Ein Mädchen beschafft sich im Darknet eine Wunderpille: Sie enthält Bandwurm-Eier, wer sie schluckt, züchtet sich einen Bandwurm im Darm und der hilft – was sonst? –, beim Abnehmen. Spoiler: Der Bandwurm schlüpft tatsächlich und das ist eine sagenhaft schlechte Idee. Willkommen in den bitteren Abgründen der Model-Industrie.
Die kennen wir natürlich, und auch die Idee mit dem Bandwurm ist nicht neu, aber die 30-jährige Regisseurin Saulė Bliuvaitė aus Litauen entwirft in «Akiplėša (Toxic)» zum Glück eine Teenie-Welt, in der das Toxische nicht nur toxisch ist, sondern, wie Drogen und Träume es halt so an sich haben, immer wieder auch berauschend und eine kleine Flucht aus der fast unvorstellbar deprimierenden Tristesse einer Industriestadt, die sich und alle, die sie bewohnen, aufgegeben hat.
«Akiplėša» hat etwas Märchenhaftes, verlorene Kinder müssen eine Prüfung um die andere bestehen, die Rettung liegt im Zwischenmenschlichen, und jedes Mädchen möchte die schönste Prinzessin sein. Und das Monströse zeigt sich, als kurz nach einer Bandwurmdiskussion Dutzende von Mädchen von oben gefilmt wie ein menschlicher Tausendfüssler (nein, nicht an den Horrorfilm mit dem entsprechenden Titel denken, echt nicht!) vor einer Model-Mamma paradieren, gegen deren Zwielichtigkeit Heidi Klum ein reiner Engel ist.
Dieser Film hat nun den Goldenen Leoparden im Concorso Internazionale in Locarno gewonnen. Und dazu gleich auch noch den Preis für den besten Erstlingsfilm, denn Saulė Bliuvaitė hat zuvor nur Kurzfilme gedreht.
Ebenfalls im Concorso Internazionale gewann «Mond» von Kurdwin Ayub (Österreich) den Spezialpreis der Jury, während der Leopard für die beste Regie an Laurynas Bareiša (Litauen/Lettland) für «Seses (Drowning Dry)» ging. Die Preise für die beste schauspielerische Leistung wurden an Gelminė Glemžaitė, Agnė Kaktaitė, Giedrius Kiela und Paulius Markevičius für «Seses» sowie an Kim Min-hee, die Hauptdarstellerin von Hong Sang-soos (Südkorea) «Suyoocheon (By the Stream)», vergeben. Der Pardo d’Oro im Concorso Cineasti del Presente wurde an «Holy Electricity» von Tato Kotetishvili (Georgien/Niederlande) verliehen.
225 Filme in über 300 Vorstellungen waren in den letzten zehn Tagen in Locarno gezeigt worden. Ehrengäste wie der Regisseur Alfonso Cuarón («Gravity», «Roma») und die Regisseurin Jane Campion («The Piano», «The Power of the Dog») oder der indische Superstar Shah Rukh Khan und «Star Wars»- und «Indiana Jones»-Sounddesigner Ben Burtt führten zu Standing Ovations und Tränen der Ergriffenheit im Publikum.
(sme)