Die phänomenalen Erfolge von Gjon's Tears (3. Platz 2021) und Luca Hänni (4. Platz 2019) sind noch ganz frisch. Trotzdem bleibt die unvergesslichste Zeile der Schweizer ESC-Geschichte diese: «Wenn er nach Hause kam, nahm er sie in den Arm, wo er sie liebevoll auseinander nahm.» Ein (grösstenteils) verzückter Blick zurück auf allerlei helvetische Kuriositäten und Kostbarkeiten.
Platz 2 von 10: Lys Assia gewann zwar 1956 den ersten ESC mit «Refrain» und wurde 1957 mit «L'enfant que j'étais» Achte. Aber im Vergleich zum «Giorgio vom Lago Maggiore», mit dem sich in Ascona so schön Chianti trinken und Risotto «con molto amore» essen lässt, waren die beiden Vorgängersongs lahme Esel.
Platz 4 von 11: «Iiiiiiiirgendwoheeeer kommt übers Meer eine Liebesmelodiiiie!» Ein steiler Einstieg. Und wie sich Christa Williams aus einem Schweizer Bilderbuch blättert, ist bemerkenswert. Die Sehnsucht gehört allerdings nicht der Heimat, sondern ganz der «Fremde». Wo sich irgendwo einmal das «Märchen vom Glück» vollzogen hatte. Liebestourismus halt.
Platz 2 von 16: Die Israelin Esther Ofarim, auch bekannt als «der Spatz von Haifa», galt 1963 für viele als die eigentliche Siegerin des Wettbewerbs. Schöne Frau, schöner Song, eins der vielen Liebeslieder in dieser Liste, in deren Titel entweder «pas» oder «senza» vorkommen.
Platz 5 von 16: Paola kam, die Sonne ging auf und «es blühen Blumen, wo sonst nur der Strassenstaub ist». Das Kleid gilt übrigens als Kultkleid, jeder echte ESC-Fan dürfte die Anzahl der orangen Punkte auswendig kennen.
Platz 4 von 12: Sauberer Gesang, lüpfige Melodie, äusserst reduzierte, markante Körpersprache (man beachte den Daumen, der nicht mehr in der Jackettasche Platz hat, und die seltsamen Vor- und Seitwärtsbewegungen). Henri Dès im avantgardistischen Kugeldesign macht einfach Spass.
Platz 14 von 17: Piera Martell aus Jona hatte mit ihrem «Schrei nach Liebe» kein Glück, dafür ein geiles Kleid, das später oft und gerne für grosse Fantasy-Mehrteiler und die Serie «Game of Thrones» kopiert wurde. Cate Blanchett ersteigerte es 2012 bei Sotheby's für exakt 15'389 Dollar. Nein, Quatsch, natürlich nicht. Trotzdem ein geiles Kleid.
Platz 6 von 19: Wusstet ihr, dass dieser Gassenhauer und Überhit des deutschen Schlagers von einer Schweizerin, zudem einer St. Gallerin stammt? Ich auch nicht! Die fernöstliche Magie des Spiels mit den «Hölzchen» drückt sich auch in Simone Drexels Gewand aus. Eine besonders rätselhafte Geschlechterbotschaft wird hier übermittelt: «Wenn dich was nicht angeht, rühre nicht daran. Mikado, Mikado, spielt heute jeder Mann.»
Platz 6 von 18: Nun, es handelt sich hier zusammen mit dem Jahrgang 1990 um einen der Besorgnis erregendsten Schweizer Beiträge. Denn die Liebe, die im Schlager ja immer höchst problematisch ist, gilt hier nicht einer Frau, sondern einem Alphorn. 1990 dann einer Geige. «Wenn er nach Hause kam, nahm er sie in den Arm, wo er sie liebevoll auseinander nahm» – Sigmund Freud, analyse this!
Platz 4 von 20: Ahhh, the beauty of it all! Der schönste Schweizer ESC-Beitrag, der je geschrieben wurde. «Ich ohne dich, was täte ich. Ich könnt nicht atmen, gäb's dich nicht» Weshalb das Gesamtwerk von Peter, Sue & Marc ab Herbst als Musical zu erleben ist. Was vielleicht nicht nötig wäre. Aber dieses Lied! Der Schmetterling des Schweizer Musikschaffens! Und übrigens der vierte von vier Auftritten der Band am ESC. Und der erste von vier ESC-Songtexten von Nella Martinetti.
Platz 12 von 19: Pino G. war schon 1977 im Ensemble der «Swiss Lady» gewesen. 1985 klingt er wie ein anderer Schweizer Schnulzensänger, genau, der Dagobert! Die mackerige Verneinung von bindenden Gefühlen, die Dagobert so sehr mag, die besingt hier allerdings die Frau: «Und Liebe, nein Liebe, ein wunderschöner Tag, ich mag dich, doch Liebe, die muss nicht sein.» Der Text stammt übrigens von Trudi Müller-Bosshard, der Frau, die seit über 20 Jahren Kreuzworträtsel fürs «Magazin» schreibt.
Platz 2 von 20: Das weisse Fräulein, das so seltsam sachlich den weissen Flügel bearbeitet, fliegt hoch an diesem ESC, so hoch, wie seit Esther Ofarim niemand mehr geflogen ist. Besonders bemerkenswert: ihr Kragen! Und einmal mehr ihre Texterin: Nella Martinetti.
Platz 1 von 22: Here she comes, die Frau mit dem wohl grauenhaftesten Kleidergeschmack und einer der grössten Stimme des Showbiz. Das war der Wahnsinn, denn vom ersten Ton weg wusste man: So klingt der Sieg. Im Olymp der ESC-Sieger ist Céline Dion noch immer die Chefgöttin. Und erneut mit im Team: Nella Martinetti.
Platz 11 von 22: Der Österreicher Egon Egemann ist nun eben nach Pepe Lienhard der zweite Instrumentalerotiker: «Sie war allein, und niemand wollte sie. Ich sah sie an und war verliebt in sie. Sie wurde mein, es war so schön mit ihr ...» WTF.
Platz 5 von 22: Okay, hier seht ihr eine Mitarbeiterin des Schweizer Fernsehens bei einem gewiss irrsinnig lukrativen Nebenjob. Nicht ganz. Als unsere liebste Glamour-Moderatorin Sandra Studer nämlich 1991 unter einem Pseudonym am ESC auftrat, war sie erst 22 Jahre alt und noch weit vom Schweizer Fernsehen weg. Aber schon damals zu hundert Prozent telegen.
Platz 25 von 25: Siebenmal war Gunvor die Nummer eins, nämlich als Schweizer Meisterin im Stepptanz. Als sie jedoch 1998 nach Birmingham reiste, hatte sie das Glück schon verlassen: Nacktfotos waren aufgetaucht. Und was heute zur Social-Media-Grundversorgung jedes Stars gehört, war damals noch ein Makel. Der Geiger an ihrer Seite, der übrigens auch «Lass' ihn» geschrieben hat, heisst: Egon Egemann.
Am Dienstag, den 10. Mai, singt Marius Baer in Turin im 1. Halbfinale für die Schweiz.