Mario begegne ich in einer Warteschlange am Bellevue Zürich. Wir sind beide alleine da. Der Andrang ist sehr gross. Und meine Blase sehr voll. Ich brauche einen Komplizen, der mir meinen Platz frei hält. Hier kommt Mario ins Spiel.
Ich weihe ihn in mein Problem ein. Er hält die Stellung. Dass es nicht nur bei einem «Merci» bleibt, verdanken wir einer Amok-Mutter, die mich aufs übelste beschimpft, als ich mich mit leerer Blase vor Mario stelle. Sie solle sich beruhigen, ich sei seine Freundin, sagt er und legt selbstbewusst den Arm um mich.
Während zehn Minuten mimen Mario und ich das sich liebende Paar, das schon ewig zusammen ist. Wir reden über unsere imaginären Anfänge, über imaginäre Alkoholiker-Onkel, unser imaginäres Frettchen mit drei Beinen und über seine Mutter, die in einer Kommune in Peru lebt, wo sie Ayahuasca en masse konsumieren.
Das ist der Moment, in dem ich das erste Mal das Gefühl habe, in Mario verschossen zu sein.
Beim Abschied, die Amok-Mutter ist ausser Sichtweite, umarmt er mich einmal kurz und ist weg. Kein Eheversprechen, kein Nummerntausch, nicht mal ein unverbindliches «Bisch uf Instagram?».
Jetzt bin ich erst recht angetan.
Auf dem Heimweg versuche ich alle Infos zu speichern, die möglicherweise nicht fiktiv waren, um Mario daheim in aller Ruhe zu stalken.
Und tatsächlich. Ich finde seinen Instagram-Account:
Postwendend antwortet er:
Ich will Mario heiraten.
Ein paar Tage später bestellt er mich an die Uraniastrasse. Zum ersten Mal sehe ich die Sternwarte von innen. Ich bin verzaubert. Mario und ich. Ich fühl's. Und küsse ihn. Man feiert ja schliesslich nicht alle Tage imaginäre Jubiläen.
Ich nehme Mario mit nach Hause. Wo ich im wahrsten Sinn des Wortes mein blaues Wunder erlebe.
Aber von Anfang an.
Das erste Mal weise ich Mario im zweiten Stock zurecht. Das, nachdem er mich an die Klingel von Simone und Tom drückt, während er zu ungestüm an meiner Hose rumfummelt. Noch gehe ich von einfach unbändiger Leidenschaft aus.
Kaum habe ich die Wohnungstüre hinter uns geschlossen, zieht Mario mit voller Wucht an meinen Haare. «Na, gefällt dir das, du Luder?», fragt er zischend. Bevor ich mit einem sehr klaren Nein antworten kann, hat er bereits seine Hose runtergezogen. «Nimm ihn in den Mund, Baby», sagt er.
Ich stosse Mario weg. Und sage ihm, dass mich sein Dirty Talk abturnt. Er entschuldigt sich. Und sieht sich in meiner Wohnung um. Toll eingerichtet, findet er. Lustiger Mix aus verschiedenen Stilen, stellt er fest, als wäre nichts gewesen. Die Erotik aber, die ist dahin.
Mario lässt unser Kennenlernen Revue passieren. Er tut das mit sehr viel Witz. Mario hat eine bildliche Sprache. Sein Redeschwall bringt mich zum Lachen.
Für einen Moment verdränge ich sein Sex-Tourette. Bis er mich noch einmal packt, über meine Sofalehne wirft, küsst und würgt. «Das willst du doch, du kleine Sau du», sagt er. Jetzt drücke ich ihn mit ganzer Kraft weg.
Mario erstarrt. Es tue ihm schampar leid. Das Testosteron. Es sei einfach stärker als er. Er meine es absolut nicht respektlos. Im Gegenteil. Ich solle es als Zeichen seiner puren Geilheit verstehen.
Ich könne ihm im Gegenzug auch alles sagen und alles mit ihm machen, was ich will. Spucken, würgen, dem Tier in mir das Zepter überlassen. Wir können ja ein Codewort abmachen, falls es mir zuviel werde.
Das Gespräch kommt zu spät.
Zu spät für Mario und mich. Und zu spät für luftige Sommerkleider und Tank-Tops. Meine Beine und Arme zählen aktuell nämlich 3 grosse und 2 kleine Bläuelen in allen möglichen Farben. Das senfgelb ist schon fast ein bisschen faszinierend.
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch