Indonesien ist ein beliebtes Reiseziel westlicher Touristen – allem voran die Insel Bali, die jedes Jahr um die sechs Millionen Reisende anlockt. Dies könnte bald anders werden, denn Bali hat sein Strafgesetzbuch revidiert – wohl mit Folgen für den Tourismus.
Indonesien will sein Strafgesetzbuch überarbeiten, welches bis in die Kolonialzeit des Staates zurückreicht. Das Ziel sei ein Strafgesetz, das den indonesischen Werten mehr entspreche als jenes, das der Staat von den Niederländern geerbt hat. Seit 1949 ist Indonesien unabhängig – ein eigenes Strafgesetz sei längst überfällig.
Der Minister für Recht und Menschenrechte, Yasonna Laoly, sagte vor dem Parlament: «Wir haben unser Bestes getan, um den unterschiedlichen Meinungen, die in der Debatte aufkamen, Rechnung zu tragen.» Es sei nun an der Zeit, das alte Strafgesetzbuch hinter sich zu lassen, meinte er weiter.
Künftig wird Sex vor, beziehungsweise ausserhalb, der Ehe mit bis zu einem Jahr Haft bestraft. Auch das Zusammenleben von unverheirateten Paaren ist in Zukunft illegal und wird mit bis zu einem halben Jahr Gefängnis bestraft.
Die Überarbeitung des Strafgesetzes besagt zudem, dass Beleidigungen gegen den Präsidenten, dessen Vize und staatliche Institutionen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Wer Ansichten äussert, die der indonesischen Staatsideologie zuwider sind, dem droht ebenfalls eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.
Ausserdem wird durch die Revision auch der Verkauf von Verhütungsmitteln an Minderjährige verboten – Jugendliche unter 18 Jahren kommen somit nur auf kriminelle Art und Weise an Kondome, Pille und Co.
Eine weitere Änderung betrifft das Blasphemiegesetz – dieses wurde um einige Bestimmungen erweitert. Neu wird auch Verunglimpfung einer Religion, Störung eines religiösen Rituals, Lärmbelästigung in Nähe eines Gotteshauses und Beleidigung eines Geistlichen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft.
Dass ausserehelicher Sex und das Zusammenleben von nicht verheirateten Paaren bald schon bestraft wird, bringt Touristen zum Denken. Denn gerade Bali ist ein beliebtes Urlaubsziel für romantische Ferien – längst nicht alle Paare sind jedoch auch verheiratet.
Grundsätzlich ist es so, dass nur ein Familienmitglied von einem der Partner Anzeige erstatten kann – dies schränkt den Anwendungsspielraum der neuen Gesetze stark ein und sollte verhindern, dass Touristen überhaupt davon betroffen sein werden. Sollte doch eine Anzeige erstattet werden, ist noch unklar, wie genau in solchen Fällen überhaupt ermittelt wird.
Der Geschäftsführer von Tourasia, Stephan Roemer, gibt Entwarnung: «Wir gehen davon aus, dass primär die lokale Bevölkerung von den neuen Gesetzen betroffen sein wird – die Touristen hingegen weniger. Wir nehmen diese Änderungen zurzeit noch sehr locker und glauben, dass diese sehr massvoll umgesetzt werden.» Roemer verweist ausserdem auf eine ganze Reihe anderer muslimischer Reisedestinationen, wie beispielsweise Malaysia oder die Vereinigten Arabischen Emirate – wo zwar strenge Gesetze gelten, aber man gewisse Dinge bei Touristen trotzdem toleriert.
Der Gouverneur von Bali hat inzwischen in einem offiziellen Statement beteuert, dass die neuen Gesetze die Touristen nicht betreffen würden. Er verspricht zudem, dass die Regierung der Provinz Bali sicherstellen würde, dass es keine Abfrage des Familienstandes geben würde, wenn Touristen beispielsweise in ein Hotel oder ähnliches einchecken.
Das neue Strafgesetzbuch sollte noch im Dezember verabschiedet werden und per 2025 in Kraft treten. Während drei Jahren Übergangsfrist muss die Regierung Regeln in Bezug auf die Umsetzung konkretisieren – also beispielsweise, wie die Ermittlungen im Falle einer Anzeige durch die Familie aussehen werden.
Indonesien ist mit seinen circa 7000 bewohnten Inseln ein föderalistischer Inselstaat. Auch wenn das Strafgesetz im ganzen Land gültig sein wird, haben die Regionen die Freiheit, regionale Gesetze auf Basis des nationalen Strafgesetzes zu erlassen – in konservativeren (für den Tourismus aber ohnehin irrelevanten) Gegenden könnten die Gesetze also strenger ausgelegt werden.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ist besorgt über die neusten Entwicklungen in Indonesien. Andreas Harsono fragt beispielsweise: «Wie viele Gefängnisse soll Indonesien bauen, wenn ausserehelicher Sex kriminalisiert wird?»
Indonesien ist das Land, in dem weltweit am meisten Muslime leben – von rund 275 Millionen Einwohnern sind etwa 87,3 Prozent muslimisch. Das Land ist bekannt dafür, einen sehr liberalen Islam zu praktizieren – zumindest bisher. Mit dem neuen Strafgesetz dürfte die Rechtssprechung künftig um einiges konservativer ausfallen.
Hinzu kommt, dass in Indonesien viele Paare nicht staatlich anerkannt verheiratet sind, sondern durch ein muslimisches oder indigenes Ritual den Bund der Ehe geschlossen haben. All diese Paare wären vom neuen Verbot des ausserehelichen Sex und Zusammenlebens direkt betroffen.
An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass das überarbeitete Strafgesetz für einige Frauen in Indonesien ein Vorteil sein könnte. Denn zwar ist es in Indonesien obligatorisch, eine religiöse Ehe zu registrieren, aber wissenschaftlich durchgeführte Befragungen haben gezeigt, dass viele religiöse Ehen trotzdem nicht registriert werden. Für betroffene Frauen kann es im Falle einer Trennung oder bei anderen Problemen schwieriger sein, zu ihren Rechten zu kommen. Aufgrund der neuen Gesetze ist der Anreiz grösser, die Ehen doch noch zu registrieren.
Human Rights Watch betont aber, dass vor allem Frauen und queere Personen befürchten müssen, dass sie von einem Familienmitglied angezeigt werden – weil die Familien hier eher etwas einzuwenden haben gegen die Beziehung.
Was für eine herzlose und unmoralische Aussage. Hauptsache man kann weiter Profit machen, ganz egal wie die Menschenrechte der Lokalbevölkerung eingeschränkt werden. Unfassbar.