Der Januar begann, wie Januare immer beginnen: beschissen. Alle sind mürrisch drauf, die eine Hälfte ist schlecht gelaunt und nur noch zuhause, weil: Ich kann eh grad nicht trinken, ich mache Dry January, weisch, und da ist es einfacher, wenn ich daheim bleibe. Die andere Hälfte bleibt zuhause, weil niemand mit ihr rausgehen würde. Alle sagen ständig, ach, ist schon wieder Januar, wo ist bloss das Jahr hin, als wäre es eine neue Erkenntnis, dass die Zeit viel zu schnell vorbeigeht. Das Wetter ist schlecht, der Kontostand bei vielen auch, die Gesamtstimmung: ungut.
Lara und ich verbrachten plötzlich wieder wahnsinnig viel Zeit miteinander. Sie war viel zuhause, aus ebendiesen Gründen: pleite und nüchtern. Sie wolle das nun auch mal ausprobieren, dieses Nichttrinken, sei ja schon gesund und sie habe wirklich zu viel getrunken die letzten Wochen und an Silvester sowieso. Verbrachten wir übrigens nicht zusammen, sie in den Bergen, ich an Hannas Party, die ich aber eher früh wieder verliess.
Eines Tages, ein Samstag oder Sonntag, wir lagen beide noch im Bett und es war schon hell und gewöhnlich gehe ich zur Arbeit, wenn es noch dunkel ist und Lara liegt alleine noch ewig im Bett, was ich natürlich etwas unfair finde, aber dafür bin ich nicht bankrott und zwischen zwei Jobs sein ist ja auch ein Stress. Ob ich mal einen Dreier gehabt hätte, fragte sie. Ich erzählte von meinem Fast-Dreier. Zähle so halb, fand sie.
«Fände ich schon mal spannend», sagte sie. Ich nickte. So wirklich planen könne man das ja aber nicht, sagte ich, aber wenn sich die Situation ergebe, oder sie eine Frau treffe, die ums Verrecken mit uns beiden schlafen wolle, dann sei ich natürlich nicht dagegen.
«Und ein Mann?», fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf.
Lara grinste. «Feigling!», sagte sie.
Ich weiss, diese Haltung ist nicht modern, aber bei diesem Gedanken sträubt sich alles in mir. Allein die Vorstellung von einem nackten, behaarten, verschwitzten Männerkörper mit mir im Bett … Nein. Ich weiss, es gibt Dreier, da berühren sich die beiden Männer nicht wirklich. Totaler Fokus auf die Frau. Aber darauf habe ich auch keine Lust. Warum die Frau teilen, wenn ich allein mit ihr Sex haben kann? Und scharf macht mich das Live-Zusehen nicht, das muss ich nicht ausprobiert haben, um zu wissen, dass das so ist.
Wir könnten eine auf Tinder suchen, meinte Lara, aber ich war dagegen. Ich wollte wirklich nicht eines dieser Paare sein, das gemeinsam ein Profil auf Tinder hat. Und wenn sie alleine suche, auf ein erstes Date gehe und die Frau dann frage? Fand ich als Idee gut.
Die nächsten Tage swipten wir. Fand ich so als Team-Beschäftigung sehr gut und tausendmal besser, als wenn ich allein geswipt habe. Einige Frauen kamen mir bekannt vor, aber die meisten habe ich noch nie gesehen.
Lara war viel wählerischer als ich. Ich hätte doppelt so viele rechts gewischt, sie aber hatte überall was auszusetzen. Duckface mochte sie nicht, wer mag das schon, aber das machen so viele Frauen, das kann man nicht als Ausschlusskriterium nehmen, und wir reden wir ja nicht von der Frau fürs Leben, sondern von einer einmaligen Sache. Bios auf Schweizerdeutsch fand sie auch nicht gut, drückte aber ein Auge zu, wenn sie lustig waren. Was Lara lustig fand, war bei weitem nicht immer, was ich lustig fand. Verschwommene, aber auch zu viele professionelle Bilder gaben ebenfalls Abzug. Frauen mit zu grossen Hunden und zu viel Make-up flogen bei ihr raus.
Übrig blieb nicht viel. Aber das ist eigentlich egal, denn Lara hatte trotzdem mehrere Matches und nächste Woche ein Date. Die Frau, mit der wir vielleicht einen Dreier haben werden, die aber noch nichts von ihrem Glück weiss, nennen wir sie Unicorn, ist 32 Jahre alt, 167 cm gross, Raucherin, arbeitet irgendwas hier, kommt aber aus München, sie ist bisexuell, mag Day Raves und Gorgonzola und ist «neugierig und offen für alles».
Hoffen wir, mit «neugierig und offen für alles» sind auch Dreier gemeint ...
So long,
Ben
Das war mit Abstand Bens bester Beitrag in diesem Jahr
🤣
Sitzt da,seine Tränen füllen immer wieder sein Wasserglas auf.Emma setzt sich neben ihn, heult mit ihm denn Sandro will Kartoffeln. Sie Emma? *Schulterzucken* Ben: weisch, ist so ungerecht. Lara lag mit Unicorn im Bett, die schmusen rum, ich stand nackig daneben weisch Emma keine beachtet meinen heissen Körper. Lara ging ab wie eine Rakete. Keine beachtet meine Zündschnur. Bin dann mal weg hab ich gesagt. Weisch esch unfähr.
Und so heulen beide noch immer gemeinsam an der Bar.