Schweiz
Gesellschaft & Politik

«Aufruf zum Bürgerkrieg» – Ueli Maurers Abspaltungsideen polarisieren

Alt Bundesrat Ueli Maurer posiert fuer ein Portrait, anlaesslich einer Medienkonferenz zur Gruendung des "Leonhard-Kreis" als Verein, am Montag, 27. Oktober 2025 in Zuerich. (KEYSTONE/Michae ...
«Servir et disparaître» scheint nicht Ueli Maurers Motto zu sein.Bild: keystone

«Ein Aufruf zum Bürgerkrieg» – Ueli Maurers Abspaltungsideen polarisieren

Alt-Bundesrat Ueli Maurer und Ex-SVP-Präsident Toni Brunner reden von einem «neuen Sonderbund», wenn die Schweiz Ja sagt zu den EU-Verträgen. Ein Sicherheitspolitiker ruft zur «radikalen Mässigung» auf.
22.11.2025, 08:2622.11.2025, 16:46
Othmar von Matt / ch media
Am 16. September 2021 kam es nur knapp nicht zum Sturm aufs Bundeshaus. Die Massnahmenkritiker skandierten «Ueli, Ueli, Ueli».
Am 16. September 2021 kam es nur knapp nicht zum Sturm aufs Bundeshaus. Die Massnahmenkritiker skandierten «Ueli, Ueli, Ueli». bild: PETER KLAUNZER

Am Donnerstagabend jenes 16. Septembers 2021 lag ein Hauch von Revolution über Berns Strassen. Immer wieder waren «Liberté, Liberté, Liberté»-Rufe zu hören, als 4000 Demonstrierende gegen die Corona-Massnahmen durch Bern liefen. Die Stimmung wirkte aggressiv, das Bundeshaus war abgeschirmt wie eine Festung.

Als die Demonstrierenden das Bundeshaus erreichten, skandierten sie «Ueli, Ueli, Ueli». Sie riefen damit den Namen jenes Bundesrats, der sich kurz zuvor in einem Shirt der «Freiheitstrychler» hatte ablichten lassen.

200 Massnahmen-Gegner begannen am Eisenzaun zu rütteln, der das Bundeshaus schützte. Sie lockerten Schrauben am Zaun, beschädigten ihn. Die Berner Kantonspolizei antwortete mit dem Wasserwerfer. Und die Demonstrierenden warfen Gegenstände, zündeten Feuerwerk und Böller.

Vier Jahre und zwei Monate später sorgt jener Ueli Maurer, den die Massnahmenkritiker hatten hochleben lassen, als Alt-Bundesrat mit Sezessions-Aussagen für Aufsehen. In einem Podcast des Liberalen Instituts sprach Maurer von seiner Vision für den Fall, dass die EU-Verträge angenommen würden: Dann könnte eine neue Eidgenossenschaft, entstehen, die auf den Urkantonen aufbaue und nach und nach neue Gebiete hinzufüge. Maurer sprach von einer «Revolution» und sagte, das wäre ein «Erfolgsmodell».

Ueli Maurer, alt Bundesrat waehrend einer Medienkonferenz zur Gruendung des "Leonhard-Kreis" als Verein, am Montag, 27. Oktober 2025 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Alt-Bundesrat Ueli Maurer.Bild: keystone

Praktisch parallel dazu sagte der ehemalige SVP-Präsident Toni Brunner ähnliches. In einem Podcast des «Nebelspalters» sprach er von einem «neuen Sonderbund» für den Fall eines Ja zu den EU-Verträgen. Brunner erwähnte die Innerschweiz, das Tessin und die Ostschweiz. Und er hielt fest: «Das Zürcher Oberland nehmen wir auch noch dazu.»

The Herens cow "Tigresse" of former Swiss politician and President of the Swiss People's Party (SVP/UDC) Toni Brunner, right, and with girlfriend Esther Friedli, left, pose after they w ...
Ex-SVP-Präsident Toni Brunner.Bild: keystone

«Sicherheitspolitisch ganz heikle Entwicklungen»

Die Aussagen von  Maurer und Brunner sorgten für Aufsehen. Erstmals äussert sich nun auch Mitte-Nationalrat Reto Nause. Er ist von Haus auf Historiker und war von  2009 bis 2024 Sicherheitsdirektor der Stadt Bern. Zudem ist er Präsident der Allianz Sicherheit Schweiz. Er sei «schockiert», wie weit diese «Hellebarden-Politiker» bereit seien zu gehen, sagt Nause. «Der Aufruf, einen Sonderbund zu gründen, ist ein Aufruf zum Bürgerkrieg.» Hier sei eine dunkelrote Linie überschritten. «Das sind sicherheitspolitisch ganz heikle Entwicklungen. Man muss jetzt zur radikalen Mässigung mahnen.»

Bei seinen Warnungen denkt Nause auch an den denkwürdigen 16. September 2021. Damals war er als Sicherheitsdirektor der Stadt Bern mitverantwortlich für den Einsatz der Berner Polizei. «Aus Telegram-Kanälen wussten wir, dass bei den Demonstrierenden der Sturm auf das Capitol in Washington hohe Symbolkraft besass und auf breite Zustimmung stiess», erzählt er. Am 6. Januar 2021 hatten sich Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump gewalttätig Zugriff ins Capitol verschafft. Nause sagt, man habe deshalb auch in Bern damit rechnen müssen, «dass diese Gruppen ins Bundeshaus wollen».

Der Mitte-Nationalrat sieht Parallelen in den Sonderbund-Aussagen von Maurer und Brunner zum Verhalten von US-Präsident Donald Trump. «Wenn ein ehemaliger Bundesrat und Verteidigungsminister und ein ehemaliger Parteipräsident nach einem neuen Sonderbund rufen, ist das völlig undemokratisch und völlig unschweizerisch», betont Nause. «Sie sind nicht mehr gewillt, demokratische Entscheide zu akzeptieren. Das erinnert an Donald Trump.»

Maurers Reisen zu den starken Männern

Ueli Maurer hat Donald Trump 2019 persönlich getroffen. Er war der erste Bundespräsident, der offiziell im Oval Office des Weissen Hauses empfangen wurde. In seinem Präsidialjahr traf Maurer in Moskau auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin und in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.

President Donald Trump welcomes Switzerland's Federal President Ueli Maurer, right, to the White House, Thursday, May 16, 2019, in Washington. (AP Photo/Andrew Harnik)
US Präsident Donald Trump hat Bundespräsident Ueli Maurer am 16. Mai 2019 zu einem offiziellen Besuch im Weissen Haus empfangen.Bild: AP/AP

Eine Nähe zu starken Männern mit autokratischen bis diktatorischen Zügen behielt Maurer nach seinem Rücktritt als Bundesrat bei. Mindestens zweimal war er auf offizielle Einladung in China. 2024 nahm er einer Konferenz teil. Und als China das 80-Jahr-Jubiläum zum Ende des Zweiten Weltkriegs feierte, war er auf Einladung der chinesischen Regierung als einziger Schweizer Gast an der Militärparade.

Mitte-Nationalrat Nause sagt, dass die Sonderbundes-Ideen von Maurer und Brunner die Gesellschaft spalten. «Die Schweiz hat weder Goethe noch Schiller, sie besitzt auch keine gemeinsame Sprache», betont er. «Unser Fundament ist der Wille, dass Deutschschweiz, Westschweiz und italienischsprachige Schweiz friedlich zusammenleben. Wir sind eine Willensnation.» Die Schweiz definiere sich auch über die demokratischen Institutionen. «Bei Abstimmungen gewinnen wir alle mal und verlieren alle zwischendurch», hält Nause fest. «Es käme niemandem in den Sinn, wegen einer Niederlage zu sagen, es sei Schluss mit der Schweiz.»

«Das ist ein lustiger Kalauer», sagt Blocher

Weder Ueli Maurer noch Toni Brunner wollten sich zu den Aussagen von Reto Nause äussern. SVP-Doyen Christoph Blocher hingegen nimmt Stellung. Von einem «Aufruf zum Bürgerkrieg» zu sprechen, sei «dummes Zeug», sagt er. «Das ist ein lustiger Kalauer. Es geht aber um eine ernsthafte Sache im Hintergrund.»

Auf die Nachfrage, ob Sezessions-Aussagen nicht als gefährlich taxiert werden müssten, erwidert Blocher: «Gefährlicher sind die Stellungnahmen von Bundesrat, Verwaltung und wohl auch des Parlaments zum obligatorischen Referendum.» Sie wollten in ihrer Mehrheit kein Ständemehr zu den EU-Verträgen, obwohl sie genau wüssten, dass es ohne Ständemehr keine Schweiz gäbe. «Nach dem Sonderbundskrieg wollten die Gründerväter, dass die Bevölkerung und die Mehrheit der Kantone in solchen Abstimmungen gleichwertig sind.»

Das obligatorische Referendum jetzt nicht zuzulassen sei aber «eine Kampfansage», so Blocher. «Die Classe politique will die Verfassung übergehen.» Als Beispiel dafür nennt er die Masseneinwanderungsinitiative, zu welcher die Schweiz Ja sagte. Mit ihr stehe in der Verfassung, die Schweiz regle die Zuwanderung eigenständig und es dürften keine Verträge abgeschlossen werden, die das ausser Kraft setzten. «Der Bundesrat tritt aber mit einem Vertrag vors Volk, der die Zuwanderung massiv ausweitet», sagt er. Und das ohne obligatorisches Referendum. Blocher: «Dies missachtet die Gründungssäulen der Eidgenossenschaft.»

Sicherheitspolitiker Reto Nause hingegen hat einen besonderen Rat an Maurer, Brunner und Blocher: Sie sollten sich wieder einmal die Statue von Niklaus von der Flüe im Bundeshaus ansehen. «Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Gründerväter der Schweiz 1848 nach ihrem Sieg über den Sonderbund Niklaus von der Flüe prominent im Bundeshaus platzierten», betont er. «Er steht für Versöhnung und Vergebung.» (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
422 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Xicotencatl Axayacatl
22.11.2025 08:43registriert August 2024
"Maurer, Brunner und Blocher" was für ein Gruselkabinett. Diese drei Herren sind nicht mehr aktiv in der Politik. In der Konsequenz sollte man ihnen ihren Ruhestand gönnen und deren private Äusserungen einfach ignorieren. Angesichts ihres schädlichen und toxischen Wirkens auf die Schweiz, nach innen wie nach aussen, sollte man sie eigentlich gesellschaftlich ächten, besonders den gescheiterten und abgewählten ex-BR Blocher gelten. "Servir et disparaitre."
50226
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pontifax
22.11.2025 08:51registriert Mai 2021
Meiner Meinung nach hat er damit den Tatbestand des Landesverrates begangen.
48636
Melden
Zum Kommentar
avatar
001864.18d7a167@apple
22.11.2025 08:55registriert September 2024
Andere werden im Alter schlauer.
40814
Melden
Zum Kommentar
422
15 Rekruten zu Drohnenpiloten ausgebildet
Die Armee hat 15 Rekruten zu Drohnenpiloten ausgebildet. Sie helfen bei den Einsatzverfahren für Angriffsdrohnen. Mit der Schulung in Thun BE und den anschliessenden Feldversuchen in Bure JU bauten sie die entsprechenden Fähigkeiten des Militärs aus.
Zur Story