Der Mensch entdeckte das Feuer, das Rad, die Hose und Brad Pitt. Und Brad Pitt entdeckte den Männerrock. Nein, falsch. Brad Pitt gehört bloss zu jenen, die den Männerrock im vergangenen Jahr wieder einmal ins Gespräch brachten. Wenn ich mich richtig entsinne, zum circa 35. Mal, seit ich Männer kenne. Immer läuft irgendeiner in einem ungeteilten Beinkleid durchs Bild und immer wird das wieder zum Hype gestylt.
David Beckham wickelte sich 1998 einen Sarong um die Beine und ging damit in London in den Ausgang, er und Victoria fanden das hot. Comedians liebten ihn dafür, Fussballfans hassten ihn. King Charles hat viele schöne Momente seines Lebens im Rock verbracht, im Schottenrock natürlich, im Kilt, dem karierten, rückseitig komplex gefalteten Woll-Wickelrock, der auf der Insel um 1700 in Mode kam.
Doch tatsächlich hat man selten so viele Männer in Röcken gesehen wie an der aktuellen Paris Fashion Week. Robert Pattinson zum Beispiel. Und der wagemutigste Teil des männlichen Publikums. Denn: «Es kann schwierig sein, einen gewagten Trend selbst auszuprobieren – dazu gehört Mut und Selbstvertrauen, kann aber genau deswegen umso lohnenswerter sein. Warum also nicht einfach mal einen Rock rocken?», riet das Männermagazin «GQ» schon im August 2022.
Den Rock rocken also. Als ob Männer jemals gross was anderes getan hätten. Erste Darstellungen von Kleidern aus Stoff sind gut 20'000 Jahre alt. Die Hose wurde vor etwa 3000 Jahren in Zentralasien erfunden. Damals begannen die Menschen, Pferde zu domestizieren. Und weil die diversen gewickelten Unisex-Tücher, die Männer und Frauen jahrein, jahraus trugen, nicht zum Reiten taugten, entwickelten sie das gegabelte Beinkleid. Es bestand aus weniger Material, war aber vergleichsweise kompliziert in der Herstellung, weil mehrere speziell zugeschnittene Teile zusammengenäht werden mussten.
Wer vornehm war, besass zwar Pferde, trug aber keine Hosen. Denn Hosen trugen jene, die arbeiten mussten, Sklaven, Bedienstete, Frauen. Hosen waren Weiberkleider. Als berühmteste Hosenträgerinnen galten damals die Amazonen der Antike. Erst durch die römische Militärmode wurden Hosen auch mannheitsfähig. Und da begann die Geschlechterteilung der Mode. Jedenfalls der westlichen. Und weltlichen. Der Klerus kleidet sich bis heute in Roben. Menschen in wärmeren Weltgegenden blieben weiterhin bei leichten, gewickelten Tüchern.
Die Französische Revolution führte zu einer weiteren Reduktion des Aufgebauschten, Dekorativen, Höfischen. Die industrielle Revolution sorgte für einen Boom praktischer Kleidung, an Fabrikmaschinen war kein Platz für wallende Gewänder und gefährlich waren sie obendrein.
Dies ist nun ein sehr verkürzter Ritt durch die Modegeschichte, es gäbe da noch einiges, was sich mit den Jahrhunderten vom einen auf das andere Geschlecht übertrug, gerade am Bein, auch Strümpfe gehören dazu. Es ist bloss ein Reminder, dass auch Männer weit länger den Rock rockten als die Hose.
Und damit sind wir nun im Heute, und Brad Pitt sagt über sein Leinenensemble bei der Premiere von «Bullet Train»: «Wir werden alle sterben, also lasst uns Spass haben.» Spass, Freiheit, den Sommerwind an den Beinen spüren oder zu seiner Identität finden – all dies wird dem Männerrock gerade zugeschrieben.
Er findet sich bei Männern in ebenso vielen Varianten wie bei den Frauen: als ausladende Robe bei Billy Porter, als Abendkleid bei Conchita Wurst, als Feengewand bei Harry Styles, als Bühnenkostüm bei Lil Nas X, als alltagstauglicher Faltenrock bei Oscar Isaac oder Basketballer Russell Westbrook, als Teil eines Dreiteilers bei Stromae, als asiatisch-schlichtes Understatement-Statement bei Jung Jae-il, dem Komponisten von «Squid Game».
Es hat heute vieles Platz im Männerrock: barocke Prachtentfaltung oder ein ganzer Werkzeugkasten im Workwear-Wickelrock von Blåkläder. Mal ist er woke, mal betont er den Bloke, den Kerl, und dessen trainierte Waden. Mal tragen ihn LGBTQ-Ikonen, mal Hetero-Recken, derart unisex war der Rock noch nie.
TikTok liebt ihn, als Kleidungsstück ist er weit schillernder als Hosen, es gibt Internetforen für Guys in skirts, in denen man lernt, Vorurteile und Hemmungen abzulegen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch von männlichen Prominenten erotisch gemeinte Upskirt-Fotos gibt.
It's a thing. Jedenfalls auf den Laufstegen und roten Teppichen. Ob der Männerrock in absehbarer Zeit auch das Strassenbild erobert, ist wohl eine Frage von Mut und Selbstvertrauen.
Finde den trend zu unisex Kleidung eh sehr gut; jeder darf tragen, was er möchte.