Seit Montag bin ich wieder auf der Arbeit. Also bei watson. Also natürlich zuhause. Im Homeoffice. Und ich muss sagen: Ich vermisse unser abgeranztes Grossraumbüro entsetzlich. Ich vermisse die Anna, die in einem normalen Frühling links von mir sitzen würde mit ihrem Babybauch, dessen Inhalt auch schon längst einen Namen trägt.
Ich vermisse den Dani, der schräg hinter mir sitzt und gerne jammert, allerdings vermute ich schwer, dass er dies nicht existenziell, sondern eher so performativ-kokett tut. Auf jeden Fall macht er dies mit unnachahmlicher Virtuosität und einer gewissen Grazie. Ich vermisse den Toggi, der mir im Rücken sitzt, und dessen Tasse man nicht waschen darf, weil sie sonst ihre Aura und er sein Karma verliert oder irgendwo ein Bitcoin in die Tiefe saust oder was weiss ich.
Ich vermisse den Peter, der gelegentlich mitsummt, wenn er Musik via Kopfhörer hört, und Philipps Handy-Klingelton (es ist «Help» von den Beatles). Auf Spotify habe ich in diesem Augenblick The Hillbilly Moon Explosion laufen, weil das die Band vom Baroni ist und mit Druck gute Laune macht.
Bevor ich zurück zur Arbeit kam, war ich in den Ferien. Also zuhause. Gleich zu Beginn feierte ich meinen Geburtstag, einen runden, es war noch ganz knapp nichts Verbotenes daran, aber es fühlte sich schon sehr seltsam an, so, als wäre man nicht in der Schweiz im Jahr 2020, sondern in den USA im Jahr 1920, die Prohibition würde ausgerufen, Alkohol wäre verboten, und wir würden jetzt in irgendeinem illegalen Hinterzimmer eine rauschende Flüssiggold-Party feiern. Es war klar, dass da noch viel kommen würde. Und es kam. Ihr wisst es alle.
Änderte sich mein Verhalten? Ja! Ich fürchtete mich vor einem Leben ohne WC-Papier und Flüssigseife. Ich lud mir eine Fitness-App aufs Handy, von der ich bis jetzt genau eine Sieben-Minuten-Einheit absolviert habe. Ich bestellte beim Buchhändler mehrere Bücher aus Panik, in ein Loch aus Langeweile zu fallen, bis jetzt habe ich genau ein halbes Buch gelesen. Ich stürzte mich mit manischem Aktivismus in kleine Charity- und Solidaritätsaktionen.
Ich schrieb ein wenig an meinem neuen Roman herum und dachte bei jedem Anschlag: Was soll das? Welche Gegenwart versuche ich hier eigentlich heraufzubeschwören? Ist irgendeine Realität ausserhalb von Corona überhaupt noch denkbar? Die Verlage haben panische Angst, in den nächsten Jahren nur noch Corona-Manuskripte zu kriegen. Aber was soll man denn sonst auch tun? Bücher schreiben, die irgendwo weit abseits von jetzt in der Vergangenheit oder Zukunft liegen, weil die Gegenwart gerade täglich neu definiert wird? Oder einfach alles mal liegen lassen, bis wir sehen, was bleiben wird? Aber würden wir da in der Zwischenzeit nicht verrückt?
Einer Freundin brechen gerade die Einnahmen von einem halben Jahr weg, weil all die Theater, die sonst ihre Stücke aufführen oder bestellen, geschlossen sind. Und wie gehts eigentlich meiner Coiffeuse? Und sind meine Eltern wirklich, wirklich vorsichtig genug? Ein Freund ist seit vielen Tagen krank geschrieben. Von einem anderen, älteren Freund, habe ich seit drei Wochen nichts mehr gehört. Damals war er gerade auf dem Weg zum Test.
Man kann sich einzig in jenem Moment nach dem Aufwachen, wenn die Gedanken noch nicht fokussiert sind, vormachen, der Morgen wäre bloss ein ganz normaler Morgen. In mir hat sich ein Husten eingenistet, den ich den langen bewegungsarmen Stunden im Homeoffice zuschreibe, gewisse Dinge will ich lieber nicht so genau wissen. Immerhin sind wir seit wenigen Stunden im Besitz von Masken und Wegwerfhandschuhen. Wenig. Für viel Geld. Aber für den Notfall, für den Einkauf, für den Spiessrutenlauf eines Rests an Alltag reicht es aus.
Ich versuche, meine Batterie an Zweckoptimismus nicht leer werden zu lassen. Und freu mich auf den Tag, an dem ich wieder im Büro sitze und um mich sind die ganzen ungewaschenen Tassen und das lieb gewonnene Gewusel aus Menschen und gelegentlich ein paar Hunden. Und ich schwöre, liebe Sportredaktion, ich werde mich nie wieder beschweren, wenn ihr einen Match für meinen Geschmack zu laut laufen lasst, denn alles ist besser als diese inspirationskillende Menschenleere. Homeoffice, ich weiss, wieso ich dich nicht liebe.
Mir fehlt weder das Gequatsche der Bürokollegen, noch Telefongeklingel oder sonstwas.
Herrliche Ruhe im Home-Office (man kann sich konzentrieren, ohne dass einen dauernd jemand anquatscht), ab und zu auf den Balkon stehen und etwas Sonne geniessen. Das könnte von mir aus so weitergehen.
Und für die soziale Interaktion hab' ich vor ein paar Tagen Secondlife wieder ausgegraben ;) (ich hab' gehört, es soll dort bald 'ne Party von einem Zürcher Club geben)
Auch dass das ein Kommentar ist und nicht wieder eine Analyse.
Kaum zu glauben, aber mir fehlt der Arbeitsweg im ÖV.
Leute zu sehen und von da nach dort zu gehen und dazwischen noch in eine Bäckerei.
Tja, ich wundere mich grad selbst darüber.