Ich kann mir schon vorstellen, dass es dieser Tage alles andere als leicht ist, ein Mann zu sein – vor allem auf Instagram. Die für Belfies (Selfies vom Füdli = Butt), Berglandschaften (#Wanderlust) und bedeutungsschwangere Zitate (Carpe Diem) bekannte Plattform hat nicht von irgendwoher einen weiblichen Nutzeranteil von gefühlten 98 Prozent generiert.
Das, was die übrigen zwei Prozent beim Upload veranstalten, tut trotz so mancher Bemühung in erster Linie beim Hinsehen weh. Liebe Männer, warum so viel Ego-Geprotze? Ist der dritte Schnappschuss vom Kitesurf-Kurs am Neusiedlersee tatsächlich eine Demonstration eurer Selbstwahrnehmung? Und wie viele Bilder eurer Gitarren wollt ihr noch hochladen?
Bio: I’m just a dreamer, I dream my life away
Der Sad-Indie-Boy, er postet am liebsten Fotos von, Überraschung: sich selbst. Von sich selbst mit der Gitarre, sich selbst mit der anderen Gitarre, sich selbst und seinen Bandies von hinten (FAMILY SINCE 2008 <3), sich selbst mit offenen Haaren, sich selbst mit fettigen Haaren und, worst case, sich selbst mit Manbun. Du weisst, du wirst in seinem Leben nie eine grössere Rolle spielen als Dosenbier vom lokalen Supermarkt. Zum Glück! Selbstverliebtheit kann so unsexy sein. Next.
Bio: Art student in London / Stella Models AT, VivaBerlin / 1995
Models sind die Trophäen jeder Influencerin und dem Indie-Boy gar nicht so unähnlich – naja, bis auf den kleinen Unterschied, dass diese tatsächlich gut aussehen und sich nicht hinter einem dicken Schwarz-Weiss-Filter verstecken müssen, sobald sie einen Aufzug mit unvorteilhafter Belichtung betreten.
Das männliche Model zeigt mit jedem Shooting, mit jedem Selfie am Pool (Hi Miami!), mit jedem «zufälligen Shot von dieser einen Fashion-Party» erneut, wie geil er sich nicht findet und dass ihm niemand auf diesem gottverdammten Planeten das Wasser reichen kann, sofern er nicht vorhat beim Zusammenpressen der Hinterzähne an einer geplatzten Halsschlagader zu sterben.
Wir werden sehen, was von seinem grosszügigen Charakter übrig geblieben ist, sofern er 31 Jahre alt werden sollte und tatsächlich ins Berufsleben eintreten muss.
Bio: Fun Fun Fun vor und hinter der Kamera / Für Moderationsanfragen gerne an kontakt@mail.ch
Alle, die von ihren Eltern weder zum Gitarrenunterricht gezwungen noch mit dem Gesicht vom jungen Jude Law gesegnet wurden um für den Rest ihres Leben mit genügend Liebesleben versorgt zu sein, haben in der Regel nur eine Wahl, um sich den gesellschaftlichen Aufstieg ohne Lottogewinn zu finanzieren: die anderen zum Lachen zu bringen. Weil, das lernt Frau doch schon von klein auf: Männer, die sind irgendwie automatisch lustig. Oder etwa doch nicht?
Das, was der Komiker optisch nicht bieten kann, versucht er durch Flachwitze und schlechte Pointen zu kompensieren. Eine Frau findet er nur dann lustig, wenn sie auch mit ihm darüber lacht.
Wenn ihm nichts mehr einfällt, launcht er selbstbedruckte Kollektionen mit peinlichen Sprüchen auf in Bangladesch produzierten Pullovern. Ab und an wird man ihn auch vor einem Greenscreen wiederfinden, vor dem er «lustige Posen» imitiert. Für Geld säuft er aus Trichtern und macht sogar noch im Schlaf Werbung für Unterhosenhersteller. Nur lustig, das sagt ihm natürlich keiner, geht definitiv anders.
Bio: Journalist / Head of Social Media, Instagram & Snapchat @FETTESMEDIENHAUS
Er ist ganz ganz dicke im Geschäft – und jeder vom Maturaball bis hin zum letzten Arbeitgeber soll es wissen. Auf seinem Account (der in erster Linie als Penisverlängerung dient) findest du neben Selfies mit den bekanntesten Influencern deiner Region (WARUM? Glaubt er, deren Fame färbt ab?) auch gerne Fotos mit dem Hashtag #feierabendblick #nachtschicht oder #newsroom. Er beweist nicht nur regelmässig seiner Freundin, wo er die meiste Zeit seines wahnsinnig männlichen Lebens verbringt: im Büro. Und darauf ist er mächtig stolz! Kann er auch sein – bis er sich mit Mitte 40 fragt, wo die eigentliche Essenz seines Lebens geblieben ist.
Was du sonst noch in seinem Feed finden wirst: gestellte Fotos vor Graffiti-Mauern, auf denen er keck in die Kamera lächelt und die Person, die das Foto gemacht hat, vertaggt als ob es sich um einen Schnappschuss für die World-Press-Photo-Ausstellung handeln würde – denn wir sind «alle sehr, sehr professionell» hier.
Wird auch gerne gepostet: Teamfotos von der letzten Weihnachtsfeier. Frei nach dem Motto: wenn der Laden untergeht, dann aber bitte gemeinsam mit allen anderen Hanswürsten hier.
Bio: living in Berlin ironically & playing music occasionally
Sein Instagram-Account ist genauso wack wie das Gemüse im Kühlschrank. Den Champagner kühlt er im Klo, Fritten isst er vom Boden: Hauptsache artsy und ohne Filter soll seine ausgefuchste Social-Media-Strategie auf dich wirken, wie Sonne nach wochenlangem Nieselregen.
Wie beim Indie-Boy ist die Musik sein Leben, nur in anders. Statt mit Gitarren sieht man ihn entweder in seinem Zimmer verschimmeln oder von Dunst umnebelt an den Mischpulten alternativer Kellerpartys stehen. Wichtig ist ihm auch, dass jeder im Umkreis von 278 Kilometern erfährt, dass er jeden Sonntag seit Weihnachten im Berghain war.
Ansonsten macht «der DJ» das, was andere arbeitslose Hipster in Berlin und Zürich auch machen: Avocado-Toast frühstücken, Milchkaffee schlürfen und sich darüber ärgern, warum noch nicht ein Porträt von ihm im Feuilleton-Teil irgendeiner Zeitung erschienen ist.
neutrino
Lasst doch die Leute leben! Mir gefällt der Kanninchenzüchter-Verein von Hinterfultigen auch nicht - aber die schaden doch niemandem. Sehr schweizerisch: kaum bewegt sich jemand, wird abgelästert.
Wenn jeder Quer- und Schwachkopf in den Senkel gestellt wird - entsteht auch nie was richtig Kreatives.
peerem
Society: "No, not like that."
Pipopipo