Königlicher Besuch ist für heute Freitag in der Fondation Beyeler in Riehen angesagt. Ihre Hoheit Königin Letizia von Spanien besucht die Goya-Ausstellung vor der Eröffnung. Denn Francisco de Goya y Lucientes (1746-1828) war nicht nur königlicher Hofmaler, sondern er ist heute einer der vier Nationalheiligen unter den spanischen Malern. Gleichbedeutend wie Velazquez, El Greco und Picasso. «Eine grosse Ehre», wie Direktor Sam Keller gestern vor den Medienleuten stolz verkündete.
Für das Publikum ist die Königin morgen nicht zu sehen, aber es wird Fotos geben, die uns Gewöhnlichen genug zeigen. Im Gegensatz zu Goya. Trauen Sie nicht den Abbildungen! Nicht weil sie falsch wären. Nein, weil man diese Bilder in ihrer Gegensätzlichkeit erleben muss.
Krass – und deshalb den Eindruck ab Fotos verfälschend – sind nur schon die Grössenunterschiede. Der «Hexensabbat», eine dieser fantastisch absurden Erfindungen Goyas, ist nur gerade 43 mal 30 Zentimeter klein. Und doch wirkt der Kreis der zerlumpten Figuren und abgemagerten Kinder um den sich protzig aufbäumenden Ziegenbock mit den bekränzten Hörnern so verstörend wie eindrücklich.
Das Ölbild hängt in einer Reihe von verwandten Winzlingen. Goya hat sie nicht zur pompösen Demonstration oder im Auftrag gemalt, sondern weil er wollte. Weil sie Ausdruck seiner künstlerischen Freiheit und seiner liberalen Weltauffassung waren.
Mächtig gross – halt repräsentativ, bestellt und einträglich - sind die Porträts der Könige, adeligen Damen und einflussreichen Bürger. Und um die Aufzählung und das Oeuvre zu komplettieren: Dutzende von kleinformatigen Zeichnungen, Radierungen und Lithografien fächern die vielen Themen nach chronologischer Ordnung gut erfassbar auf. So kann man in der Ausstellung das Werk in seiner ganzen künstlerischen und inhaltlichen Spannweite, auch in seiner Einzigartigkeit erleben.
Goya gehört zu den einflussreichsten Malern der Kunstgeschichte, das betont Kurator Martin Schwander, davon liest man im umfangreichen Katalog. Gustave Courbet und Edouard Manet, generell die Moderne bis hin zu den Zeitgenossinnen wie Marlene Dumas (die gerade auch in der Fondation gezeigt wird), haben Goya bewundert, sie haben Motive übernommen und angepasst. Doch lassen wir die Kunstgeschichte, machen wir uns auf einen Rundgang.
Farbig und lebendig ist der Auftakt. Unter türkisblauem Himmel fährt eine Kutsche mit Perücken tragenden Dienern auf dem hinteren Trittbrett diagonal durch ein grosses Bild. Davor lagert eine Gruppe: junge und alte Frauen, ein Mann und ein schlafender Hund. Friedlich. Der Gegensatz reich-arm, mächtig-untertan ist (noch) kein Thema. Diese «Töpferwarenverkäufer», malte Goya 1778/79, also bevor er schwer erkrankte und sein Gehör verlor, aber auch bevor er wirtschaftlich auf sicheren Füssen stand.
Erst 1789 wurde er unter Carlos III. Hofmaler. Den Monarchen porträtierte Goya als Jäger, das Gesicht rot, die Nase übergross, die Haltung gebeugt, die wertvollen Kleider, das Gewehr wie der weisse Hund aber sorgfältig und gefällig ausgeführt. Der Adel sei bei Goya Schlange gestanden, erklärt Schwander. Doch selbst bei den Auftragsarbeiten fand Goya überraschende Kompositionen. Maria Tomosa de Palafox y Portocarrero, Marquesa de Villafranca zeigt er verführerisch in einem fast durchsichtigen weissen Kleid, auf einem rotsamtenen Sessel, die Schuhspitze kokett gestreckt. In den Händen hält sie Pinsel und Malstab, neben sich eine Palette. Sie malt gerade ihren Gatten. Welch originelle Version eines Paarporträts!
Die Marquesa erinnert an Goyas berühmte Maja. Die räkelt sich gleich danach - allerdings nur in der bekleideten Variante.
Welch ein Gegensatz zu den abstrusen Hexentänzen, den wirbligen Stierkämpfen, den grotesken Alltagsbildern und vor allem zu den dramatischen Volksszenen. Schiffbruch und Feuersbrunst unter dunklen Himmeln, Leidende in einem Gefängnis und einer Irrenanstalt, auch mordende Banditen zeigt uns Goya in seinen Radierungen, den «Caprichos», wie auf kleinen Ölbildern. Beklemmend und verstörend. Doch welch Schrecken brachte erst der Napoleonische Krieg von 1807 bis 1814. Die Radierungs-Serie der «Desastros de la guerra» mit den Toten, Niedergemetzelten, Gehenkten veröffentlichte Goya zu Lebzeiten nicht. Erschüttert ob der Gewalt und des Leids fragte der Zeichner «Por que?», erschüttert sind auch wir Betrachterinnen.
Was kam danach? 1824 zog Goya wegen seiner Krankheit und wegen der politischen Situation nach Frankreich, er nutzte die neu erfundene Lithografie für Stierkampfbilder. 1828 starb er in Bordeaux, 84-jährig.
Doch halt, ein wichtiges Kapitel fehlt! Goya kaufte 1819 ein Landhaus bei Madrid, malte darin zwei Zimmer aus. Doch diese «Schwarzen Gemälde» dürfen leider nicht reisen. Damit wir sie trotzdem erleben, inklusive dem einsamsten Hund der Kunstgeschichte, beauftragte die Fondation Beyeler den französischen Künstler Philippe Parreno, sie in einem Film nach Basel zu bringen. Sehenswert und Goya würdig.
Goya. Fondation Beyeler, 10.10. bis 23.1.2022.
(bzbasel.ch)