«Ahhhhhhhhhhhhhhhhh!», mit diesem Schrei hat alles angefangen. Der Schrei aus der achten Hörspielfolge «Die drei ???». Der Schrei, der mitten in die Knochen fährt – und da nie mehr herausfindet.
Der Grüne Geist war meine erste eigene Folge. Ich bekam sie zum Geburtstag. Meine ältereren Brüder hatten schon ein paar Kassetten, ich war erst im Kindergarten. Wahrscheinlich hab ich nicht besonders viel von der Geschichte begriffen. Ausser der Angst. Die hab ich gespürt. Vor allem im «Gespensterschloss».
Mein Bruder musste nur mit der Kassettenhülle vor mir rumwedeln und ich fiel schon in Ohnmacht. Diese Folge handelt von Stephen Terrill, einem Stummfilm-Star, der berühmt geworden war für seine Gruselfilme. Man nannte ihn den Mann mit den tausend Gesichtern. Und sein Erfolg erlaubte es ihm, ein eigenes Schloss zu bauen.
Aber dann wurde der Tonfilm erfunden und Terrill musste sprechen. Mit seiner Fistelstimme und seiner Zunge, die immer anstiess. Wie lächerlich er klang. Also gab er die Schauspielerei auf und zog sich in sein Schloss zurück. Er wurde schwermütig. Und die Leute vergassen ihn.
Irgendwann fand man das Wrack seines Wagens. Terrill war über eine Klippe gestürzt. Seine Leiche war verschwunden. Aber sein Geist wandelte weiterhin durch die Gemächer seines Schlosses und rächte sich an all jenen, die über ihn gelacht hatten.
Durch euch hab ich die Sprache lieben gelernt. Meine Schulaufsätze strotzten nur so von Justus-Jonas-Phrasen. Du bist der Klügste von allen, der erste Detektiv mit der geschwollensten Ausdrucksweise der Welt.
Zumindest hab ich es versucht. Aber anstatt ein «Kunstwerk von hohen Graden» – ein Satz aus der dritten Folge «Der Karpatenhund» – schrieb ich von einem «Kunstwerk von hohem Graben». Mein Lehrer strich es rot an. Ich ging wutenbrannt zu ihm und klärte ihn darüber auf, dass Justus Jonas niemals falsch liege.
Ich hatte also noch immer nicht alles verstanden. Aber das war nicht wichtig. Ich liebte die Geräusche, die Abenteuer, die sonderbaren Charaktere im Küstenstädtchen Rocky Beach – und vor allem die Furcht.
Die Furcht vor dem Höhlenmenschen, der eigentlich nicht aus mehr als ein paar alten Knochen besteht. Und trotzdem irgendwann aufsteht ...
Als ich 12 war, kam die 76. Folge raus. «Die drei Fragezeichen und die Stimme aus dem Nichts». Die schlimmste und psychologisch durchtriebenste Folge für mich. Ich verarbeite sie noch heute.
Inzwischen hatte euer Erzähler, der als Alfred Hitchcock auftrat, eine neue Stimme bekommen. Peter Pasetti war gestorben – dieser Held meiner Kindheit. Am Anfang war es schwierig. Aber ich kam drüber hinweg. Vor allem, weil eure Sprecher bis heute dieselben geblieben sind.
1979 kam die erste Hörspielfolge raus. Und mit ihr kam mein Bruder zur Welt. Wir wuchsen mit euch drei Detektiven auf. Wir erlebten euren Stimmbruch, wir hassten den fiesen Skinny Norris und Peters Freundin Kelly, diese blöde Zicke, die nie Verständnis hatte für sein zeitaufwendiges Detektiv-Dasein.
Wir lernten, was ein Trittbrettfahrer ist und 1992 erklärtest uns du, Justus, in deiner gewohnt barocken Sprache, was ein Computervirus ist.
Justus, du bist dick und unerträglich altklug. Sogar wenn ihr drei vor einem Bösewicht fliehen müsst, führst du noch aus, hinter welcher Art Hecken ihr euch jetzt genau verstecken solltet:
Andernfalls hätte sich Peter wahrscheinlich hinter einem Strauch Kniphofia verborgen.
Peter, du bist der Sportliche, manchmal leicht Dümmliche und der, der Schiss hat vor einem Bergmonster, einem tanzenden Teufel, einem Mann ohne Augen, einer singenden Schlange oder einem lachenden Schatten. Dann hört man deine Tränen, wie sie aus deiner Stimme rinnen. Aber du kehrst doch niemals um. Mutig stellst du dich deinen Geistern. Jedes Mal von neuem.
Und dann bist da noch du, Bob. Der Korrekte, der Diplomat, der Langweiler. Doch manchmal durchbrichst du deine Nettigkeit ganz plötzlich mit Sätzen wie:
Dein unverblümtes Fazit, als Justus in «Der heimliche Hehler» in einem Aufzugsschacht stecken bleibt.
Du singst sogar einmal «God Bless America». Ihr befindet euch im Garten von Miss Melody – der alten Vogelnärrin – und sucht nach Hinweisen, wer deren gefiederten Freunde getötet haben könnte. Im Falle, dass ihr etwas findet, solltet ihr singen. Das hat Justus euch aufgetragen. Lautes Rufen sei schliesslich viel zu auffällig. Als Peter auf Spuren stösst, trällert er aber dermassen grauenhaft, dass du übernehmen musst ...
Ihr gingt mit der Zeit, habt begonnen im Internet zu surfen und euch mit Hexenhandys rumzumschlagen. Und doch wurdet ihr nie zu coolen, hippen Typen. Ihr seid Streber. Aussenseiter. Ihr habt nur einander und eure Fälle. Dafür verdient ihr meine ganze Anerkennung. Denn ihr seid euch über all die Jahre treu geblieben – und nie in die Dämlichkeit abgerutscht.
Sonst würdet ihr heute vielleicht so aussehen: