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Wie fühlen Sie sich angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise? Schliesslich waren Ihre Eltern auch einmal Flüchtlinge.
Sogar zweimal. Zuerst flohen sie vor Franco nach Chile und 1973, genau fünfzehn Tage vor Pinochets Putsch, zurück nach Spanien. Ich war damals eineinhalb Jahre alt, und wahrscheinlich sind diese fünfzehn Tage Vorsprung auf Pinochet das grösste Glück meines Lebens.
Haben Ihre Eltern das thematisiert, als Sie ein Kind waren?
Ich habe einen enorm politischen Hintergrund und frage mich gerade, wieso ich eigentlich keine politischen Filme mache. Jetzt, da ich in der Schweiz bin, denke ich mit einer gewissen Dankbarkeit an die vielen spanischen Flüchtlinge, die hier während des spanischen Bürgerkriegs aufgenommen wurden.
Danke. Und wenn Sie in Spanien sind?
Wenn ich in Spanien bin, denke ich, die Krise, die wir jetzt erleben, überhaupt eine derartige Verschiebung, war unausweichlich. Bloss hat die spanische Regierung noch nicht angefangen, darüber nachzudenken, was es heisst, wenn für einmal die Leute das Land nicht verlassen, sondern ins Land reinkommen wollen. Aber wie überall ist auch in Spanien die Reaktion der Bevölkerung grossartig. Obwohl Spanien selbst kein privilegiertes Land ist, bitten die Leute die Regierung um Erlaubnis, den Flüchtlingen helfen zu dürfen. Das berührt mich sehr.
Reden wir von ihrem Film «Regression». Wir befinden uns im Jahr 1990, in Minnesota, eine junge Frau sagt, sie sei von ihrem Vater und von Satanisten missbraucht worden, Ethan Hawke spielt den Ermittler. Sie sind als Regisseur auch ein Detektiv?
Wenn man einen Film macht, der von realen Ereignissen beeinflusst ist wie «Regression», wird man automatisch zum Detektiv. Ich reiste für «Regression» nach Minnesota, schaute, wie die Leute dort leben und fühlte mich tatsächlich wie ein Detektiv. Und wie ein Journalist. Dabei hasse ich das Reisen. Ich bin lieber zuhause und recherchiere von meinem Schreibtisch aus.
Sind Sie ein Aufklärer?
Wahrscheinlich, ja. Meine Filme drehen sich immer um den Verstand, um die Vernunft. Ich habe eine sehr rationale Seite an mir, die ist fürchterlich, wenn es darum geht, ein Drehbuch zu schreiben, denn Schreiben heisst für mich, das Irrationale überhand nehmen zu lassen. Aber die Filme selbst erzählen vom Denken, vom glasklaren Denken. Die einzige Möglichkeit, wie Ethan Hawke den Fall lösen kann, ist, seine Ängste zu überwinden und eiskalt darüber nachzudenken, was eigentlich passiert.
Doch zuerst träumt er in allen entsetzlichen Details von satanistischen Orgien ...
Wenn es um Ängste geht, werden wir doch alle von sehr alten, archaischen Bildern verfolgt. Von Gestalten ohne Gesicht oder von Gestalten mit einer Kapuze. Diese Bilder gibt es in jeder Kultur. Einerseits sind sie ein Klischee, andererseits gehören sie einfach zu unserem Unterbewusstsein. Die Vorstellung des Teufels ist eine davon.
Wie sehen denn Ihre eigenen Ängste aus?
Als Kind glaubte ich an den Teufel, an Gespenster, an alles. Ich konnte nicht allein in einem Raum sein. Ich konnte nicht allein über einen Flur gehen. Ich konnte nicht allein aufs Klo. Nie. Dann hab ich angefangen, Horrorfilme zu schauen. Wahrscheinlich, weil ich ein hoffnungsloser Masochist bin. Aber diese Filme zu schauen und später selbst zu machen, hat mir geholfen, meine Ängste zu überwinden. Ich deaktiviere damit einen Schrecken um den andern.
Sie therapieren sich mit ihren eigenen Filmen?
Ganz genau. Als ich für «Regression» recherchierte, fand ich heraus, dass unser Geist noch viel komplizierter ist, als wir denken. Wir tendieren dazu, unserem Gehirn viel zu sehr zu vertrauen, aber dieses Gehirn arbeitet wie eine zweite Person in unserem Kopf vor sich hin. Es gebiert Angst und Begehren, es bringt uns dazu, Meinungen plötzlich zu wechseln und Dinge zu verbergen. Und wenn wir etwas nicht begreifen, versuchen wir, es mit aller Macht passend zu machen. Wir suchen nach einer Gleichung. Manchmal wäre diese ganz einfach, aber unser Gehirn entwickelt am liebsten eine unendlich komplizierte Lösung.
Hat der ganze Satanismus-Zirkus in «Regression» mit ihrer Herkunft aus einem streng katholischen Land zu tun?
Natürlich. Ich wurde in einem katholischen Internat erzogen, ich wurde dort natürlich bombardiert mit dem ganzen religiösen Kram. Ich versuchte, das für mich zu klären, aber es ging nicht, so wurde ich zuerst zu einem Agnostiker. Daraus wurde «The Others». Wo man nicht entscheiden kann, was real und was irreal ist, wo sich die Frage nach Gott nicht klären lässt. Danach wurde ich zum Atheisten. «Mar adentro» ist mein Atheismus-Film. Und mein Film, der mir die Angst vor dem Sterben genommen hat.
Arthur Miller thematisierte Anfang der 50er-Jahre in seinem Theaterstück «Hexenjagd» die gleichen Mechanismen: Junge Frauen treffen sich zu okkulten Ritualen, behaupten, vom Teufel besessen zu sein, und beschwören eine Massenhysterie herauf. Auch dieses Stück behandelte eine wahre Geschichte aus dem 17. Jahrhundert.
Mir scheint es sogar, als würde das gleiche Drehbuch immer und immer wieder geschrieben. Nicht nur, was den spezifischen Konflikt bei Arthur Miller und in «Regression» betrifft. Auch die psychologischen Prozesse, die sich abspielen, sind immer wieder dieselben. Was in «Regression» geschieht, hat Freud alles schon geschrieben. Mich fasziniert das total: Mit wie wenig Veränderungen man auskommt, um aus dem gleichen Stoff immer wieder eine neue Geschichte zu machen.
Sie fügen einfach ein paar Dinge hinzu, die Medien, die Polizei, die Regressions-Therapie ...
Aber der Kern der Geschichte könnte genau so auch vor 300 Jahren spielen. Denken Sie zum Beispiel an einen klassischen Exorzisten: Was der Psychologe in «Regression» macht, ist nichts anderes als ein Exorzismus. Er will mit seiner Therapie das Schlechte aus den Menschen entfernen. Also den Teufel.
Wieso wollten Sie eigentlich mit Emma Watson arbeiten? Etwa, weil sie als Hermione aus «Harry Potter» eine gewisse Erfahrung mit dem Mysteriösen und Okkulten mitbringt?
Daran habe ich gar nicht gedacht! Es ist ganz einfach so: Emma Watson ist jung, wunderschön, hochbegabt, glamourös und sehr, sehr intelligent. Jeder einzelne Regisseur möchte mit ihr arbeiten. Wir hatten Glück.