Zu Beginn jenes unbeschwerten Jahrzehnts, das sich die Neunziger nannte, wurde Hollywood von drei Jungs beherrscht. Sie hiessen Johnny, Brad und Leo. Johnny und Brad waren sich schon früher in einer Folge der TV-Serie «21 Jump Street» begegnet – Johnny war da der Star, Brad durfte zwei Sätze mit ihm wechseln. Johnny und Leo waren 1993 zusammen in «What's Eating Gilbert Grape», Johnny spielte Leos grossen Bruder und die Hauptrolle, doch Leo wurde für einen Oscar nominiert.
Leo war damals der Kindliche. Brad der Männliche. Und Johnny der, der alles konnte. Der mühelos vom Serien-Cop zum Arthouse-Star avancierte («Edward Scissorhands», «Ed Wood», «Dead Man», «Fear and Loathing in Las Vegas») und auch noch zum Herzensbrecher in einer Mainstream-Romanze («Don Juan DeMarco»).
Alle liebten ihn. Alle waren sich einig, dass hier ein aussergewöhnlich vielseitiges, ungemein sensibles und interessantes Talent am Werk war. Tim Burton machte ihn zu seiner Muse, acht Mal drehten die beiden bis heute zusammen.
Er war schön. Er war super. Und er hatte die tollsten Freundinnen. Jennifer Grey aus «Dirty Dancing». Juliette Lewis. Supermodel Kate Moss. Supermodel Naomi Campbell. Supermodel Tatjana Patitz. Winona Ryder. Und noch ein paar mehr. Mindestens Lewis, Moss, Campbell und Ryder galten damals als «schwierig». Geradezu als «Zicken». Weil sie sich nichts sagen liessen und ihre Karrieren selbst gestalteten. Alle waren in seinem Alter. Auch sein Liebesleben war rasend interessant.
Mit der Französin Vanessa Paradis war er 14 Jahre lang zusammen, die beiden haben zwei Kinder, das Cover ihres Albums «Divinidylle» ziert ein ziemlich gutes Porträt, das er von ihr gemalt hat, auch das konnte er, Familienvater sein und malen. Und nebenbei auch noch zum «Sexiest Man Alive» gewählt werden. 2003 und 2009. Brad Pitt hatte das bereits 1995 und 2000 geschafft.
2003 eroberte Jack Sparrow, der Pirat mit Eyeliner, das Kino. Nahm von Johnny Depp Besitz und verliess ihn einfach nicht mehr. Es begann die Zeit der irren Gagen, die Johnny Depp zum bestbezahlten Schauspieler Hollywoods machte.
Er gefiel sich im irren Jack-Sparrow-Loop, als Mad Hatter in «Alice in Wonderland», als Willy Wonka, als Vampir Barnabas in «Dark Shadows», als Sweeney Todd, als der Mann, der mehr Make-up braucht, um zu einem Ausdruck zu finden, als eine ganze Staffel von «RuPaul's Drag Race». Ein Künstler als Karneval seiner selbst. Im Einzelnen war das lustig. In der Gesamtschau, sagten viele, zunehmend uninteressant. Aber im Grunde war es nichts Neues. Er hatte schon immer Freude an der Androgynität und an der Maskerade gehabt. Jack Sparrow war bloss eine Neuinterpretation von Edward Scissorhands und Ed Wood. Man könnte sagen: Da blieb sich einer sehr, sehr treu.
Und: Johnny Depp war kein Kassengift. Gut, einige Filme spielten nur knapp die Ausgaben ein. Zwei floppten richtig. «The Rum Diary» und «Mordecai». Aber erstens ist Depp einer, der sich nicht ziert, sondern viel arbeitet, und zweitens fuhren die Piraten zuverlässig Geld ein, und als es nur noch reichlich und nicht mehr wie verrückt floss, wurde die Serie eingestellt, was keine Tragödie, sondern ganz normaler Hollywood-Eskapismus-Kapitalismus ist. Und irgendwie sah jeder Film von Depp aus, als sei er eine Liebeserklärung an LSD und andere Drogen. Aber das war auch schon früher so gewesen. Eigentlich war also vieles beim Alten.
2016 nannte ihn «20 Minuten» «aufgedunsen, ungepflegt und abgeranzt». Und wenn «20 Minuten» sowas merkt, muss es ja wirklich zehn nach zwölf sein. Was war passiert? Ganz ehrlich? Nichts. Einer, der viel Alkohol trank und viele Drogen konsumierte, und dies seit seinem zwölften Lebensjahr, hatte halt die Fünfzig überschritten. Und fertig. Irgendwann sieht auch der schönste Junkie nicht mehr wie ein Engel aus. Wir kennen das von Elvis Presley.
Wie es Amerikaner so machen, hatte Depp bei jedem kurzfristig erfolgreichen Entzug grosse Interviews gegeben – und war wieder rückfällig geworden. Als Jungstar war er auch regelmässig verhaftet worden, weil er Hotelzimmer verwüstete (natürlich mit Kate Moss), randalierte oder zu hart feierte.
2016 war auch das Jahr, in dem sich Johnny Depp und Amber Heard trennten. Sie war 2012 Vanessa Paradis direkte Nachfolgerin geworden, Depp und sie hatten einander zuvor auf dem Dreh des gefloppten «The Rum Diary» kennen gelernt. Niemand von uns hat eine Ahnung, was wirklich geschehen ist, es wurden einstweilige Verfügungen ausgesprochen und wieder zurückgenommen, es hiess, er habe sie geschlagen, dann, sie hätten sich beide geschlagen, beide bekannten sich dazu, dass ihre Beziehung, die kurz auch eine Ehe gewesen war, leidenschaftlich und gewalttätig gewesen sei.
2016 brach deswegen eine Schlammschlacht los, jetzt sind die beiden vor Gericht. Erstens er gegen die «Sun», die ihn einen «Frauenschläger» nannte, zweitens die beiden gegeneinander. Er sagte letzte Woche, sie habe in sein Bett gemacht, ihn verbal erniedrigt und ihm seine Entzugs-Medikamente entzogen. Ein Zeuge, dem Depp aus undurchsichtigen Gründen ein Monatsgehalt bezahlt, sagte, sie habe Fotos mit Spuren eines angeblichen Missbrauchs gefälscht.
Amber Heard sagte am Morgen des 20. Julis, Depp habe sie regelmässig verbal erniedrigt, ihr damit gedroht, sie zu entstellen, wenn sie ihn verlasse und dass sie ihm einzig tot entkommen könne. «Ich werde zusehen müssen, wie du vergewaltigt wirst», soll er gesagt haben. Beide gaben zu, gemeinsam Drogen konsumiert zu haben. Vanessa Paradis und Winona Ryder sind Depp mit schriftlichen Aussagen zu Hilfe geeilt.
Und nun? Hollywood schläft schlecht dieser Tage. Gigantisches steht auf dem Spiel. Amber Heard gehört zum Team DC, zum Superheldenstall von «Aquaman». Johnny Depp gehört als Jack Sparrow zum Team Disney und als Grindelwald im Harry-Potter-Spin-Of «Fantastic Beasts» auch noch zu Warner Bros. Durch Winona Ryders Einmischung könnte noch mehr «beschmutzt» werden, wie der «Guardian» befürchtet, etwa die Hit-Serie «Stranger Things» von Netflix.
Vor dem Gerichtsgebäude in London stehen Fans, die «Justice for Johnny» fordern. Die sagen «Ditch the witch». Lass die Hexe fallen. Er wird mit Blumen beschenkt, sie mit Häme. Der Reflex ist klar: Hier der angeknackste Superstar, da die mediengeile Schlampe. Auf wessen Seite das Recht ist oder ob beide gleichermassen schuld sind an der Jauchegrube von Beziehung, die hinter ihnen liegt, mögen die Richter drinnen mit kühleren Köpfen entscheiden als das Publikum auf der Strasse. Der Fallout wird Hollywood so oder so gehörig streifen.
Dass hier 20min als Quelle zitiert wird, oder dass die vereinigte Yellow Press hier mit aller Kraft versucht den Ruf eines Menschen zu zerstören.
Ich denke nicht, dass dies eurem Niveau gerecht wird.
Auch wenn hier versucht wird, den Johnny als Depp darzustellen hat er halt doch noch andere Qualitäten.