deswegen ein unerwartetes Problem. Es geht um Folgendes:

Wer seinen Kaffee mit dem Bio-Label schmücken will, muss zusätzlich zur Fairtrade-Prämie nochmals 40 Cents pro Pfund drauflegen. Mit Bio wurde jedoch sehr viel Schindluder betrieben. Um Betrug zu unterbinden, hat die EU deshalb eine Zertifizierung erlassen, die den Umsatz eines Kleinbauern auf 25’000 Dollar beschränkt, denn bei grösseren Betrieben ist die Überwachung nicht gewährleistet. Jetzt haben die explodierenden Kaffeepreise jedoch dazu geführt, dass selbst sehr kleine Produzenten diese Höchstgrenze überschreiten.

Was für einen einzelnen Produzenten ein Ärgernis sein mag, ist für die Genossenschaft eher ein Segen. Cafescor-Generalmanager Herminio Perdona erklärt, weshalb: «Das ist ein Anreiz für die Alten, einen Teil ihres Bodens an ihre Kinder zu überschreiben.» Deshalb macht er sich berechtigte Hoffnungen auf mehr und jüngere Mitglieder.

Die beiden Kooperativen in Honduras machen einen gesunden Eindruck. Das Verwaltungsgebäude von Cafescor ist hell und modern. Eine grosse Lagerhalle sorgt dafür, dass die nach der Ernte sofort verarbeiteten Kaffee-Kirschen als sogenannter «grüner» Kaffee aufbewahrt werden können, notfalls mehr als ein Jahr. Nur auf das Rösten wird verzichtet, nicht weil das Know-how fehlt, sondern «weil gerösteter Kaffee schon nach einem Monat verdirbt», klärt Perdona auf. «Er würde nicht einmal den Transport nach Europa überleben.» Der «grüne» Kaffee wird ohne Zwischenhandel direkt an die Kunden verkauft.

Konnte ihre Söhne dank Kaffee studieren lassen: das Ehepaar Merlin Alexis Pinto und Matilda Perdomo Romero.
Konnte ihre Söhne dank Kaffee studieren lassen: das Ehepaar Merlin Alexis Pinto und Matilda Perdomo Romero.bild: miguel tabora

Cafescor stellt seinen Mitgliedern noch weitere Leistungen zur Verfügung. In einer eigenen Baumschule werden jährlich 1500 Pflanzen gezüchtet und an die Mitglieder verteilt. Sehr stolz ist man auch auf ein Sozialprogramm, das soeben mit einem Pilotversuch erfolgreich abgeschlossen wurde. Darin sind Genossenschafter in Sachen Menschenrechte, Geschlechts-Gerechtigkeit und Kinderarbeit geschult worden.

In Cocrebistol ist man derweil nicht nur stolz darauf, der grösste Arbeitgeber der Stadt zu sein, sondern auch auf die eigene Schule für die Kinder. Direktorin Marisol Velàsquez kann vermelden, dass die letzte Ernte bereits verkauft sei, «zu Biopreisen», wie sie anfügt. Dieser Erfolg hängt auch damit zusammen, dass man keine Berührungsängste kennt. Ein wichtiger Abnehmer ist Tchibo. Gemäss Aussagen der Direktorin Velàsquez hat diesmal auch McDonald’s einen Teil der Ernte abgekauft.

Ist somit alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Deshalb müssen wir einen kleinen Exkurs in den Kaffeepreis machen.

Die Kaffee-Produzenten sind schutzlos den Finanzstürmen ausgesetzt

Würde ein mittelamerikanischer Kaffeebauer von den staatlichen Subventionen seines Schweizer Kollegen erfahren, würde er in Tränen ausbrechen. In El Salvador zahlt der Staat keinen Cent, in Honduras steuert er ein paar mickrige Dollar zur Forschung bei. Trotz der grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Kaffees können die Produzenten von einer Variante einer Export-Garantie, wie sie in den reichen Ländern üblich ist, nur träumen.

Die Kleinbauern sind somit schutzlos den Stürmen der Rohstoffmärkte ausgeliefert. Und diese Stürme können sehr heftig sein, in beide Richtungen. Beim Kaffeepreis geht die Richtung derzeit nach oben, und zwar steil. Im vergangenen Jahr ist er um 70 Prozent gestiegen und liegt auf dem höchsten Stand seit Menschengedenken. Es wird damit gerechnet, dass sich der Preis auf diesem hohen Niveau einpendeln wird.

Was eigentlich Euphorie bei den Produzenten auslösen sollte, wird tendenziell eher misstrauisch beobachtet. Die Kaffeebauern sind gebrannte Kinder. «Der aktuelle Preis entspricht nicht der Realität», sagt Cafescor-Generalmanager Perdona. «Da der Kaffee an der Rohstoffbörse gehandelt wird, haben wir es mit einer Spekulationsblase zu tun.» Blasen haben die hässliche Eigenschaft, mit verheerenden Auswirkungen zu platzen. Vorläufig jedoch kann Perdona noch Entwarnung geben und vermelden, auch er habe soeben seine gesamte Ernte zu Fairtrade-Preisen verkauft.

Der getrocknete «grüne» Kaffee wird in Säcke abgefüllt.
Der getrocknete «grüne» Kaffee wird in Säcke abgefüllt. bild: miguel tabora

Es gibt jedoch auch Gründe, weshalb der Kaffeepreis zwar auch langfristig schwanken wird, aber auf hohem Niveau. Kaffee ist das beliebteste Genussmittel der Moderne. Auf die kleinen Freuden des Alltags, die ein Cappuccino, ein Espresso oder ein Flat White bereitet, will niemand verzichten. Deshalb mag man leise oder auch laut fluchen, wenn der Preis einmal mehr angestiegen ist, konsumiert wird trotzdem.

Es ist mehr als moderner Hedonismus, der zu diesem Zustand führt. Kaffee, respektive Koffein, macht süchtig. Dass wir dabei eine Droge konsumieren, wollen wir jedoch nicht wahrhaben. Amerikas prominentester Ernährungsjournalist Michael Pollan kann daher in seinem Buch «Kaffee Mohn Kaktus» auch feststellen: «Für die meisten von uns ist ein unter dem Einfluss von Koffein stehendes Bewusstsein einfach der Normalzustand.»

Das ist auch nicht weiter schlimm. Koffein kann man mit guten Gründen als segensreiche Droge betrachten. Die Aussage, dass die moderne Gesellschaft ohne diesen Stoff nicht entstanden wäre und heute nicht funktionieren würde, ist nicht übertrieben. Nochmals Pollan: «Man kann durchaus sagen, dass die Ankunft des Koffeins in Europa … alles veränderte.»

Pollen meint Folgendes: In der Kaffee-losen Zeit wurde ebenfalls getrunken, aber mehrheitlich alkoholische Getränke, und zwar in rauen Mengen. Für die Feldarbeit der Bauern war das kein wirkliches Hindernis, wohl aber für die getaktete Arbeit in der Fabrik. «Als rationalistische Droge par excellence half der Kaffee, den Alkoholnebel Europas aufzulösen, eine erhöhte Aufmerksamkeit und Detailgenauigkeit zu fördern und, wie die Arbeitgeber schon bald entdeckten, die Produktivität deutlich zu fördern», so Pollan.

Kaffeebauer mit Leidenschaft: Arnaldo Lopez.
Kaffeebauer mit Leidenschaft: Arnaldo Lopez. bild: miguel tabora

Ohne Kaffee wäre somit weder die industrielle Revolution noch der Kapitalismus möglich gewesen. Je nach Weltanschauung kann man dies auch negativ beurteilen. «So betrachtet ist Koffein ein Fluch, da es uns in ein System zwängt, das uns zu fügsameren, produktiveren Arbeitern macht, und uns befähigt, mit der von Menschenhand geschaffenen Maschinerie des modernen Lebens besser Schritt zu halten», so Pollan.

Der Nachschub der Droge Kaffee ist jedoch gefährdet. Es gibt Studien, die besagen, dass bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Produktion um die Hälfte schrumpfen wird, weil die sensiblen Kaffeepflanzen nicht mit den neuen klimatischen Bedingungen zurechtkommen. Wie moderne Menschen ohne Kaffee zurechtkommen, darüber können wir nur spekulieren.

Über die EU zu lästern, ist hingegen billig und falsch. Abholzungsgesetz, Bio-Zertifizierung und Lieferkettengesetz sind keine bürokratischen Monster. Ihre Mängel lassen sich beheben und ihre Ziele – Kampf gegen Klimaerwärmung und Durchsetzung der Menschenrechte – sind berechtigt. Deshalb ist wichtig, dass die Lasten dieser Gesetze nicht den Schwächsten, den Kaffeebauern, aufgebürdet, sondern über die gesamte Wertschöpfungskette verteilt werden.

Daher die schlechte Botschaft zum Schluss: Dein Cappuccino wird – wenn überhaupt – nur kurzfristig wieder günstiger werden. Die gute Botschaft hingegen lautet: Trage es mit Fassung. Die Produzenten haben es verdient. Oder wie es der Kleinbauer Arnaldo Lopez formuliert: «Ohne Leidenschaft wirst du nicht Kaffeebauer – auch bei hohen Preisen nicht.»

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45 Kommentare
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Bärner728
23.02.2025 15:15registriert Juni 2020
Ich bin gerne bereit für den Kaffee ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn dies den Kaffeebauern zugute kommt. Absolut nicht mehr bereit bin ich jedoch, die horrenden Preise für Kaffee (oder generell Getränke) in vielen Restaurants zu bezahlen.
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Overton Window
23.02.2025 19:34registriert August 2022
Warum dein Cappuccino immer teurer wird?

Weil die Aktionäre und Mänätscher immer mehr verdienen wollen.

Denn die 2 bis 4 Rappen pro Tasse, die das Kaffeepulver kosten, machen nicht den Preis.
259
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Speedy Gonzalez
23.02.2025 15:30registriert Oktober 2023
ja, auch in Ländern wie Brasilien oder Äthiopien wird Kaffee angebaut. Viel besser ist die Situation dort nicht.

Ich hoffe es besssert sich vor allem für die Leute dort.

ob ich jetzt 4 oder 5.50 Franken für eine Tasse bezahle ist doch sowas von egal, wenn ich weiss, dass die Leute die dies anbauen fair bezahlt werden.
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