Liebe Wohngemeinschaften, die ihr jetzt noch unschuldige Träume von einer Zukunft in der Zuckerwatte des Glamours habt – vergesst es! Denn so erfolgreich wie eine ganz bestimmte Schweden-WG werdet ihr niemals werden. Und das kam so: Ein paar Schwedinnen zogen zusammen nach London in eine winzig kleine Wohnung, in deren Küche so viele Schädlinge hausten, dass die Küchentür so gut wie immer geschlossen blieb. Eine der Schwedinnen ist Schauspielerin, die andern sind Musikerinnen. Alle wollen Karriere machen und tun's auch. Musikalisch kommt dieser Hit dabei heraus:
Und filmisch dieser Superstar, die neue Lara Croft mit dem Photoshop-Giraffenhals:
Alicia Vikander also. Ein Name, der gewiss vom harten, goldfarbenen Kandiszucker kommt ... Oder wie die «Schweizer Illustrierte» einmal schwärmte:
Aber kommen wir zur Sache: Alicia Vikander war in Zürich. Wenige Stunden lang, sie liess ihren Hinflug nach hinten legen und sagte kurzerhand alle Interviews ab, was ein bisschen unanständig war, aber auch verständlich.
Denn, so zeigte das schöne Wetter am ZFF wieder ganz betrüblich: Wenn sich der Filmkritiker mal aus der dunklen Höhle des Kinos hinausbewegt und ein Sonnenstrahl auf ihn fällt, beginnt er mit wenigen Ausnahmen sofort zu stinken. Wahrscheinlich ist es der Verwesungsgeruch der allmählich abgeschafft werdenden Feuilletons.
Für die Fans dagegen plauderte A.V. im vollen Filmpodium über Kindheit und Karriere, über die Sucht nach rosa Tutus, die sie als Vierjährige entwickelte, was in einer Profiausbildung zur Ballerina gipfelte, die ihr jetzt wiederum als Lara Croft zu Gute kam. Ballett, so beweist sie, ist die beste Grundlage für protofeministische Kampfbräute.
Und wie entwarf sie ihre Rolle als verführerische Roboterfrau Ava in «Ex Machina»? «Ich wollte ihre Bewegungen nicht mechanisch machen, sondern geschmeidig, vollkommener. Ein Mensch 2.0, erhaben, einfach ein bisschen besser als wir.» Ein Ballett-Roboter also. Den besten Trick gegen Paparazzi, erzählt sie, lernte sie von Keira Knightley beim Dreh zu «Anna Karenina»: «Keira kam jeden Tag in den gleichen Kleidern zum Dreh. Sie sagte: ‹So fotografieren sie dich nicht. Immer der gleiche Pulli ist für die völlig uninteressant.›» Das merken wir uns.
Bei «Anna Karenina» war es auch, dass in A.V. plötzlich das Bedürfnis erwachte, Produzentin zu werden: «Ich spielte eine Szene mit einer Kollegin und dachte plötzlich: Oh mein Gott, das ist das erste Mal in vier Filmen, dass ich eine Szene mit einer Frau spiele.» Damals war sie 24, und die Idee, eine Produktionsfirma zu gründen, die Frauen vor und hinter der Kamera fördert, war geboren. Nachdem sie 2016 ihren Oscar für ihre Rolle als Frau des Mannes, der zur Frau wird, in «The Danish Girl» gewonnen hatte, ging sie mit Vikarious Productions («vicarious» heisst «stellvertretend») an die Öffentlichkeit. In Zürich stellte sie nun den ersten Film vor, den sie als Produzentin verantwortet.
In «Euphoria» diskutierten Menschen in einem Hippie-Hospiz im Wald, ob das Leben erst wertvoll werde, wenn man mit dem Tod rechnen müsse. Ich schlief ein und träumte irgendwas über Hugh Hefner. Als ich erwachte, dachte ich: Oh! Gleich gibt's eine Sexszene zwischen A.V. und Eva Green, die schöne Schwestern mit grossen Problemen spielen! Gab's aber nicht, dafür Sterbehilfe. Es war deprimierend in seiner Banalität und ein esoterischer Riesenblödsinn.
Zum Kino kam A.V. übrigens so: Als sie ein Frühteenie war, tuschelten ihre Mutter und deren Freundinnen über den intellektuellen Sadomaso-Film «Die Klavierspielerin» von Michael Haneke. Heimlich schlich sich A.V. ins Kino. Und verknallte sich sofort in die verstörende und verstörte Isabelle Huppert und deren Kunst. Genau das wollte sie auch. Doch zuerst tanzte sie noch ein paar Jahre lang Ballett und spielte in ihrer Freizeit ganz zufrieden «Tomb Raider».
Abgesehen von ihrem Anfängerinnen-Versagen als Produzentin war die Frau, die jetzt gerade in unseren Kinos in «Tulip Fever» (der Film soll grottenschlecht sein) aufs Brutalste von Christoph Waltz terrorisiert wird und privat eine gewiss wundervolle und beneidenswerte Beziehung mit dem Schauspieler Michael Fassbender führt, ein holder Traum, eine frische Brise. Und von jeder Seite so schön, dass wir multipel geblendet von dannen gingen.