Ich bin ja jetzt in «DEM» Alter. Du weisst schon. Das Alter, in dem man sich bindet, heiratet, Babies zeugt. Am besten in dieser Reihenfolge. Und am besten vorgestern als morgen. Weil irgendwann ist ja auch nicht mehr lustig Party machen und Affären zelebrieren.
Bla Bla. Liebe Grüsse von Mama, Grosi, bereits verheirateten Freundinnen, Tanten etc.
Jedenfalls als Frau in «DEM» Alter ist es nun tatsächlich so, dass wir schon einige Babies, Kids und einen Teenager im Freundeskreis haben. Der ist bereits 14. Wir können nicht abstreiten, dass es ein Unfall war. Ein grandioser. Mit Happy End. Die Eltern des Teenies sind immer noch zusammen. Und glücklich. Hollywood in Zürich. Geht eben doch, liebe Pessimisten.
Der Teenie ist übrigens mein Lieblingskind. Dank ihr weiss ich, wer und was Billie Eilish ist, wie Tiktok funktioniert und wie man richtig coole Instastorys macht.
In dieser Geschichte hier aber geht's um Theo. Theo ist 13 Monate alt. Theo kann kriechen, Erwachsene anbrünzlen, glucksen, sich drehen und sehr laut furzen. Theo hat auch die Gabe, sein Essen überall zu verteilen. Nur nicht in seinem Mund. Und Theo kann «Mamamamamamama» und «Dadadadada» sagen. Was er damit meint, weiss keiner.
Ausser seine Mutter/meine Freundin Lea. Die findet ihren Buben nämlich das herzigste, klügste, lustigste, schlauste, tollste und was-weiss-ich Kind der Welt. Lea gehört zu den Frauen, die dir unaufgefordert 20 notabene gleiche Bilder ihres Kindes schickt, die sie mit 80 Herzchen- und Liebes-Emojis versieht und dich damit in die scheiss Lage bringt, in der du nicht weisst, was du statt «Jööö» noch antworten sollst.
Neulich jedenfalls muss Lea an ein Vorstellungsgespräch, als ihre Schwiegermutter als Babysitterin kurzfristig ausfällt. Also springe ich ein. Und besuche mit Theo, den ich sehr liebevoll «Kartoffel» nenne, seinen Lieblingsspielplatz.
Kartoffel sitzt nun in der Babyschaukel während ich angebe und angebe und angebe. Und Kartoffel «Mamamamamamamamamamamamdadadamamdaaaadaaa» singt. Kartoffel und ich haben es sehr friedlich als mich eine Mutter anhaut. Ich soll «mein» Kind aus der Schaukel nehmen, ihre Emma (Haha!) wartet schon sehr lange. Das Muttertier in seiner Outdoor-Hose und der Windjacke meint's ernst.
Ich nehme Kartoffel raus. Kartoffel nimmt's easy. Emma schreit wie am Spiess. Sie will gar nicht schaukeln. Ich setze Kartoffel in den Sandkasten. Ob er sich so ohne Jacke nicht erkälte, fragt mich eine mir unbekannte Stimme. Es ist eine andere Mutter. Ich schaue sie etwas ratlos an. Kartoffel ist nun happy, ich auch.
Die Hypochonder-Mutter präsentiert mir nun unaufgefordert ihren Spross. Jonas sei ein sehr braver Junge. Schon mit 11 Monaten konnte er laufen. Kurz drauf reden. Drehen, sitzen und zählen konnte er auch sehr früh. Ein Wunderkind. Und so sozial. Das betonen sie in der Krippe auch immer wieder. Ob denn «mein» Kind noch nicht laufen kann? Ihr Blick ist getränkt von Mitleid.
Kartoffel gluckst zufrieden im Sand. Emma schreit immer noch auf der Schaukel. Nun betreten zwei relativ junge und gutaussehende Papis mit Buggys den Spielplatz. Meine Aufmerksamkeit gilt nun denen. Sie machen Fangis, trösten umgefallene Kids, schneiden Apfelschnitze.
Bin in love. Nun überlege ich mir, wie ich Kartoffel als Wing-Baby einsetzen kann, als mir die Mütter-Mafia zuvorkommt. Zwei von vier Müttern starten hier gerade Aggro-Avancen Richtung Papas. Das ist ja derber als alles, was ich auf Tinder erlebe. Die Papas ignorieren die Mamas. Sie sind zu sehr mit sich selber beschäftigt.
Dann müssen Kartoffel und ich leider auch schon los. Wir treffen Kartoffels Mama Lea in einem Café. Ihr Bewerbungsgespräch lief schlecht. Schlecht läuft es auch mit Kartoffels Papa. Die haben seit Kartoffels Geburt fast keinen Sex mehr. Lea will in Ruhe heulen und erzählen. Unmöglich. Kartoffel nimmt grad das ganze Lokal auseinander.
Nach drei Stunden Kartoffel, Spielplatz, Mütter-Mafia, heulender Lea und vielen klebrigen Flecken auf meiner Lieblingsjeans und meiner Lieblingsjacke bin ich sehr froh, dass ich zurück in mein Leben kann. Wo ich nur für mein Avocadobäumli und mich Verantwortung übernehmen muss.
Liebe Mutter und Mütter, Grossmutter, Tanten und ihr alle anderen: Ich brauche noch ein, zwei, fünf oder acht Jahre, bis ich eine von euch werde. Ich gebe euch aber jetzt schon die Erlaubnis mein Kind mal «Lauch» oder «Sellerie» zu nennen. Und kommt, seien wir ehrlich: Lauch/Sellerie wird genau so nicht hochbegabt, in allen Bereichen grandios, klug, wunderschön, enorm lustig und überdurchschnittlich sozial wie Kartoffel und all die anderen Kids vom Spielplatz.
Ausser Schrei-Emma von der Schaukel. Aus der könnte was Krasses werden. Frontfrau/Rampensau einer Death-Metal-Band, die nachts Tiere aus Tierversuch-Labors rettet zum Beispiel. Lauch/Sellerie wird dann ihr Groupie. Und ich kann dann sagen, dass ich crazy Emma schon kannte, als sie noch in die Windeln kackte.
So, muss nun los. Einen coolen Papi für Lauch/Sellerie finden.
Note to myself: Jetzt NICHT Suff-SMS-Sandro schreiben.
Adieu,
Kartoffel ist jetzt sehr weit vorne.
Und: Falls es bei mir dann irgendwann auch so weit ist, hätte ich auch gerne eine Freundin wie Emma. Solche Spitzname finde ich herzig. Meins darf gerne auch einmal nach einem Gemüse benannt werden.