Kaum beginnt ein neues Jahr, verspürt die nervösere Hälfte der Familie (bei uns bin ich das) bereits wieder den Zwang, die Sommerferien zu organisieren. Fast noch schwieriger als die Wahl der Destination ist dabei der jährliche Grundsatzentscheid: «all-inclusive» oder nicht.
Selbstverständlich: Für junge, kinderlose Paare oder gar Singles sind All–inclusive–Ferien nichts. Die sollen die Welt entdecken, auf fremden Sofas übernachten, den süssen Duft der Freiheit spüren, und dabei merken, dass man auch in der Fremde nicht aus der eigenen Haut heraus kann.
Für Paare mit Kindern, jungen Kindern, ist die Situation anders. Für sie gibt es einige Argumente, die für die verpönten Ferien sprechen – wenn man davon ausgeht, dass man beim Buchen kein faules Ei erwischt.
Znüni vorbereiten, Kinder-Zähnchen schrubben, Kleider waschen, putzen, einkaufen, kochen, erklären, erziehen, Fusel aus dem Waschmaschinensieb entfernen, Kartonabfuhr nicht vergessen, Kaugummi aus den Haaren pulen … und dazwischen auch noch Geld verdienen: Das Leben junger Familien ist ein Spiessrutenlauf der Verpflichtungen. (Hier geht es zu unserer interessanten Serie dazu.)
Dazu ist das All-inclusive-Hotel das absolute Kontrastprogramm. Weniger Verpflichtungen als hier kann man sich im Familienverband nicht organisieren – sogar die Suche nach einem Restaurant fällt weg. Weniger Verpflichtungen = weniger Stress.
Natürlich hat das auch seinen Preis: Die herzige, kleine Trattoria bleibt unentdeckt. Ein Gefühl für Land und Leute entsteht so auch keins – es ist eine Frage der Prioritäten.
Neben weniger Stress haben weniger Verpflichtungen aber noch einen anderen Effekt:
Was im Alltag zu Hause untergeht, hat hier plötzlich Zeit: Mit dem Nachwuchs Muscheln sammeln, den Einheimischen beim Wasserball zuschauen, oder darüber debattieren, ob die junge Begleitung des älteren Franzosen die Tochter oder die Freundin ist. Mal wieder eine Tätigkeit ausüben, ohne dabei den Timer ticken zu hören. Auch das ist eine Folge von möglichst wenig Verpflichtungen.
Restaurantbesuche mit (jungen) Kindern können insbesondere im Ausland mühsam sein. Das Essen ist nicht wie zu Hause, und das resultiert in einem bekannten Protestduett: «Das käni nöd» und «das issi nöd». Die beiden verfügen über eine Durchschlagskraft von Bud Spencers Fäusten – und resultieren in der Regel in: «Ich wott eifach nume Pommes und Ćevapčići.»
Korrekt: Nun ist Erziehungsarbeit gefragt. Wieder einmal. Auch in den Ferien.
Erleichtert wird diese durch ein Buffet. Und das bietet wirklich einige Vorteile:
Grund 3: Hier können die Kinder sehen, was sie zu futtern kriegen. Das macht die oftmals abstrakten Erklärversuche im Restaurant hinfällig und die Kinder experimentierfreudiger.
Grund 4: Die Kinder können einfacher zu kindergerechten Test-Portionen (von in der Regel Gesundem) verführt / verknurrt werden.
Grund 5: Die Mahlzeiten sind vielfältiger und damit auch gesünder.
Mit Elektroautos ist es so eine Sache. Weil sie bei der erstmaligen Anschaffung kostspieliger sind als Verbrenner, werden sie als teurer wahrgenommen. Dies, obwohl die höheren Anschaffungskosten dank deutlich günstigerem Unterhalt bald schon amortisiert sind.
So ähnlich verhält es sich mit All-inclusive-Ferien: Der Preis, der bei der Buchung am Ende aufleuchtet, ist höher als gewohnt. Doch wer nachher die Kosten für Mittag- und Abendessen einspart, kommt in der Regel günstiger weg. Dies insbesondere, weil je nach Angebot und Preisklasse auch Bier und Wein bei den Mahlzeiten inklusive sind. Natürlich: Ein Châteauneuf-du-Pape wird dabei nicht ausgeschenkt. Aber an einem heissen Sommerabend auf Sardinien tut es auch eisgekühlter Tafelwein.
Übrigens, so die Erfahrung des Autors dieses Artikels: «Gratisalkohol» führt nicht zu betrunken johlenden Gästen.
Ein oft zitiertes Bonmot lautet: Junge Eltern benötigen Ferien von den Ferien. Sprich: Während kinderlose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestresst in die Ferien gehen und entspannt zurückkommen, gehen Eltern gestresst in die Ferien – und kommen noch gestresster davon zurück. Mindestens ein Körnchen Wahrheit dürfte schon dabei sein.
Dieser Artikel basiert auf den Erfahrungen von meinen drei All-inclusive-Ferien in den vergangenen fünf Jahren. Wir hatten Glück: Aufreger aufgrund von Mängeln, der Qualität des Essens, dummer Gäste oder einer unfertigen Anlage blieben uns erspart. Und so kehrten wir trotz zweier kleiner Kinder jeweils tiefenentspannt und mit vollen Batterien zurück. Natürlich waren diese nach ein paar Monaten wieder leer. Das aber ist eine andere Geschichte.
Ganz nebenbei, ich mag auch aktiv Urlaub im Camper oder in einer Ferienwohnung, aber die Erholung war nie das gleiche wie mit AI.