Das Finale von «The Mandalorian» (Season 3) ist inzwischen 10 Tage her und ich laufe Gefahr, wie die alte Fasnacht zu wirken. Doch geschlagene 10 Tage nach der Schlussepisode hat sich meine Empörung immer noch nicht gelegt. Oder mein Entsetzen eher. Dieses Finale ... ach, nein, die ganze Staffel: Was zum Geier war denn das?
Umso grösser ist dieses Entsetzen, weil doch die ersten beiden Staffeln von «The Mandalorian» zum Besten gehörten, was das «Star Wars»-Universum bisher hervorbrachte. Gerade die erste Staffel begeisterte: Hier war ein sorgfältig vorbereiteter Geschichtsstrang, der auf mehreren Ebenen funktionierte. Die Tatsache, dass man sich grosszügig bei Sergio Leone und Akira Kurosawa bediente, wirkte weniger als Plagiat denn als eine veritable Liebeserklärung an das Schaffen dieser Filmemacher. «The Mandalorian»: ein Spaghetti-Western in einer weit entfernten Galaxie. Vom Feinsten.
Zwei Staffeln lang konnte man dieses Qualitätsniveau – mehr oder weniger – halten. Handlung mit Spannungsbögen, glaubwürdige Charaktere und eine Kinematografie von epischer Qualität.
Und dann kam «Andor» und setzte die Messlatte nach oben. Hier bekamen wir konfliktbeladene, unsichere, zutiefst menschliche und daher nachvollziehbare Filmfiguren, an deren Erfolg oder Misserfolg der Zuschauer emotional beteiligt ist. Die Wandlung vom politisch uninteressierten Jedermann zum überzeugten Revolutionär ist eher nachzuvollziehen als nebulöse Konzepte über «Vorsehung» und die Zauberkräfte einer religiösen Elite, die bei den Skywalker-Sagen die Themenstränge darstellen.
Und ja, vielleicht weil «Andor» so verdammt gut war, wirkte alles andere im Vergleich etwas ... jugendlich.
Was nicht per se schlecht sein muss. «The Mandalorian» wollte stets eine generationenübergreifende Zuschauerschaft bedienen. Meine damals 11-jährige Tochter interessierte sich in der ersten Staffel sicherlich weniger für die zugrundeliegenden Themen von Vaterschaft oder Überwindung von Trauma als für Baby Yoda, weil das soooo herzig war.
Ich vermute, dass bei «Mandalorian 3» dasselbe passiert ist wie anno 1983 im Vorfeld von «Return of the Jedi»: Die Marktforschung hatte ergeben, dass es vor allem Kinder sind, die für satte Verkaufszahlen sorgen. Ergo: mehr Szenen mit lustigen Droiden und süssen Vietcong-Teddybären Ewoks und dergleichen. Analog haben wir bei «Mandalorian 3» R5-D4 und die Rollkoffer-Droiden, Flugsaurier-Babys, die Mini-Mechaniker-Aliens und – immer wieder – Grogu.
Grogu, der lustige Looping-Sprünge macht, die SOWAS VON SCHLECHT aussehen. Und ja, mir ist bewusst, dass es ein Regie-Entscheid war, bei Grogu auf Filmpuppen und altertümliche Stop-Motion-Filmtechnik zu setzen statt auf CGI ... aber Gott, sieht das unglaubwürdig aus, sobald er sich alleine fortbewegen muss.
Dennoch: Dass man ein jüngeres Publikum ansprechen wollte, ist nicht der Hauptgrund, weshalb die Serie schlecht ist. Nein, da gibt es etliche weitere Gründe dafür. Angefangen beim Plot, der das Kunststück schafft, gleichzeitig gehetzt und langwierig zu sein. Von den diversen Nebenplots ganz zu schweigen, die bedeutungsschwanger angeteasert werden ... um schlussendlich klang- und sanglos fallen gelassen zu werden. Eine ganze Episode um Dr. Pershing etwa. Und die Andeutungen zu Grand Admiral Thrawn? Der taucht nie auf. Und ach, guck, Moff Gideon war daran, sich zu klonen ... aber ach, unwichtig.
Das ultimative Ziel des Plots von Season 3 wäre ja die Rückeroberung von Mandalore. Aber dies wird erst in der zweitletzten Episode evident. Vorher wird Din Djarin von Nebenstory zu Nebenstory gehetzt. Das geht meist wie folgt:
Kurze Eröffnungsszene, die für die Gesamthandlung relevant ist; danach besteht der Hauptteil der Episode aus einer willkürlichen Nebenstory, oft mit aus dem Nichts auftauchenden Figuren, die dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden; gefolgt von einer kurzen Schlussszene, die für die Gesamthandlung relevant ist, aber genau nichts mit der vorangegangenen Nebenstory zu tun hat.
Ärgstes Beispiel: Episode 6, in der Bo und Din zu jenem Country-Club-Planeten fliegen und ihre ehemalige Crew davon überzeugen wollen, sich ihnen anzuschliessen (um die Handlung voranzutreiben, weisch). Aber dann zwingt das Drehbuch sie in eine alberne und gekünstelte Nebenhandlung, die um alkoholsüchtige Droiden kreist und deren einziger Daseinsgrund wohl der Auftritt von Lizzo und Jack Black ist. Und dann am Schluss der Episode schnell noch das mit dem rechtmässigen Erbe des Darksabers klären, bitte! (Obwohl dies bereits vorher hätte klar sein sollen, als Bo-Katan jenes Cyber-Viech in Episode 2 besiegte.)
Die ständige Verwendung konstruierter Nebenhandlungen lenkt die Aufmerksamkeit von der Hauptaufgabe ab, was dazu führt, dass das Grand Finale, jene grosse Endschlacht, uns emotional kaltlässt. Ohnehin fehlt jeglicher Spannungsaufbau auf diese Schlussszene hin. Die Mandalorians stolpern einfach über jene riesige imperiale Basis und – schwupps – da fliegen diese brandneuen, Beskar-gepanzerten Darktroopers auf sie zu.
Leider erfährt man auch wenig bis gar nichts über die einzelnen Charaktere. Ja, Bo-Katan darf einen klitzekleinen Gesinnungswandel erleben. Ein bisschen. Doch die vielversprechende Prämisse über das Leben in Din Djarins extremer Sekte, in der niemand seinen Helm ablegen darf und alle in einer bizarren Form von Abgeschiedenheit leben müssen, wird nur oberflächlich thematisiert und prompt fallen gelassen ... um wieder einem Nebenplot nachzugehen.
Hey, aber das vielleicht Schmerzlichste an dieser Serie sind die Dialoge. Diese wurden offenbar von Autoren geschrieben, die dem Publikum nicht zutrauen, dass es der Handlung tatsächlich folgt und in der Lage ist, logische Schlussfolgerungen zu ziehen (wahrscheinlich geht man davon aus, dass wir beim Zuschauen gleichzeitig auf TikTok sind). Und so bekommt man unablässig Figuren vorgeführt, die einem erklären, was passiert, was gerade passiert ist und warum das passiert. Paz Vizsla deklamiert wiederholt, dass man jenen Flugsaurier nicht angreifen könne, weil dieser «sonst das Kind töten würde» (was sich übrigens ohnehin als falsch herausstellt). Wir haben es ausnahmslos mit charakterlosen Figuren zu tun, die dafür aber ständig erklären, was sie tun, was sie denken, was sie wollen.
Ok, ok – vielleicht bist du einer dieser Hohlbirnen Menschen, die über schwache Erzählstränge, eindimensionale Filmfiguren und so weiter hinwegsehen können, weil sie einfach die Actionszenen mögen? Bei den Actionszenen geht's ja ordentlich ab, oder?
Oder?
Fehlanzeige. Die Mandalorians, jene hoch ausgebildeten Elite-Krieger, die mit allem Hightech-Schnickschnack ausgestattet sind, finden sich wiederholt in Stellungskrieg-Situationen wieder. Weshalb zum Geier benutzen sie ihre Jetpacks nicht? Paz Vizla lässt sich von den Praetorian Guards niedermetzeln, obwohl er hätte easy wegdüsen können. Die Mandalorians lassen sich von ein paar betrunkenen Piraten einkesseln, weil ... ich weiss auch nicht, wieso. Sie werden von einem Riesenkrokodil angegriffen, doch niemandem käme es in den Sinn, auf Distanz zu fliegen und das Viech mit seinen Fernkampfwaffen anzugreifen. Stattdessen bleiben alle in der unmittelbaren Gefahrenzone ... weshalb?
Weil ja Din Djarin als Deus ex machina eingeflogen werden muss – WEIL das Drehbuch dies vorsieht. Deshalb segeln sie auf Mandalore auf dieses Godzilla-Ding zu, obwohl sie es schon aus der Ferne erspäht haben und locker hätten umgehen können. Deshalb flieht nur ein einziger Mandalorian aus dem Hinterhalt, während die anderen wiederum im Stellungskampf verharren. WEIL es das Drehbuch vorsieht. Die Logik ist den Drehbuchautoren egal. Doch diese Haltung ist eine Beleidigung für die Intelligenz des durchschnittlichen Zuschauers.
Okay. Ich muss aufhören. Ein Snickers essen oder so. «Mandalorian 3» schauen ist freiwillig. Mein Rat: Spart euch die Zeit. Schaut stattdessen «Andor» nochmals.
Derweil hoffen wir mal, dass «Ahsoka» besser wird.