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Interview

Endo Anaconda von Stiller Has im Interview über Gott und dumme Menschen

Endo Anaconda: «Ich vermisse meine Freunde»

Video: watson/Adrian Müller, Nico Franzoni
Interview

Endo Anaconda: «Bullen sind keine Schweine, Bullen sind Bullen»

Als Künstlernamen wählte Endo Anaconda eine Riesenschlange, der Name seiner Band ist eine «kryptokatholische» Wort-Kombination. 2019 begleiteten wir ihn bei der Entdeckung seines Heimatorts und dessen ersten Besuchs. Ein Bericht über die Reise eines Künstlers zu seinen Wurzeln.
02.02.2022, 20:5902.02.2022, 22:01
Klaus Zaugg und Bruno Wüthrich
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Dieser Artikel erschien im August 2019. Anlässlich des Todes von Endo Anaconda veröffentlichen wir die Geschichte erneut – anstatt eines klassischen Nachrufs. Die Zeitformen haben wir nicht angepasst.

Wo ist der Treffpunkt? In Auswil? Aha, das sei ja sein Heimatort! Da sei er noch gar nie gewesen. Gut, also dann im «Rössli» zu Auswil. Der einzigen Beiz im Ort. Das passe prima. Er wohne ja im Trub hinten in einem Stöckli und seine Freundin lebe unten in Erlinsbach. Da sei Auswil ja fast auf halbem Wege. So beginnt die Geschichte mit Andreas Flückiger. Und er besteht gleich auf dem Du.

Er heisst zwar tatsächlich Andreas Flückiger. Aber die Welt kennt ihn unter dem Namen Endo Anaconda und er ist der «Leitwolf» der Gruppe «Stiller Has».

Treffpunkt ist also das «Rössli» zu Auswil kurz nach 13.00 Uhr. Wir haben schon gegessen, als er eintrifft. Nein, nein, er habe schon zMittag gehabt und er müsse sowieso aufs Gewicht schauen.

Flückigers Andreas wehrt sich noch ein wenig. Schaut auf seinen Bauch. Sein Widerstand erlahmt.

Aber Priska Fiechter, die freundliche Wirtin, erklärt ihm, es gebe feine «Läberli.» Flückigers Andreas wehrt sich noch ein wenig. Schaut auf seinen Bauch. Sein Widerstand erlahmt. Schliesslich munden ihm die «Läberli.»

Wer ist Andreas Flückiger beziehungsweise Endo Anaconda? Eine ungemein charismatische Persönlichkeit. Ganz sicher genussfreudig und mit faszinierendem Wortwitz, sehr belesen und doch bescheiden. Er redet sich in Feuer und Zorn und wenn wir schon fast meinen, einen Ideologen vor uns zu haben, nimmt er mit feinem Humor und Ironie seinen Worten den Stachel. Sozusagen Renaissancemensch mit Witz und Verstand.

Auswil
Endo Anacondas Heimatort Auswil ist eine Gemeinde im bernischen Oberaargau mit lediglich 464 Einwohnern und 4,62 Quadratkilometer Fläche. Auswil besteht aus den Weilern Aerbolligen, Hermanndingen, Oberauswil, Unterauswil, und Betzisberg. Hier ist uraltes Bauernland in einer intakten Kulturlandschaft auf 690 Metern Höhe. Der Wanderweg von Huttwil nach Langenthal führt über die Hochebene, auf der das Dorf liegt. Der Wanderer hat eine grandiose Rundsicht vom Glärnisch über die Innerschweizer und Berner Alpen bis zum Stockhorn, den Hügelzügen des Napf, den Jurahöhen und weit über das davorliegende Mittelland. Hier ist ein wenig Disney-Land-Schweiz.

Wir wollen erst einmal wissen, woher um alles in der Welt die Bezeichnung «Stiller Has» kommt. Ob damit tatsächlich ein Hase gemeint sei. «Ja, natürlich. Es ist eine Mischung aus Ostern und heiliger Abend. Aus Osterhase und Stiller Nacht. Sozusagen. Kryptokatholisch.» Das passe doch wunderbar in die Zeit. «Begriffe ändern ihre Wertigkeit. Ostern im Schnee, Weihnachten im Klee.» Da blitzt der Revoluzzer auf.

Und wie ist es mit dem Künstlernamen Endo Anaconda? Er lacht. «Anaconda tönt gut, nicht wahr. Mit Flückiger hätte ich doch keine Karriere machen können.»

Aber Anaconda ist ja eigentlich der Name einer Riesenschlange, die im Amazonas-Urwald lebt. Sie kann fast 10 Meter lang und über 100 Kilo schwer werden. Die könne doch wohl nicht ernsthaft gemeint sein. «Doch, doch, genau die meine ich. Ein heiliges Tier für die Indianer und ein Satan für die Christen. Ach, die hat ein schönes Leben. Die frisst alle paar Monate einen Tapir und das reicht ihr. Sonst muss sie nichts tun. So hätte ich es auch gerne.»

Und der Endo? Woher kommt der? Ein echt ungewöhnlicher Künstlername. «So? In Japan ist er sicherlich geläufig. Er kommt aus meiner Zeit in Österreich. Eigentlich sollte es Ändu heissen. Aber meine Freunde in Wien konnten nicht Ä oder U sagen, das hat sprachhistorische Ursachen. Dass sie Ä und U nicht sagen können, sieht man ja auch daran, dass sie die EU nicht mögen und europakritisch sind. So ist Endo entstanden. Zudem hiess der Vorgänger und Nachfolger meiner damaligen Freundin ebenfalls Ändu. Also ging dieser Name sowieso nicht.»

«Bullen sind doch keine Schweine. Das sagt uns schon die Zoologie. Bullen sind Bullen. Jemand muss den Job machen.»
Endo Anaconda

Hat er gezielt seine Künstlerlaufbahn aufgebaut? «Nein, nein, das hat sich so ergeben. Ich konnte mir nie vorstellen, von der Kunst zu leben. Ich arbeitete, blieb aber immer nur, so lange es mir Spass machte. Deshalb wechselte ich oft die Stelle.» Mit der Kunst habe er eigentlich in der Reitschule angefangen.

Vielbeachteter Künstler: Endo Anaconda mit Stiller Has auf dem Gurten. Bild: KEYSTONE

Was, in der Reitschule? Das möchten wir dann doch genauer wissen.

«Ja, ja, in der Reitschule. Idioten sagen, es sei ein Schandfleck und die Bürgerlichen hassen sie.» Aber er möge die Reitschule und bevor man ihn in eine Schublade stecken kann, ist er schon wieder entschlüpft: Er verteidigt auch die Polizei, die ja auch ab und an in der Reitschule zu Gange ist. «Bullen sind doch keine Schweine. Das sagt uns schon die Zoologie. Bullen sind Bullen. Jemand muss den Job machen. Es tummeln sich in der Reitschule ja nicht nur Chaoten und Dealer. Es sind doch viele Leute dort, die eine wertvolle Kultur- und Sozialarbeit leisten. Viele Jugendliche können es sich auch nicht leisten, einen Abend lang in der Beiz zu hocken.»

Gelernt habe er das Handwerk des Buch- & Siebdruckes. «Die Buchdruckerei ist inzwischen fast ausgestorben. Ich wollte sowieso nicht 40 Jahre durchgehend fünf Tage in der Woche an der Druckmaschine stehen und wechselte, wie ich schon gesagt habe, öfters die Stelle. Ich merkte bald, dass es auch mit weniger geht. Ich ging zwei Monate auf den Bau und konnte dann ein ganzes Jahr leben. Ich verdiente damals mehr als ich heute mit der gleichen Arbeit verdienen würde. Die Löhne waren Mitte der 1980er Jahre höher als heute. Aber es war schampar hart.»

«Aber ich war sowieso zu faul, um ein Instrument zu lernen.»
Endo Anaconda

Spielte er schon früh ein Instrument? «Nein, ich habe in Kärnten im Kirchenchor gesungen.» Er sei inzwischen aus der Kirche ausgetreten. Er sei ja schon bald AHV-positiv. «Wenn einmal der Tod kommt, will ich Ruhe haben. Kein Paradies und kein Fegefeuer. Sonst muss ich dort noch helfen, die armen Büblein vor den Priestern zu retten.»

«Aber in der Familie hatten wir die Musik in der DNA. Mein Grossvater Fritz aus Trachselwald war ein Handörgeler, komponierte auch Stücke und spielte in einer Kapelle. Ich bin manchmal zu den Klängen eines Ländlers und den Geschichten der Grossmutter eingeschlafen. Und ein Schottisch ist doch wunderschön.» Aha, also Ländler noch im Ohr, aber singen im Kirchenchor. «…und Rock’n’Roll natürlich. Also damals progressive Popmusik. Beat. Bis ich erstmals richtig den Blues hörte.»

Und tatsächlich: Manchmal sind seine Lieder ja melancholisch, wie Blues. Aber er relativiert: «Blues ist schwer zu definieren, das ist mehr eine Frage der Haltung.»

Warum spielt er kein Instrument? «Vor 35 Jahren ist eine Mineralwasserflasche in meiner Hand explodiert und hat zu viele Nerven durchtrennt. Aber ich war sowieso zu faul, um ein Instrument zu lernen.»

Endo Anaconda
Endo Anaconda wurde als Sohn einer österreichischen Mutter und eines Schweizer Vaters geboren. Seine Kindheit verbrachte er zunächst in Biel. Als Fünfjähriger verlor er seinen Vater, einen Polizisten, als dieser tödlich verunglückte. Mit zwölf Jahren wurde er in ein Internat nach Klagenfurt geschickt; später zog seine Familie dorthin nach. In Wien absolvierte er eine Lehre als Siebdrucker.
In den frühen 1980er-Jahren kam er in die Schweiz zurück und spielte in verschiedenen Berner Musikgruppen, unter anderem bei Caduta Massi und den Alpinisten. 1989 gründete er mit Balts Nill die Band Stiller Has und brachte mit ihm zusammen ihre erste gemeinsame MC mit dem Titel «Stiller Has» heraus. Seither sind acht weitere Studioalben und zwei Live-Alben produziert worden.
Er war zudem regelmässiger Kolumnenschreiber in der «Berner Zeitung» unter dem Pseudonym Bärbeisser und für die «Coopzeitung».
2005 erschien eine Auswahl seiner Bärbeisser-Kolumnen unter dem Namen «Sofareisen» im Ammann Verlag; damit war er fast ein halbes Jahr auf Platz 1 der Schweizer Buchbestsellerliste. Ab 2007 schrieb er auch für das Magazin «Faces».
Endo Anaconda hatte drei Kinder von drei Frauen und lebte seit 2018 in Erlinsbach (AG) und in Trub.
Er starb in der Nacht auf den 2. Februar 2022.​

Warum eigentlich Österreich? «Nach dem Unfalltod meines Vaters zog meine Mutter nach Kärnten und in Wien machte ich meine Lehre. Ach, das morbide Wien, da sparen die Leute noch heute auf ihre erste Stereoanlage.»

Kann man denn von der Kunst leben? «Ich empfehle, einen anständigen Beruf zu erlernen. Wenn Du nicht den inneren Drang zur Kunst hast, dann lass es sein. Oder Du musst reiche Eltern haben. Was ich sowieso empfehle. Dann kann man erben. Ja, so ist das heute. Alles ist doch akademisiert, die kommen alle von der Pop-Akademie und singen Englisch, weil sie meinen, sie haben so internationale Perspektiven. Aber sie haben nicht einmal eine nationale und enden schliesslich als Musiklehrer. Wenn Du von der Musik leben willst, musst Du mindestens 50 Konzerte im Jahr spielen. Wer das durchhält, ist entweder begabt oder wahnsinnig. Aber Wahnsinn, das ist ja auch Kunst.»

Würde er eigentlich gerne mit Francine Jordi singen? «Ich freue mich immer, wenn ich sie treffe, Francine ist ein lustiges Wesen und singen kann sie auch. Ein Duett mit ihr wäre ein Skandal ganz nach meinem Geschmack.»

Wir möchten wissen, woher er seinen Wortwitz hat. «Es gibt kein Rezept. Es gibt keinen Lehrgang für Poesie. Aber es gibt hundert Zugänge zur Poesie.»

«Ich bin dreimal geflogen. Als Kind mit der Swissair von Klagenfurt nach Kloten, einmal nach Nepal und einmal nach Curacao in die Karibik. Ich habe keine Flugangst. Ich finde es bloss einen Seich.»

Und wie kommen Dir die Texte in den Sinn?

«Das ist unterschiedlich. Manchmal entstehen sie wie aus einer Situationskomik. Oder aus meinen Ängsten. Ich lese viele verschiedene Printmedien und Dinge wie die Anschläge in Sri Lanka und Christchurch gehen mir unter die Haut. Mir fehlt die Distanz. Es gibt keine Sicherheit mehr, auch bei uns nicht. Wir wiegen uns nach zwei Weltkriegen, in die wir nicht hineingezogen worden sind, in einer falschen Sicherheit. Die Klimawalze, die auf uns zurollt, nicht zu beachten, ist die Hölle. Man kann warten, bis alles kaputt ist. Das ist dann Politik. Wenn doch schon Frau Gössi grün wird vor Ärger, ist etwas nicht mehr normal.»

Aha, da spricht nun ein Radikaler! «Ach was. Ich habe doch auch keine Lösung, ich sehe nur die Probleme und vertraue einfach auf die Vernunft und das Gute im Menschen.» Er fliege nicht mehr. «Ich bin dreimal geflogen. Als Kind mit der Swissair von Klagenfurt nach Kloten, einmal nach Nepal und einmal nach Curacao in die Karibik. Ich habe keine Flugangst. Ich finde es bloss einen Seich. Kürzlich reiste ich mit meinen Kindern im Nachtzug nach Wien. Es war wunderbar. Aber die SBB wollen alle Nachtzüge abschaffen. Nach Rom kann man schon nicht mehr mit dem Nachtzug reisen. Zugfahren ist wunderbar. Es ruckelt und zuckelt und die Landschaft zieht vorüber.»

«Einen gewissen Prozentsatz Deppen hat der liebe Gott halt unabhängig von Religion, Partei und Hautfarbe erschaffen.»
Endo Anaconda

Könnten wir Dich als Anarchisten bezeichnen? Zumindest als verbalen Anarchisten? «Was sind schon solche Worte. Ich bin in keiner Partei, das ist mir zu schubladig. Es hat in jeder Partei Knallköpfe. Sorry, Namen sage ich jetzt keine. Einen gewissen Prozentsatz Deppen hat der liebe Gott halt unabhängig von Religion, Partei und Hautfarbe erschaffen. Dazu zehn Prozent miese Charaktere, einen gewissen Prozentsatz Arschlöcher und Leute, die nicht viel denken, sowie ein grosser Prozentsatz Mitläufer, die, wie das Wort sagt, mitlaufen und Angst haben. Ein kleiner Teil ist dazu verurteilt, die Wahrheit zu sagen. Heute kann man ja nicht einmal mehr das Wort «trocken» sagen, ohne dass es politisch wird. Aber man sollte doch Tatsachen sagen dürfen!»

Stiller Has. Bild: KEYSTONE

Du bist schon fast radikaler und sozialkritischer als unser aller Jeremias Gotthelf. «Ich stehe auf dem Boden der Verfassung, aber in dieser Verfassung steht nicht, dass unsere National- und Ständeräte von Verwaltungsratsmandaten leben sollen, deren Interessen sie dann vertreten, statt die des Volkes. Und in der Verfassung steht auch nicht, dass Verantwortung tragen bedeutet, zurückzutreten und Abfindungen und Pensionen zu kassieren. Ich stehe auf dem Boden der Verfassung und sage: Zahlt die Politiker gut und verbietet ihnen Verwaltungsratsmandate.»

«Aber gewisse Personen mag ich nicht, obwohl sie grün sind.»
Endo Anaconda

Wen wählst Du also? «Personen, die mir sympathisch sind.» Wer ist Dir sympathisch? «Vielleicht Regula Rytz. Aber gewisse Personen mag ich nicht, obwohl sie grün sind. Solche beispielsweise, die sagen, ich bin gegen Uferwege, weil dort mein Komposthaufen steht».

Da er sich so schön in Hitze geredet hat, geht es gleich weiter mit ein bisschen Politik. Die Annahme, der Blocher kümmere ihn nicht, sei falsch. «Wer Macht hat und dumm ist, den muss man ernst nehmen. Dummheit hat nichts mit Intelligenz zu tun. So wie Bildung nichts mit Herzensbildung und Charakter zu tun hat.» Gewisse Anliegen der SVP seien ja gut. Beispielsweise der Schutz der Bauern. Aber mit gewissen SVP-Granden habe er ein Problem. «Der Luzi Stamm hat gekokst. Dabei war er als Gerichtspräsident ein harter Hund.»

Wie wäre es denn mit der CVP? «Die sind teilweise anrüchig. Scheinheilig. Da ist doch einer dieser CVP-Politiker, der ausserehelich mit einer Praktikantin ein Kind gezeugt hat. Das ist nicht schlimm. Aber ganz schlimm ist, öffentlich zu sagen, es sei ein Fehltritt gewesen. Was soll das arme Kind einmal denken, wenn es vernimmt, dass es seine Existenz einem Fehltritt verdankt? Er soll doch sagen, es sei schön gewesen mit der Frau und der Rest gehe uns gar nichts an. Aber nein, da sagt dieser Christ, es sei ein Fehltritt. Das ist respektlos auch gegenüber der Frau und dem Kind.»

Die Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesgerichts am Mittwoch, 24. September 2014, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Die Vereinigte Bundesversammlung. Wen wählst Du also? «Personen, die mir sympathisch sind.» Bild: KEYSTONE

Und warum gehst Du nicht in die Politik? «Weil es nicht meine Aufgabe ist. Jetzt geht es beispielsweise ums Rahmenabkommen. Alle Parteien sind dafür. Dabei geht es darum, die Löhne zu drücken. Das ist die Geldgier des Neoliberalismus. Bei uns sind alle Mittelschicht. Untere Mittelschicht. Obere Mittelschicht. Aber Mittelschicht ist ja schon jemand, der sich gerade noch einen Leasingvertrag für einen Schummeldiesel leisten kann und sich damit verschuldet.»

Aber halt, Du fährst doch auch einen Diesel. «Der ist für mich ein Werkzeug.» Aber nicht gut fürs Klima! «Man hat mir aber eingeredet, er sei gut und man habe ihn angepasst. So mit einem Plastikröhrli. Und was passiert, wenn ich ihn verkaufe? Dann geht er nach Afrika und dort unten fährt er dann ohne Abgaskontrolle 20 Jahre weiter und verpestet die Luft. Also fahre ich ihn hier mit Abgaskontrolle. Wir können uns gewissen Zwängen nicht entziehen.»

«Die ‹Arena› ist für mich unerträglich. Da herrscht keine Diskussionskultur. Vor allem wenn Martullo-Blocher sich durch die Sendung schreit.»
Endo Anaconda

Er fliege garantiert nicht mehr. «Und wenn wir auf Tournee gehen, dann nur noch mit einem Auto. Früher fuhren wir mit vier Kombis zu unseren Auftritten. Das Material wird kleiner. Man kann, wenn das Material verpackt ist, auch mit dem Zug reisen. Jetzt fahre ich halt meinen Diesel schonungsvoll zu Boden. Dann wird halt mein nächstes Fortbewegungsmittel ein Elektroauto, weil man mir einredet, das sei gut. Ich hoffe, dass sie den Winterkorn (den Ex-VW-Chef – die Red.) einbuchten.»

Nun ja, Anklage ist schon erhoben. «Ja, ja, aber der hat zu viele Freunde. Demokratie ist halt ein wenig wie Religion. Wenn man nicht dran glaubt, ist es nicht gut, und wenn man nicht dafür kämpft, erst recht nicht. Man muss mindestens den Arsch heben und abstimmen gehen.»

Arena vom 17.5.2019
Das EU-Puzzle
Moderator Sandro Brotz mit seinen Gästen Albert Rösti, Monika Rühl, Lukas Bärfuss, Christian Levrat

Copyright: SRF/Oscar Alessio
Da schaut er weg: Die «Arena» ist für Anaconda unerträglich.

Nun kommen wir auf die Medien zu sprechen. «Also bei drei Sendungen schalte ich sofort um: bei Tennis mit Roger Federer. Warum immer das blöde Tennis? Seine Interviews sind so langweilig. Bei ‹Glanz und Gloria› schalte ich auch ab, ein grausiges Interieur und belangloses Geplauder. Die ‹Arena› ist für mich unerträglich. Da herrscht keine Diskussionskultur, die könnten sich von den Klimajugendlichen etwas abgucken. Vor allem wenn Martullo-Blocher sich durch die Sendung schreit.» Er möge das «ARD-Morgenmagazin». «Die Deutschen schaffen es, jeden Morgen eine Liveband aufspielen zu lassen, zum Beispiel Faber oder Stefanie Heinzmann.» Und was ist denn mit «SternstundePhilosophie»? «Eine Sendung, die ich fast immer anschaue.»

Wir wenden ein, dass er doch für ein «Nein» zur Abschaffung der TV-Gebühren geweibelt habe. Bereust Du das? «Nein, nein, es gibt ja auch Supersendungen wie die ‹Rundschau›, ‹10 vor 10› und Dokumentarfilme. Es kann ja nicht sein, dass nur noch die, welche das Geld haben, über die Medien bestimmen.» Er informiere sich sowieso aus Zeitungen, nicht übers Smartphone. «Da bin ich alte Schule. Es hat auch etwas mit Genuss zu tun. Ich will lieber eine frische NZZ als ein verschmiertes Tablet. Wenn ich es mir leisten könnte, hätte ich einen Butler, der mir jeden Morgen die Zeitung glättet.»

«Meine ersten Auftritte endeten immer mit Polizeieinsätzen.»
Endo Anaconda

Nun ist gut, wir verlassen die Politik und wenden uns wieder der Musik zu. Erinnerst Du dich noch an Deinen ersten Auftritt als Musiker? «Ja, ja, ich sang mit der Demo-Band Caduta Massi in der Inneren Enge in Bern. Man musste abbrechen wegen der Begeisterungsstürme. Meine ersten Auftritte endeten immer mit Polizeieinsätzen».

Warum? «Weil wir so laut waren. Wenn wir nur schon die Elektrogitarren über die Strassen trugen, wurde damals nach der Polizei gerufen: Zu laut! Zu laut!» War es damals lauter als heute? «Nein, so ein Krawall wie heute bei den Festivals war das nicht.»

Es gibt noch ein Thema, das im Bernbiet nicht fehlen darf: Wie hast Du es eigentlich mit dem Sport? «Meine Freundin läuft Marathon.» Da machst Du mit? «Ja, ja, ich habe schon mitgemacht. Ich durfte bei einem Victor-Röthlin-Lauf den Startschuss abgeben. So mit einem 38er Revolver. Das hat ganz schön gekracht und es hat mich fast umgehauen.»

Also doch kein aktiver Sportler? «Doch, ich schiesse gern.» So, so, aber über die SVP herziehen? Das passt nicht. «Ach was, ich schiesse höchstens mit dem Luftgewehr.»

Und schliesslich die Frage aller Fragen: YB und SCB? «Eishockey ist mir zu schnell, ich würde gern für die Tiger jubeln, aber auch zLangnou ginge es mir zu schnell. Ich bin YB-Fan. Natürlich. Ich habe huere Freud, wenn sie gewinnen.»

Und wenn der SCB gewinnt? «Natürlich habe ich auch Freude, wenn die gewinnen, aber noch mehr Freude habe ich, wenn Langnau gewinnt. Langnau, das Emmental braucht etwas, das uns zusammenhält.»

Wo er recht hat, da hat er recht.

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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FITO
07.08.2019 18:38registriert April 2019
Was für ne Wiuude Has dä Ändu!
Vom schönen Breitsch nach Trub.
Die Wege des Endo sind unergründlich.
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Humpe
07.08.2019 16:31registriert Februar 2014
Geile Siech.
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Delay Lama
07.08.2019 16:34registriert Oktober 2016
Schöner Artikel, danke!
Endo ist immer unverbogen, gerade und sich selbst. Ich mag ihn. Der Schweiz tun Künstler*innen wie er gut.
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50
So hätten die Logos grosser Firmen im Mittelalter ausgesehen – vermutlich

Wie hätten wohl Logos von grossen Firmen und Unternehmen früher ausgesehen? Eine Frage, auf die wir wohl nie eine Antwort bekommen werden … oder doch?

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