Mia hat vergangenen Herbst ihren 20. Geburtstag gefeiert. Sie hat das mit sehr wenig Alkohol, sehr wenig Kuchen und null bewusstseinsverändernden Substanzen gemacht. Ernsthaft, ich finde das grossartig. Vorbildlich. Super.
Ich finde es aber auch absolut unverständlich. Mein 20. Geburtstag ist so eskaliert, dass mich Bruno und mein damaliger Typ, keine Ahnung mehr, wie der heisst, vier Stockwerke in mein WG-Zimmer tragen mussten.
Ich bin nicht stolz drauf. Aber es war sehr normal. Am nächsten Tag ging es mir mi-se-ra-bel. Kater und Bronchien im Arsch. Hab logischerweise rund zwei Päkli Zigis geraucht. Und ein paar Joints. In ein paar wenigen Stunden.
Mia raucht nicht. Mia trinkt hie und da, sehr selten, irgendein Getränk mit sehr wenig Alkohol, das ich nicht mal kenne. Rauchen findet sie des Todes. Das finden auch alle ihre Freund:innen. Wer raucht, hat mit seinem Leben abgeschlossen, sagt Mia.
Mia ist die Tochter einer meiner besten Freundinnen. Und ich, ich bin Mias Gotti. Ich liebe Mia heiss und innig. Und ich liebe es, in Mias Welt abzutauchen.
Letzten Samstag will sie mit mir an eine Kunstausstellung. Mir ihren 20 Jährchen ist Mia tausendmal kunstaffiner als alle in meinem Umfeld. Mia ist belesen, klug, ruhig, bedacht, ultra kreativ und gechillt.
Jugendliche Rastlosigkeit sucht man bei Mia vergebens. Wenn Mia mit Freund:innen verreist, dann machen sie keine Partyferien. Sie besuchen feministische Workshops in London, Lesungen in Paris oder mieten eine Finca auf Mallorca. Möglichst weit weg vom Ballermann. Und der Schinkenstrasse. Wo ich meinen 18. Geburtstag feierte. Vielleicht wars auch der 19. Oder 21. Also einfach der, den ich nicht auf Aya Napa zelebrierte.
Pardon, wir schweifen ab.
Mia und ich besuchen also in Basel die Ausstellung, die sie maximal flasht und mich zu Tode langweilt.
Ich frage Mia, welches Konzert sie zuletzt besucht hat. Sie nennt eine Band, von der ich noch nie was gehört habe. Ich frage, welches Konzert sie als nächstes besucht. Sie nennt eine andere Band, von der ich noch nie etwas gehört habe.
Sie spielt mir ein Lied vor. Ihr Lieblingslied. Ich finde, es tönt depressiv. Sie lacht. Mia findet, es muss nicht immer «Spice Girls sein, Gottiemmi!»
Fair enough!
Was ihr Liebesleben macht, will ich wissen. Nichts, sagt sie. Dating und Sex und Männer und all das interessieren sie einfach nicht. Oder zu wenig, um sich aktiv da reinzuhängen. An ihrer Schule, sie besucht die Kunsti, geht es den meisten so.
Ich finds krass.
Sie saufen nicht. Sie schloten nicht. Sie vögeln nicht.
Mia lacht. Ich auch.
Irgendwie bewundere ich Mia. Mia ist mit ihren 20 so viel gechillter als ich mit 2 mal 20 und ein paar obendrauf. Mia macht sich null einen Stress aus ihrer Optik. Ihren Körper findet sie bedingungslos super, weil er ihrem Geist ein so gesundes und gutes Daheim ist.
Woow.
In den Ausgang gehen Mia und ihre Gang nur alle paar Wochen mal. Sonst treffen sie sich bei jemandem daheim und schauen kluge Dokumentationen oder hören aufklärende Podcasts.
Ich liebe es, Mia zuzuhören. Ich finde Mia sehr inspirierend. Mia gibt mir auch die Hoffnung, dass wir den Planeten doch noch retten. Kriege beenden. Uns nur noch pflanzlich ernähren, ohne etwas zu vermissen.
Nicht mal Minipic.
Okay, das war jetzt etwas übers Ziel hinausgeschossen.
Ihr wisst schon, was ich meine.
The future ist Mias. Und das ist so viel besser und vernünftiger als alles, das wir je gemacht haben.
An dieser Stelle liebe Grüsse an mein Tamagotchi Gigi, das am 9.5.2001 das Zeitliche gesegnet hat.
I still miss you, Gigi.
Schade nehmen sich Mia und ihre Freunde keine Zeit für Liebe und Sexualität, mir persönlich würde etwas fehlen.
Einfach mal ganz normal in der breiten, vielfältigen Welt zwischen den Extremen und mit vereinzelten Peaks in die favorisierte Richtung, das wär's doch. 😉