Der Zürcher Autor und Psychologe Jürg Schubiger ist tot. Er starb am Montagabend nach langer Krankheit, wie seine Frau Renate Bänninger Schubiger am Dienstag mitteilte. Er wäre im Oktober 78 Jahre alt geworden.
Schubiger war 2008 der erste Schweizer Schriftsteller, der den Hans-Christian-Andersen-Preis erhielt. Die Auszeichnung gilt als «Nobelpreis» der Kinder- und Jugendliteratur.
Auch nach 50 Jahren Schriftstellertätigkeit nannte sich Schubiger in Interviews gerne einen «überzeugten Anfänger». Er wollte gewiss nicht mit Bescheidenheit kokettieren; er meinte damit eine Sichtweise, die manche als «Kinderperspektive» bezeichnen. «Als ich auf die Welt kam, war die Welt schon da», lautet in diesem Sinn der berühmt gewordene Anfangssatz von «Mutter, Vater, ich und sie».
Noch einen Schritt weiter zurück geht «Früher, als die Welt noch nicht vorhanden war, da hatte man noch Platz genug» im Band «Als die Welt noch jung war», für den er 1996 den Deutschen und den Schweizer Jugendliteraturpreis sowie den Silbernen Griffel erhielt.
Schubigers letztes Buch erschien im Februar und trägt den Titel «Nicht schwindelfrei». Darin variierte er sein Lieblingsthema: den Anfang. Diesmal steht ein Mann im Mittelpunkt, der sein Gedächtnis verloren hat und es gar nicht unbedingt zurückhaben will.
Wie in seinen früheren Büchern vermeinte man auch in «Nicht schwindelfrei» zu erkennen, dass Schubiger mal Werbetexter und Psychoanalytiker war: Er lauschte der Sprache ihre versteckten und oft auch witzigen Möglichkeiten ab und liess eine Figur gleichsam ohne sein Zutun sich selber zeichnen.
Schubigers Perspektive war die von jemandem, der noch nichts von der Welt weiss und für den zunächst alles möglich ist: etwa eine Vergangenheit, in der jeder unsterblich war. Das ist die Prämisse in seinem 2011 erschienenen Bilderbuch «Als der Tod zu uns kam» - eine durchaus auch heitere Geschichte über einen Wanderer, der den Tod, aber auch die Wertschätzung des Lebens in ein Dorf bringt.
Den von übernommenen Gewissheiten befreiten Blick ins Offene benutzte Schubiger auch in seinen Büchern für Erwachsene, so in «Die kleine Liebe» (2008) über eine Frau, die sich das Wissen über das Leben von Null auf aneignet. Für dieses Buch erhielt er den Zolliker Kunstpreis.
Jürg Schubiger wurde am 14. Oktober 1936 in Zürich geboren und wuchs als Sohn eines Verlegers auf. Nach einer abgebrochenen Lehre und Gelegenheitsjobs als Gärtner, Holzarbeiter und Maurer studierte er Germanistik, Psychologie und Philosophie.
Danach arbeitete er im Verlag des Vaters und ab 1980 als freier Autor und Psychologe mit eigener Praxis. Seit der Pensionierung schrieb er «nur» noch. (sda)