Geschichten um Betrugsmaschen interessieren – das zeigen die vielen True-Crime-Dokumentationen, welche derzeit die Netflix-Charts stürmen. Doch Anna Sorokin aka Anna Delvey sowie der «Tinder Schwindler» sind nicht die einzigen, die es mit ihren unglaublichen Geschichten schafften, unzählige Menschen zu täuschen:
Hérman G. Carrillo heisst eigentlich Hermann Glenn Caroll und wurde 1960 in Detroit geboren. Der Schriftsteller täuschte seine Lehrer, Studenten und romantischen Partner während Jahrzehnten mit seiner erfundenen kubanischen Herkunft.
2004 veröffentlichte er den Roman «Loosing my Espanish», der von einem kubanischen Einwanderer handelt und für den er von der Washington Post eine lange, hervorragende Rezension erhielt.
Als Assistenzprofessor für Englisch an der George Washington Universität genoss er den Ruf als fordernden Mentor. Er spornte seine Schüler an, ihre Träume zu verwirklichen. Seine Schüler schildern, wie er auch im Unterricht immer wieder spektakuläre Geschichten erzählte, darunter auch die seiner Immigration.
Er schrieb in Essays darüber, wie er durch TV-Sendungen die englische Sprache lernte und gewann für seine Texte sogar einige Preise. Freunde aus seiner Kindheit erzählten ausserdem, dass er bereits in frühen Jahren begann, seine Geschichten auszuschmücken und zu erfinden. Und er hörte bis zu seinem Tod nicht damit auf.
Seine erfundene Identität flog erst auf, als er eine Woche vor seinem 60. Geburtstag 2020 an den Folgen seiner Corona-Erkrankung verstarb und die «Washington Post» einen Nachruf veröffentlichte.
Daraufhin meldete sich seine Familie bei der Zeitung und informierte auch den Ehemann, der bis dahin im Glauben lebte, sein verstorbener Mann sei Kubaner. Es folgte eine Welle von Reaktionen aus dem engen Kreis des Autors – diese reichten von schockiert bis verletzt.
Als mehrere kubanisch-amerikanische Autoren Carolls Schriftstücke lasen, entdeckten sie in seinem Spanisch inhaltliche sowie grammatikalische Fehler und Wörter, die sonst nur in mexikanischem Slang verwendet werden.
Die Australierin wurde 1991 in Launceston, Tasmanien geboren und begann nach dem frühzeitigen Abbruch ihrer schulischen Ausbildung die Lehre in einer Catering-Firma. Bekannt wurde sie durch die Lancierung ihrer Gesundheits-App «The whole Pantry». Ausserdem startete sie einen Blog, auf welchem sie ihren Kampf gegen den Krebs beschrieb.
In Interviews gab Gibson an, diverse Arten Krebs, darunter Blut-, Hirn- sowie Gebärmutterhalskrebs, besiegt zu haben. Sie glaubte, dies sei auf eine Gebärmutterhalskrebs-Impfung zurückzuführen. Weiter beharrte sie beispielsweise darauf, einen Schlaganfall erlitten zu haben und bei einer Herzoperation kurzzeitig tot gewesen zu sein.
Auf ihrem Instagram-Account und anderen sozialen Medien propagierte die junge Unternehmerin umstrittene Praktiken zur Heilung von Krebs. Darunter zum Beispiel die in den USA verbotene Gerson-Therapie, die mittels vegetarischer Ernährung und der Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel Krebspatienten heilen soll. Sie gab an, ihren eigenen Krebs mit gesunder Ernährung, Naturheilkunde und alternativen Therapien besiegt zu haben.
Annabelle Gibson behauptete zudem, sie würde grosse Teile ihrer erzielten Gewinne an Wohltätigkeitsorganisationen spenden. Ein Ermittlungsteam aus verschiedenen Journalisten fand heraus, dass sie nicht nur in Bezug log, sondern auch, dass ihre Krankheitsgeschichte, ihr Privatleben, ihre Geschichte und ihr Alter nicht stimmen.
Für Furore sorgte aber vor allem ihr extravaganter Lebensstil: Teure Autos, Designermode und Ferien in der Ferne. All dies leistete sie sich mit dem Geld, das eigentlich verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen zugestanden wäre. 2015 fand Fairfax Media heraus, dass von den behaupteten 300'000 US-Dollar nur schätzungsweise 7000 US-Dollar wirklich gespendet wurden. Davon sollen mindestens 1000 US-Dollar erst überwiesen worden sein, als Gibson von der Recherche erfuhr.
Als ihr Betrug medial bekannt wurde, löschte sie ihren Instagram-Account. Das australische Bundesgericht konnte fast alle Behauptungen als falsch widerlegen und verurteilte sie 2017 zu einer Geldstrafe. Weil sie diese nicht bezahlen konnte, wurden bei einer Hausdurchsuchung Gegenstände sichergestellt.
Zu Beginn des letzten Jahres gab es Berichte, die sagten, Annabelle Gibson habe sich der äthiopischen Community in Melbourne angeschlossen und sei von ihr adoptiert worden. Diese haben sich aber von ihr distanziert, als sie von ihrer Geschichte erfuhren.
Der Engländer Ellis Ward teilte auf Twitter fleissig falsche Geschichten aus dem Arbeitsalltag des Polizisten «Inspector Winter». Als 2011 eine Demonstration im Londoner Stadtteil Tottenham ausartet, berichtet Ward in seinen Tweets vom Geschehen. Seine Statements waren so gut, dass ihn diverse nationale Medien zitierten oder interviewten. Der «Daily Telegraph» soll ihm sogar 600 Pfund Honorar für eine Kolumne mit dem Namen «On the Frontline» bezahlt haben.
Doch damit nicht genug: Ellis Ward war nicht nur falscher Polizist, sondern hatte gleich mehrere Pseudonyme. Bei den Ermittlungen gegen ihn fand man heraus, dass er behauptete, Teil der Royal Military Police zu sein und Ethan Winchombe zu heissen.
Neben seinem Talent für die Medien hatte Ellis Ward offenbar auch ein gutes Händchen für Frauen. Er hatte eine Partnerin, die er online kennengelernt hatte, um umgerechnet etwa 37'000 Franken betrogen. Er soll ihr erzählt haben, er arbeite in der Terrorbekämpfung und leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, ausgelöst durch den Anblick seiner toten Schwester. 2008 wurde er zum ersten Mal inhaftiert.
Nachdem er für die Verwendung falscher Identitäten neun Monate hinter Gittern gesessen hatte, suchte er sich nach seiner Freilassung zwei neue Opfer. Er benutze ihre Kreditkarten und bereicherte sich damit um insgesamt circa 15'000 Franken. Während er bei der einen wohnte, soll er der anderen erzählt haben, sie könne ihn auf dem Militärposten leider nicht besuchen. Zweieinhalb Jahre wurde er erneut von der Polizei gesucht. Doch Ward tauchte unter.
2012 wurde Ellis Ward von der Polizei festgenommen und musste sich erneut vor Gericht verantworten. Seine Ex-Freundinnen erzählen, dass Ward bestens für seine Tricks ausgerüstet war. Und zwar mit gefälschten Dienstpässen, Handschellen und falschen Durchsuchungsformularen.
Sein Anwalt betonte, dass Ward viele der involvierten Personen mochte und liebte. Er wollte jemand sein und habe deshalb begonnen, sich als andere Personen auszugeben. Einem Psychiater soll er berichtet haben, dass er sich einen richtigen Job, ein richtiges Leben sowie richtige Freunde wünschte. Er fühlte sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und sei in seinem Kopf jemand, der nicht wirklich existiert.
outdoorch
Balikc
Amateurschreiber
Je fantastischer eine Geschichte ist, um so mehr wollen wir sie glauben und ein Teil davon werden. So entsteht eine Win-Win Situation: Die Hochstapler leben ihren Traum von Aufmerksamkeit und Anerkennung und die "Opfer" ihren Traum bei etwas ganz grossem dabei zu sein.