Ich wollte es noch ein bisschen für mich behalten. Einfach für den Fall, dass wir nach zwei Stunden scheitern. Dann hätte niemand sagen können «ICH HABS DOCH GEWUSST, DU NUSS!»
Sandro und ich sind aber nicht nach zwei Stunden gescheitert. Auch nicht nach zwei Tagen. Nicht einmal nach zwei Wochen. Nein, das grosse Scheitern haben wir nicht zu vermelden.
Dabei wohnen wir jetzt zusammen.
Zur Probe.
Das geht so: Ein befreundetes Paar von mir macht ein Sabbatical. Das ist en vogue. Weil das Sabbatical-Paar viel Stutz hat, hat es auch eine geile Wohnung. Die jetzt unsere ist. Das Angebot kam sehr kurzfristig. Die Untermieter sind in letzter Sekunde ab- und wir aufgesprungen.
Wir haben jetzt 4,5-Zimmer, eine riesige Terrasse, mir viel zu viele Pflanzen, eine Küche mit Geräten, die ich nie im Leben benutzen werde und eine fucking Regendusche. Unter der man sehr gut vögeln kann. Sorry, liebe Mieter. Geht doch weg vom Internet und schaut aufs Meer. Liebe Grüsse.
Zurück zur Wohnung.
Wir haben ganz viel Zeugs weggeräumt und ganz viel Zeugs von uns angeschleppt. Am Kühlschrank hängen nun Bilder von unseren Leben. Und eines von uns. Herzig. Wohnlich. Gut.
Wir haben auch eigene Bettwäsche mitgebracht. In fremder Bettwäsche zu vögeln, finde ich irgendwie merkwürdig.
Kommendes Wochenende jedenfalls sind wir seit sechs Wochen da. Unser Zusammenwohnen hat ganz viel Tolles. Da ist jeden Tag und jeden Abend und jede Nacht und jeden Morgen der Mensch, den ich von Herzen liebe. Der mich ständig zum Lachen bringt. Und der so schön anzuschauen ist. Vor allem morgens. Mit diesen ungeschnittenen Haaren und dieser Morgenlatte.
Dieser immensen Morgenlatte.
Ich vermute, wir machen das, was alle Paare machen: Über Serien streiten, sich aufregen, wenn der andere den Müll nicht rausbringt, darüber chatten, was es zum Znacht gibt, und Burger im Bett essen.
Und sich manchmal sehr nach Me-Time sehnen. Und nach einem Wäschekorb, der nicht einfach so zwischen dreckigen Socken und Boxershorts steht, sondern seinen Zweck erfüllt.
Sandro derweil ist maximal genervt von meinem Snoozing-Verhalten. Ich stelle den Wecker früh. Um dann mindestens acht Mal zu snoozen. Wie kann man das nicht geil finden? Acht Mal schnallen, dass man nochmal schlafen kann?
Wenig Verständnis hat er auch für die paar Flaschen, die auf dem Badewannenrand stehen und laut ihm bei jedem Duschen in die Badewanne poltern. Duschgel, Shampoo, Conditioner, Körperpeeling, Haarmaske, Gesichtsmaske, Gesichtspeeling, Intimwaschlotion, you name it. Nun, Dudes: Willkommen im Leben einer Frau.
Alles halb so wild, first world Probleme. Könnte man meinen. Aber hey, shit, Sandro regt sich crazy auf. Die Snoozerei und die Badezimmer-Situation gepaart mit meinem Gemotze über das Schuh-Chaos vor der Türe und die Wäsche neben dem Wäschekorb nehme ihm die Freude am Leben, sagt er so dramatisch, wie er halt manchmal ist.
Dann lache ich. Dann haben wir Regendusche-Sex und alles schön und lässig, bis man halt wieder genervt ist. Und sich nicht einfach so schnell mal aus dem Weg gehen kann.
Wir haben nämlich die Abmachung, dass wir auch dann bleiben, wenn es streng wird. Wenn wir streiten, uns nach unseren Wohnungen sehnen und hässig sind. Die Hauptprobe soll echt sein.
Sie soll uns die Augen öffnen und für Klarheit sorgen: Ziehen wir final zusammen, oder nicht? Noch ist gar nichts entschieden, sage ich während ich diese Zeilen schreibe und sein Saupuff anstarre.
Aber es ist SEIN Saupuff. Wo «S» wie Sandro, da «S» wie Saupuff.
Vielleicht ist es wie «E» in Emma. Wo «E» wie Emma, da «E» wie Einemillionflaschenaufdembadewannenrand.
Auf dem Sterbebett dürften solche Lappalien keine Rolle spielen. Auf dem Sterbebett zählt anderes. Also gehe ich jetzt los, Sandro meine bedingungslose Liebe erklären.
Bevor er schnell Zigis holen geht.
In Australien.
One Way.
Und man soll nun glauben, dass eine mittelmässige Kolumnenschreiberin und ihr Bierdosen stapelnder Freund die Mieten für drei Zürcher Wohnungen gleichzeitig stemmen?