Jamie Olivers Restaurantkette Jamie's Italian hat in Grossbritannien Insolvenz angemeldet. Das teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Rund 1300 Beschäftigte müssen nun um ihre Arbeitsplätze fürchten.
«Ich weiss, wie schwierig das für alle Betroffenen ist», sagte Jamie gegenüber dem Guardian. «Wir haben Jamie's Italian 2008 auf den Markt gebracht mit der Absicht, das Essensangebot im mittleren Preissegment auf positive Weise aufzumischen, mit grosser Leistung und viel hochwertigeren Zutaten, erstklassigen Tierschutzstandards und einem erstaunlichen Team, das meine Leidenschaft für gutes Essen und Service teilte. Und genau das haben wir getan.»
Schade. Denn das Essen – ich war öfters in einem Jamie's Italian –, das wir immer gut. Anfang Jahr noch hatte Jamie etliche Millionen seines privaten Vermögens in das Unternehmen gezahlt, um die Arbeitsplätze retten zu können. Doch leider nein.
Trotzdem ist und bleibt Jamie Oliver einer der Guten. Eine Ikone, gewiss, aber dies nicht ohne Grund. Etwa:
Von seiner Fifteen Foundation, die sozial benachteiligten Jugendlichen eine Lehre im Gastrogewerbe ermöglichte, über «School Dinners», in dem er sich bemühte, staatlichen Schulen angemesseneres, gesunderes Kantinenessen zu gewähren, bis zur aktuellen #AdEnough-Kampagne, die Junk-Food-Werbung erheblich einschränken soll – Jamie hat sei eh und je seine Bekanntheit für Die Gute Sache eingesetzt. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Doch rein durch die Tatsache, dass er's versuchte, wurden stets wichtige Themen ins Vorfeld gerückt. Danke dafür.
Nicht zuletzt geht es dabei um die Qualität der Kochzutaten. Jamie Oliver vertritt seit je die Meinung, dass Fleisch oder Fisch nicht jeden Tag auf den Teller gehören. Billiges Fleisch oder Fisch ist nur durch Tierfabriken und industrielle Fisch-Farms möglich. Will man aber qualitativ gutes Fleisch, will man zwingend auch glückliche, gesunde Tiere, will man Freiland-Haltung, Bio etc. Dies kostet freilich. Dass dies für uns Endverbraucher aber Sinn macht, hat Jamie Oliver stets aufgezeigt.
Wie viele von uns wissen, wie man zuhause ein simples Menu von Grund auf kocht? Okay – in der Schweiz sind das einige. Wir können uns glücklich schätzen. In vielen Ländern – Jamies Heimat Grossbritannien etwa – fehlt schlicht das Wissen, wie man sich einen Teller Pasta zubereitet. Oder eine Omelette. Oder – OMG – ein Stück Fleisch. Hier ist das Ministry of Food zur Stelle, das sich zum Ziel gesetzt hat, Ottonormalverbrauchern zu zeigen, wie man einfach und vor allem FEIN zuhause kochen kann. Ist eh gesünder. Und billiger. Ich sag's seit eh und je: Ich bin Team Jamie.
Und nicht zuletzt deswegen:
Nimmt man sein allererstes Kochbuch «The Naked Chef» zur Hand, stellt man fest: Ziemlich italienisch, dieser Essex Boy. Das mit gutem Grund: Nach ersten Küchen-Erfahrungen im Pub seiner Eltern lernte der junge Jamie sein Handwerk bei Antonio Carluccio's Neal Street Restaurant. Sein Mentor hiess damals Gennaro Contaldo. Danach ging es weiter zum legendären River Cafe, ebenfalls ein Fundi-Italiener.
Über die Jahre experimentierte Jamie Oliver mal mit diesem, mal mit jenem – nicht alles ist gleichermassen geglückt –, doch nimmt er sich der italienischen Küche an, spürt man, wo seine kulinarische Heimat ist. Für sein Buch «Jamie's Italy» (2006) bereiste er – ganz in der Tradition der legendären Elizabeth David – Italien und sammelte Rezepte von Hausfrauen, Metzgern und Imbissbudenbetreibern. Das Resultat ist eine Wucht.
Letztes Jahr wiederholte er dieses Vorgehen, dieses Mal zusammen mit seinem alten Mentor Gennaro Contaldo: In «Jamie Cooks Italy» («Jamie kocht Italien») geht es darum, «altehrwürdige Traditionen und Rezepte der wahren Matriarchinnen der Küche, der Nonnas und Mamas, die das schlagende Herz des italienischen Heims sind», aufzuzeichnen. Und es ist das beste Kochbuch der letzten zehn Jahre.
Da war oben die Rede von Antonio Carluccio, des alten Dons der italienischen Küche. Und von dessen Küchenchef Gennaro Contaldo. Nun, nach Jahrzehnten der Zusammenarbeit verkrachten sich diese beiden italienischen Opas und es folgte ein 10 Jahre langer Kleinkrieg, in dem sich sie sich via Medien öffentlich beschimpften. Irgendwann einmal beschloss Jamie Oliver, der seine beiden Mentoren beide noch liebte, dass nun genug sei. Er brachte die beiden Käuze wieder zusammen. Und siehe da: Flugs war der Streit vergessen. Carluccio und Gennaro schrieben als Two Greedy Italians gemeinsam Kochbücher und waren die Stars der gleichnamigen TV-Serien.
Olivenöl, Chilis, Zitrone. Drei Grundzutaten, die Jamie Oliver im Überfluss verwendet. Ich mag das.
Und, LOGO: Der wahre Grund, weshalb Jamie auf immer und ewig der Grösste sein wird, ist sein Food. Unkompliziert und superfein. Es gäbe etliche Rezepte, die man zitieren könnte. Hier eine Handvoll, die mir spontan in den Sinn kommen, auf die ich immer wieder zurückgreife:
Eines der ersten Rezepte, die ich von Herrn Oliver lernen durfte. Seit eh und je ein Wochenende-Frühstücks-Standard (inzwischen kocht es mir meine Tochter).
Rezept HIER.
Eine Suppe, die auch im Sommer mundet! Die Zubereitung ist super einfach. Rezept HIER. (Allerdings kürze ich ab und koche die Pasta gleich in der Suppe, ohne separates Abschütten. Auch kann man getrost jegliche kleineren Pasta-Formen als Zutaten benutzen, etwa Conchigliette, Tripolini und dergleichen).
Lammstelzen – gibt's bei mir jedes Jahr zu Ostern! Schlicht genial!
Rezept HIER.
Ein mildes, cremiges Curry aus Kerala.
Rezept HIER.
Ursprünglich aus Palermo – von nun an von deiner Küche!
Rezept HIER.
Auf dass Jamie Oliver in Zukunft weiterhin grossartige Küche bietet – und hoffentlich auch wieder grossartige Restaurants!
*leert die halbe Flasche rein*
Und er wollte vielschichtig etwas „zum Guten“ (klar: das ist immer subjektiv) verändern. Vielleicht fast zu viel. Ich kann mir vorstellen, dass er sich hier verspekulierte und zu viele Baustellen auf‘s mal auftat.
Bin mir aber sicher, dass er etwas Neues auf die Beine stellen wird. Leute, die mit soviel Feuer wie er unterwegs sind, kriegen das hin. Immer.
Danke, Jamie, dass Du Inspiration in meine Hausküche gebracht hast!