Ich geh' nur noch mit Shakti ins Bett.
Sie bringt mich zum Kribbeln, entspannt und holt mich herunter. Aber Shakti ist nicht nur lieb, sie kann auch anders. Sie macht mir auch weh. Doch das ist okay. Liebe und Schmerz liegen bekanntlich nahe beieinander.
Richtig intensiv kennen wir uns zwar erst seit ein paar Monaten. Shakti ist mir aber schon lange ins Auge gestochen. Der Name kommt übrigens vom Hinduismus und steht für die weibliche Urkraft des Universums. Viele indische Göttinnen werden als Form von Shakti angesehen.
Meine Shakti als Göttin zu bezeichnen, ist etwas übertrieben. Ein bisschen zumindest. Denn Shakti ist eine Matte, eine Akupressurmatte mit spitzen Minipyramiden. (Ihr seht: Da besteht durchaus eine Verbindung zum Göttlichen.)
Bevor Shakti bei mir einzog, war ich immer wieder auf die Matte gestossen – leider nicht physisch.
Sondern durch Werbeanzeigen, die alles Mögliche versprachen: «spitzen Entspannung», Reduktion von Stress, gegen Nacken- und Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit, Migräne, Muskelverspannung.
Kurz zusammengefasst: Nadelstiche gegen alles.
Das stimmte mich skeptisch. So wischte ich die Werbeanzeige mehrfach weg.
Meine Problemzone ist der Nacken- und Schulterbereich, besonders, wenn ich viel Zeit vor dem Bildschirm verbringe (das mache ich sehr oft), gestresst und angespannt bin. Yoga (das mache ich auch sehr oft) hilft mir da nur bedingt.
Als Shakti ein weiteres Mal in mein Leben ploppte, wurde es ernster zwischen uns.
Doch auch mein «Monkey Mind» machte sich bemerkbar: Soll ich der Matte eine Chance geben? Aber was mache ich, wenn es nichts bringt? Weiterverkaufen? Aber ich kann doch nichts weiterverkaufen, von dem ich selbst nichts halte. Die Matte inklusiv Kissen kostet CHF 150.-. Damit könnte ich mir auch eine Massage gönnen. Doch der Effekt ist nicht von langer Dauer. Ahhh.
Da hattest du mich, Shakti. Oder ich dich im Warenkorb.
Es gibt verschiedene Modelle mit mehr oder weniger Spitzen. Je stacheliger, desto mehr Druck wird auf den Körper ausgelöst. Ich wählte die orange Matte. Für fortgeschrittene Shakti-Gänger. Ich will ja was spüren!
Ganz aufgeregt und vorsichtig legte ich mich kurz vor dem Schlafengehen das erste Mal über die Matte. Ohne Kleidung. All in.
Autschi.
Mein erster Gedanke: Wie halte ich das bloss fünf Minuten aus?
Zu Beginn sollte man nicht länger als 20 Minuten auf der Matte verweilen, um den Körper schrittweise daran zu gewöhnen. Eigentlich wird auch empfohlen, anfangs leichte Kleidung zu tragen. Doch diesen Abschnitt der Anleitung habe ich typischerweise überlesen.
Etwas schmerzhaft waren die Nadelstiche vor allem im Bereich der Lendenwirbel.
Aber nur für zwei bis drei Minuten.
Ich atmete tief ein und aus. Und spürte schon nach einigen Minuten einen ersten Effekt. Erst kribbelten die Füsse, dann die Hände. Danach fühlte es sich so an, als würde jede Zelle in meinem Körper tanzen. Lebensfreude breitete sich aus. Hach, ein Gefühl wie frisch verliebt.
20 Minuten verweilte ich auf der Matte. Danach schlief ich so tief und fest wie ein Murmeltier im Winterschlaf. Und erwachte ohne Nackenschmerzen.
Seit drei Monaten ist die Akupressurmatte zu einer bereichernden Abendroutine geworden. Meist lege ich mich im Bett mit dem Rücken auf die Matte, manchmal auch mit dem Bauch, das ist aber etwas schmerzhafter. Noch intensiver wird es, wenn man die Matte auf den Boden legt.
Noch immer sind die ersten ein bis zwei Minuten nicht sehr angenehm, aber die kurze Qual lohnt sich. Danach breitet sich tiefe Entspannung im Körper aus, ich fühle mich leicht und beflügelt.
Mehrmals bin ich auch schon auf der Matte eingeschlafen – und ganz vernadelt, aber völlig entspannt aufgewacht.
Die Nackenbeschwerden sind nicht ganz verschwunden, treten aber nicht mehr so häufig auf. Mein Schlaf hat sich verbessert, eigentlich nur dadurch, dass ich besser abschalten kann und mir nicht so oft über die grossen Fragen im Leben Gedanken mache (wer kennt's nicht?).
Die Matte hilft bei Muskelkater. Und egal, ob ich mich auf den Rücken oder den Bauch lege: Die Nadeln kurbeln nicht nur die Durchblutung, sondern auch die Verdauung an. In den ersten Minuten auf der Matte entweicht meist ganz viel Luft aus meinem Darm.
In den Ferien musste ich eine Zwangspause einlegen. Ich vermisste die Routine, aber die Effekte sind geblieben: Gelassenheit, tiefer Schlaf, weniger Nackenbeschwerden.
Doch das ist noch lange kein Grund, Shakti von der Bettkante zu stossen.
Diese Studie ist dann auch verlinkt...
https://shaktimat.de/pages/wissenschaftliche-forschung-und-studien-zur-akupressurmatte
Und ist weder wissenschaftlich, noch eine Studie!
Das ist ein Hohn, unwissenschaftliche Scheinstudie klassisch aus dem Esoterikmilieu, beide Studienleiter sind direkt mit dem Produkt verbunden, die Studie ist kein bisschen objektiv.
Das ist ernsthaft problematisch, das ist Heilsversprechen mit Scheinwissenschaft!