Wir erinnern uns. Nachdem ich zwei Wochen rauchfrei war, schenke ich Cleo und mir ein verlängertes Wochenende in Amsterdam, wo ich KEINEN Sex habe. Nicht mal flirten tue ich. Mehr noch: keinem einzigen Kellner mache ich schöne Augen.
Der Grund ist schräg: In meinem Herzen hat grad quasi ein Typ geparkt, den ich gar nicht kenne. Also face to face nicht. Wir chatten schon eine Weile. Beni, ich habe von ihm erzählt. Beni, der eventuelle Zyklop, Drogendealer, Knastbruder.
Beni, der Tinder-Match, der zwar nächtelang mit mir chattet, mich im real life aber partout nicht treffen will. Warum, verrät er nicht. Nur soviel: In drei Wochen sehe es anders aus. Dann würde er mich eventuell daten. Eventuell. WTF.
Für meine sehr inexistente Geduld eine Hardcore-Zerreissprobe. Vor allem jetzt, da ich dem Phantom aus der 2.0-Welt quasi schon treu bin.
Anyhow.
Jedenfalls packt mich der Mut nach einer Kneipentour in Amsterdam. Es ist schon sehr spät, als ich Beni anrufe. Über Facetime. In vino veritas. Ich bin bereit für sein Zyklopen-Auge. Oder für alles, was halt der Grund sein kann, warum er mich nicht treffen will.
Nach drei mal klingeln geht er ran. Es dauerte gefühlt drei Eiszeiten, bis die Verbindung aufgebaut ist. Dann sehe ich ihn. Zum ersten Mal als Bewegtbild. Er lacht. Ich lache. «Hey», sagt er. «Hallo aus Amsterdam», sage ich. «Hast du einen sitzen?», fragt er. «Logisch, hast du das Gefühl, ich würde mich sonst trauen, anzurufen?»
Lachen seinerseits. Tiefe Lachgrübchen. Augen, die kaum mehr zu sehen sind, wenn er sehr fest lächelt. Das Haar zerzaust. Er trägt ein weisses T-Shirt. Zerknittert. Sympathisch. Männer, die bügeln, sind mir suspekt. Frauen auch.
Er klingt sehr normal. Auf den ersten Blick erkenne ich nicht, warum mich dieser Dude hier ewig lange zappeln lässt. «Wirst du von Interpol gesucht?», frage ich. «FBI», sagt er. «Hortest du Drogen oder ein Waffenarsenal?», will ich wissen.
Unser Gespräch ist wie unser Gechatte: Ein einziges Fest. Wir reden (nicht nur über Stuss), lachen, gähnen, trinken einen Schlummi über die Landesgrenzen, legen uns hin, setzen uns auf. Alles fühlt sich sehr vertraut an.
«Ich will dich treffen», sage ich. «Ich dich auch», antwortet er. «Worauf warten wir?», frage ich. «Bis meine Arschfistel insofern verheilt ist, dass ich nicht mehr auf einem aufblasbarem Kissen mit Loch in der Mitte sitzen muss», sagt er mit sehr gelassener und nüchterner Stimme.
Ich lache laut. Und merke: Er meints ernst. Was ich noch viel lustiger finde. Und auch er lacht. Es fühlt sich null schräg an, dass er mir diese Geschichte bei unserem ersten Gespräch zumutet. Ich erinnere mich wage an die Arschifistel aus Charlotte Roches Buch «Feuchtgebiete». Also kann ich mit ein bisschen Wissen angeben. Beni ist entzückt.
Ich derweil hin und weg. Trotz oder vielleicht sogar ein bisschen wegen der Arschfistel.
Wir telefonieren bis ich kurz vor 5 Uhr quasi tot umfalle.
Während ich die Zähne putze, höre ich mein Handy vibrieren.
«Du hattest das ganze Gespräch was zwischen den Zähnen.»
Ich antworte mit «Du gewinnst. Deiner Arschfistel sei Dank.»
Er: «Eventuell haben mir deine Lippen ein bisschen gefallen.»
Dann ich: «Ein bisschen enttäuscht darüber, dass du kein Zyklop bist, bin ich schon. Eventuell aber haben mir deine zwei Augen trotzdem ein bisschen gefallen.»
Dann falle ich selig und vorfreudig in den Tiefschlaf. Vorfreudig auf das Date mit Beni. Und seiner Arschfistel.
Und das, liebe Freunde, Hobbypsychologen und Skeptiker, ist das, was ich unter wahrer Romantik verstehe.
Adieu,
Du bist ja übelst verschossen in den typen. 👍🏼