Viele Tattoos sind ästhetisch. Einige wenige sind es nicht. Auch nicht mit gutem Willen. Am schlimmsten sind Tattoos von Babygesichtern. Okay, der Trend ist etwas zurückgegangen, aber vor zwei, drei Jahren war er da, sonnenverstrahlte Eltern taumelten mit den gespenstischen, mehr oder weniger fotorealistisch gestochenen Gesichtern ihrer Kinder durch die Badi, auf dem Oberschenkel, auf der Schulter, und wenn sie sich bewegten, verzerrten sich die herzigen Schnuderis zu Horrorfratzen, es war ungut. Hunde sind auf jeden Fall ein problemloseres Sujet.
Auch schwierig: Kinderzeichnungen. Gerade Hipster-Papis lieben es, sich die Kritzeleien ihrer Mini-Picassos auf die velogestählten Wädli zu tätowieren. Sowas sollte man sich gut überlegen.
Aber: EGAL! Es ist Sommer und es ist egal, was die Leute über einen sagen oder denken. So, wie das auch zu jeder anderen Jahreszeit egal sein sollte. Meistens denken die Leute nämlich nichts über andere. Oder etwas Gemeines, Spöttisches, Kleinliches, weil schlechte Gedanken mehr Spass machen als gute, man kann das am Einstieg in diesen kleinen Text überprüfen.
In den seltensten Fällen beziehungsweise nie denken sie: Wow, was für eine wunderschöne Person sich da gerade auf dem nächsten Tüchli räkelt, was für ein hochinteressantes, unerhört kluges Gespräch über den Einfluss von Quantenphysik und Ozempic auf die Gegenwartsliteratur sie doch führt, ich muss sie heiraten, jetzt sofort, sonst macht mein Leben nie, nie, nie mehr Sinn!
Ihr habt es inzwischen wohl bemerkt, mein Kopf befindet sich in den Hitzeferien. Und erstaunlich oft in der Badi. Badis sind meine Droge. Essenziell für mein Glücksgefühl. Hätte man dies meinem 17- oder 24-jährigen Ich einst prophezeit, ich hätte gesagt, dass Badis blöd seien, weil man dort eh nur blöd angegafft würde.
Zum Glück habe ich bald gelernt, dass ich den anderen genauso egal bin wie sie mir. Und dass wir es hier traumhaft gut haben mit all den Seen und Flüssen, aus denen man trinken könnte. Und mit den Stränden! Nicht wie am Meer, aber ein bisschen schon. Und dazu die Parkanlagen ähnlichen Liegewiesen mit alten Bäumen! Die schönsten Voraussetzungen für eine Auszeit.
Und das Beste: Nichts ist so heilsam gegen den Körperkult, den Beauty-Druck, den ganzen Mist auf Instagram und den anderen Plattformen, der immer noch Mist ist, egal, wie oft dort jemand predigt, dass alle Körper okay seien, nicht nur die durchtrainierten, ausgemergelten Verzicht- und Optimierungskörper. Behaupten kann man vieles, die Bilder, die so viel Leid verursachen, halten sich hartnäckig. Der Diät-Drill auch.
Die Badi holt den digitalen und medialen Mist auf den Boden der Tatsachen. Die Badi ist der beste Ort für gelebte Body-Positivity. Denn die dortigen Tatsachen sind nun mal schlank und füllig und richtig fett und jung und alt und glatthäutig und runzelig, mit Flecken, Cellulite, violetten Venen, mit und ohne Haare, mit zu kurzen Beinen und abstehenden Ränzen, mit ästhetischen und anderen Tattoos – und es ist egal.
Alle sind in der Badi glücklich. Wasser, Sonne, Sand und Wind machen etwas mit unseren Körpern, pumpen sie voll mit gleissendem Wohlgefühl, vereinnahmen sie, machen sie zu einem Teil von sich. Die Kinder vergessen alle 33 Handys und Tablets, die sonst so für ihre Erziehung zuständig sind, und die Erwachsenen fragen sich, wieso sie sich eigentlich immer so einen Stress machen. Für ein paar Stunden am Strand, für einen Kilometer im Wasser sind alle zufrieden mit dem, was sie gerade sind. Der Sommer ist schön und wir sind es auch.
Nur die Schwäne nerven.
Die Autorin und ich leben scheinbar in einem Spiegeluniversum.
Hier ist es genau umgekehrt.
Grüsse an alle auf der anderen Seite! Hoffe es ist da nicht zu kalt!
*winkt
Ich mag die Badi sehr. Sie bietet Abkühlung, man kann chillen und Leute gucken.😎