Schreibend war Rahel toll. Nicht zu ernst, nicht zu witzig, also nichts gegen humorvolle Menschen, aber es gibt angestrengt humorvolle Menschen und das mag ich gar nicht. Wir schrieben aber auch gar nicht lange, Rahel und ich. Sie fragte, ob wir uns treffen wollen, ich sagte ja. Rahel ist, für alle die, die nur für die Kommentare hier sind oder für die, die nun zum ersten Mal einen Text von mir lesen – willkommen, schön, seid ihr da, ihr werdet hier mit meinem aktuell eher erfolglosen Singledasein unterhalten, könnt aber auch euren Wochenfrust in der Kommentarspalte loswerden, beides ist okay, beides ist erlaubt – jedenfalls ist Rahel die Frau, mit der ich auf Bumble matchte, die ein, sagen wir mal, vielversprechendes Profil hatte. Sie sah sympathisch und gut aus auf den Bildern, keine Babyhunde auf den Fotos und auch kein Duckface irgendwo, sondern normale Fotos. Sie wollte, das stand ebenfalls in der Bio und das ist dieser Tage ja eher selten zu lesen, weil alle entweder ENM oder dann aber auf der Suche nach etwas wirklich Superernstem sind, aber Rahel suchte «etwas Lockeres», was mir natürlich gefiel.
Wir wollten in eine Bar, in die ich manchmal gehe, und die etwa in der Mitte zwischen unseren beiden Zuhausen lag. Ich wartete vor der Tür, denn drinnen war es rappelvoll. Sie kam auf mich zu, war grösser als erwartet, obwohl sie gemäss Bio 1,87m gross und das immer noch fast zehn Zentimeter kleiner ist als ich, aber so auf mich zukommend sah sie riesig aus. Das störte mich eigentlich nicht, was mich störte, ja, schimpft mich oberflächlich, war ihr Gang. Es war eine Mischung zwischen schlurfen und schreiten, kein Schlendern, kein Schweben, es erinnerte an die RS, als wir alle noch nicht so recht wussten, wie wir mit dem ganzen Zeug, das wir anhatten, normal gehen sollten. Was ich sagen soll: Sie wirkte maximal maskulin. Aber, so sagte ich mir, eigentlich mag ich Frauen, die nicht aufgebrezelt, sondern natürlich sind. Wenn es etwas gibt, das ich zum Beispiel sehr abstossend finde, sind es Gelnägel und das, das konnte ich wissen, ohne ihre Hände gesehen zu haben, das hatte Rahel nicht.
Sie begrüsste mich mit einer Umarmung. Fester Druck, aber gutes Parfüm. Die Bar war ihr zu voll, was ich gleich sah wie sie, wir gingen in ein Lokal zwei Strassen weiter, in dem sie, wie sie sagte, sehr oft war. Das Lokal war eine klassische Biker-Kneipe. Habe ich nichts dagegen, finde ich aber für ein Date eher ungewöhnlich.
Rahel trank Bier. Schneller als ich. Das heisst, weil ich nicht wollte, dass sie schneller trank, trank ich ebenfalls schnell und irgendwie hoffte ich auch, dass alles besser wird, je mehr Bier ich intus hatte. Rahel nämlich, war, gelinde ausgedrückt, nicht mein Typ. Sie klopfte mir bei Sprüchen auf die Schulter, was immer schräg ist, auch wenn das Männer machen. Sie klopfte so hart, dass ich, und ich bin kein fragiler Timothée-Chalamet-Typ, jedesmal zusammenzuckte. Sie machte derbe Witze, was ich eigentlich gut finde, aber in Kombination mit dem Geklopfe dann doch too much. Dass sie Crossfit machte, war durchaus zu erkennen, sie hatte, gebe ich ungern zu, aber sie hatte fast breitere Schultern als ich.
Auf dem Tisch vor uns lag ein Korb mit hartgekochten Eiern, wovon sie drei ass. Sie kaute und sprach gleichzeitig. Finde ich eigentlich auch okay, aber das Geklopfe, die derben Witze, das Kauen ... Proteine seien wichtig, sagte sie und zwang mich, auch ein Ei zu essen, obwohl ich wirklich null Lust auf Eier hatte. «Tut dir gut», sagte sie, lachte und klopfte mir abermals auf die Schultern.
Um 23 Uhr machte die Bar zu. Ich war erleichtert. Sie fragte, ob ich noch zu ihr kommen wollte, da könnten wir noch weiter Bier trinken. Ich sagte, ich müsse am nächsten Tag früh raus. Wir umarmten uns und sie haute mir ein letztes Mal auf die Schulter.
Leute, ich weiss nicht, was los ist, aber: Mein Karma ist im Arsch.
Please send help.
So long,
Ben