Japans Kreativbranche hat seit Jahrzehnten ein Problem mit heftigen Ausbeutungsstrukturen. In den 1960er-Jahren waren zum Beispiel die Arbeitsbedingungen in der Animationsabteilung des grössten Studios Toei Doga brutal. Kreativschaffende produzierten täglich Hunderte Zeichnungen, stets unter dem Druck kurzer Abgabefristen. Überarbeitung war normal, sogar Tote soll es gegeben haben.
20 Jahre später gründeten die beiden Mitarbeiter und Gewerkschaftsmitglieder, Hayao Miyazaki und Isao Takahata, eine eigene Schmiede: Studio Ghibli. Sie wollten es anders machen, inhaltlich wie auch in puncto Bedingungen. Aus der Gegenwart heraus betrachtet, bleibt Ghibli aber ein Ausreisser.
Noch immer werden Arbeitskräfte in Animationsstudios verbrannt, noch immer brechen viele zusammen, wie unter anderem ein Bericht der Vereinten Nationen zeigt.
Die Hauptpunkte des Berichts:
Jetzt reagiert Japans Regierung.
Die japanische Wettbewerbsbehörde, Japan Fair Trade Commission (JFTC), untersucht derzeit die Arbeitsbedingungen der Animator*innen der Zeichentrickstudios. Über ein Online-Formular können die Angestellten ab sofort Rückmeldung zu den Bedingungen in ihren Studios geben.
Themen sind Arbeitsverträge, die Bezahlung, plötzliche Auftragsstornierungen, geforderte Änderungen und Korrekturen ohne Vergütung und die Ausgestaltung der Zeitpläne, sprich Deadlines.
Die JFTV gleicht die gemeldeten Fälle mit dem Antimonopol-, dem Subunternehmer- sowie dem Freiberufler-Arbeitsgesetz ab. Ende 2025 sollen die Erkenntnisse veröffentlicht werden.
Erst kürzlich hatte die JFTC ein Unternehmen abgemahnt, welches 23 Künstler*innen zu insgesamt 243 Nachkorrekturen ohne Vergütung gezwungen hat.
Ob der UN-Bericht und/oder der Aufschrei seitens Netflix damit zusammenhängen, ist nicht bekannt. Genauso wird sich zeigen, ob nach Veröffentlichung der Untersuchung wirklich Massnahmen folgen. Wie gesagt, Ausbeutung ist im Anime-Sektor seit Jahrzehnten ein bekanntes Problem.
Vielleicht braucht es noch mehr Gewerkschafter wie die Studio-Ghibli-Gründer. Da die Arbeit in der Branche wahrscheinlich jedoch erneut prekärer geworden ist als vor rund 60 Jahren, dürfte der Handlungsspielraum für grosse Arbeitskämpfe eingeschränkt sein.
Schade, denn ein sichereres Arbeitsumfeld bedeutet auch einen guten Rahmen, um sich kreativ auszutoben. Auch die Studios könnten davon profitieren.