Japanische Regierung bekämpft Ausbeutung in Anime-Studios
Japans Kreativbranche hat seit Jahrzehnten ein Problem mit heftigen Ausbeutungsstrukturen. In den 1960er-Jahren waren zum Beispiel die Arbeitsbedingungen in der Animationsabteilung des grössten Studios Toei Doga brutal. Kreativschaffende produzierten täglich Hunderte Zeichnungen, stets unter dem Druck kurzer Abgabefristen. Überarbeitung war normal, sogar Tote soll es gegeben haben.
20 Jahre später gründeten die beiden Mitarbeiter und Gewerkschaftsmitglieder, Hayao Miyazaki und Isao Takahata, eine eigene Schmiede: Studio Ghibli. Sie wollten es anders machen, inhaltlich wie auch in puncto Bedingungen. Aus der Gegenwart heraus betrachtet, bleibt Ghibli aber ein Ausreisser.
Noch immer werden Arbeitskräfte in Animationsstudios verbrannt, noch immer brechen viele zusammen, wie unter anderem ein Bericht der Vereinten Nationen zeigt.
Die Hauptpunkte des Berichts:
- Obwohl die Branche rasant wächst und jährlich rund 20 Milliarden US-Dollar einspielt, liegen die Einstiegslöhne bei 10'000 Dollar/Jahr.
- Besonders Freelancer (von denen es in der Anime-Branche viele gibt) werden durch die momentan geltenden Arbeitsgesetze in Japan nicht geschützt. Das führt zu Ausbeutung und unfairen Arbeitsverträgen.
- Darüber hinaus unterzeichnen die Kreativschaffenden oft Verträge, die ihre Rechte am geistigen Eigentum nur unzureichend schützen.
- Dieses Umfeld fördert eine Kultur der Straflosigkeit und begünstigt sexuelle Gewalt.
Jetzt reagiert Japans Regierung.
Japan prüft Anime-Industrie
Die japanische Wettbewerbsbehörde, Japan Fair Trade Commission (JFTC), untersucht derzeit die Arbeitsbedingungen der Animator*innen der Zeichentrickstudios. Über ein Online-Formular können die Angestellten ab sofort Rückmeldung zu den Bedingungen in ihren Studios geben.
Themen sind Arbeitsverträge, die Bezahlung, plötzliche Auftragsstornierungen, geforderte Änderungen und Korrekturen ohne Vergütung und die Ausgestaltung der Zeitpläne, sprich Deadlines.
Die JFTV gleicht die gemeldeten Fälle mit dem Antimonopol-, dem Subunternehmer- sowie dem Freiberufler-Arbeitsgesetz ab. Ende 2025 sollen die Erkenntnisse veröffentlicht werden.
Erst kürzlich hatte die JFTC ein Unternehmen abgemahnt, welches 23 Künstler*innen zu insgesamt 243 Nachkorrekturen ohne Vergütung gezwungen hat.
Ob der UN-Bericht und/oder der Aufschrei seitens Netflix damit zusammenhängen, ist nicht bekannt. Genauso wird sich zeigen, ob nach Veröffentlichung der Untersuchung wirklich Massnahmen folgen. Wie gesagt, Ausbeutung ist im Anime-Sektor seit Jahrzehnten ein bekanntes Problem.
Vielleicht braucht es noch mehr Gewerkschafter wie die Studio-Ghibli-Gründer. Da die Arbeit in der Branche wahrscheinlich jedoch erneut prekärer geworden ist als vor rund 60 Jahren, dürfte der Handlungsspielraum für grosse Arbeitskämpfe eingeschränkt sein.
Schade, denn ein sichereres Arbeitsumfeld bedeutet auch einen guten Rahmen, um sich kreativ auszutoben. Auch die Studios könnten davon profitieren.