
Bild: watson/larissaerni
Auf Social Media ist mentale Gesundheit kein Tabuthema mehr. Das führt dazu, dass Diagnosen plötzlich über die Plattformen stattfinden.
23.01.2024, 11:4723.01.2024, 13:57
Instagram und TikTok gehören für Jugendliche – und auch viele andere – zum Alltag. Auf den Plattformen kann man sich nicht nur mit Videos und Fotos bespielen lassen, viele nutzen die sozialen Medien auch als ihre Hauptinformationsquelle. Ein Thema, das besonders offen auf TikTok und Co. besprochen wird, ist die mentale Gesundheit. Eine Therapeutin zu haben oder auch Psychopharmaka zu sich zu nehmen, ist längst keine Seltenheit mehr. Diese Offenheit gegenüber unserer Psyche bringt online aber auch Gefahren mit sich.
So hat sich auf TikTok die sogenannte «Pop-Psychologie» etabliert. Darunter versteht man das Diskutieren von psychischen Erkrankungen und Begriffen in Gruppen – wie etwa in bestimmten Bubbles auf TikTok – ohne einen wissenschaftlichen Hintergrund. Man bedient sich also am psychologischen Jargon, ohne die wirkliche Bedeutung hinter den Begriffen zu kennen. Besonders oft (falsch) besprochen – laut Psychologinnen und Psychologen auf TikTok – werden dabei folgende Begriffe:
- Trigger: Der Begriff «Trigger» kommt aus dem Englischen und bedeutet «Auslöser». Wenn man «getriggert» wird, bedeutet das, dass ein Wort oder ein Bild eine Erinnerung an traumatische Erlebnisse auslösen kann. Opfer von sexueller Gewalt zum Beispiel werden oftmals von Sex-Szenen in Filmen getriggert. Heute wird der Begriff jedoch meist falsch benutzt. Der Satz «Das hat mich getriggert» wird oft in Situationen verwendet, in denen man eigentlich meint: «Das hat mich aufgeregt.» Dadurch verliert das Wort «Trigger» für Menschen, die tatsächlich unter traumatischen Erlebnissen leiden, an Bedeutung und sie fühlen sich nicht ernst genommen.
- Trauma: Wenn ein Mensch ein Trauma erlebt, befindet er sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Ausgelöst werden Traumata etwa durch Gewalttaten, Kriege oder Naturkatastrophen. Die Ereignisse sind dabei so überwältigend, dass sie eine Bedrohung für das Leben des Betroffenen darstellen. Auch hier wird der Begriff «Trauma» oftmals zu einfach verwendet.
- Toxisch: Auf TikTok wird momentan jede Beziehung, die nicht in voller Harmonie geendet hat, als toxisch bezeichnet. Doch nicht jeder Streit macht eine Beziehung gleich ungesund. Als toxische Beziehungen werden Partnerschaften bezeichnet, die von unterschwelligen Formen der Gewalt geprägt sind. Dazu gehören etwa Manipulation, gegenseitige Demütigung, Kontrollsucht oder Drohungen.
- Gaslighting: Der Begriff «Gaslighting» bezeichnet eine Art von psychischer Gewalt, bei der die Opfer so stark mit Worten manipuliert werden, dass sie anfangen, an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln. Beispiel: Bei einem Streit wird immer wieder gesagt: «Das bildest du dir nur ein, sowas habe ich nie gesagt.» Bei wiederholtem «Gaslighting» beginnt das Opfer sich selbst zu hinterfragen und traut sich selbst nicht mehr.
- Anxiety: Der Begriff «Anxiety» kommt aus dem Englischen und wird für die generalisierte Angststörung verwendet. Viele Menschen benutzen den Begriff aber unterdessen in jeder Situation, in der sie Unwohlsein oder Angst verspüren. Eine Angststörung ist jedoch mehr als das. Betroffene erleben ausgeprägte Angst und auch körperliche Symptome, die so stark sein können, dass sie das alltägliche Leben beeinträchtigen.
- Love Bombing: Love Bombing ist eine manipulative Taktik, bei der das Opfer mit Aufmerksamkeit, Geschenken, Komplimenten und Versprechen überschüttet wird. Dies geschieht meist in der Anfangsphase einer Beziehung. Wenn sich das Opfer dann an diese «Liebe» gewöhnt hat, wird diese dann plötzlich und ohne verständlichen Grund entzogen. So wird das Opfer emotional missbraucht.
- Narzissmus: Menschen, die an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden, überschätzen ihre Fähigkeiten und prahlen von ihren Erfolgen. Sie denken, sie seien überlegen, einzigartig oder besonders. Wie jede andere Persönlichkeitsstörung ist Narzissmus jedoch auch eine Krankheit, und Betroffene und ihr Umfeld leiden darunter. Eine solche Störung muss von einem Arzt oder einer Psychiaterin diagnostiziert werden und kann nicht anhand von Merkmalen online bestimmt werden.
Gefahren der Pop-Psychologie
Mit den oben genannten Begriffen wird auf TikTok und Co. förmlich um sich geschmissen. So verbreitet sich gefährliches Halbwissen. Denn: Oft geben Menschen online ohne psychologische Ausbildung Auskünfte über die psychische Verfassung von bestimmten Personen. Ein besonders häufiges Beispiel: Junge Menschen sprechen über ihre Ex-Beziehung, in der sie prägende Muster von ihrem Partner oder ihrer Partnerin miterlebt haben.
Diese Merkmale werden dann schnell schubladisiert und diagnostiziert. So werden Verflossenen narzisstische Persönlichkeitsstörungen angedichtet und schlimme Erlebnisse als Traumata abgestempelt. Zudem werden – nicht immer gesunde – Tipps gegeben, wie man mit solchen Menschen umgehen soll.
Auch Anja Meier von Pro Juventute sieht in diesen Videos gewisse Risiken: «Wissenschaftliche Begriffe werden auf Social Media oft verkürzt und vereinfacht wiedergegeben. Es ist zwar nicht der Anspruch von TikTok & Co., eine wissenschaftliche Plattform zu sein. Aber Krankheitsbilder wie Narzissmus oder ADHS benötigen in jedem Fall eine Diagnose von einer Fachperson im direkten Gespräch.» Pro Juventute empfiehlt darum, sich in jedem Fall professionelle Unterstützung zu suchen.
Trotzdem ist die Diskussion um mentale Gesundheit in den sozialen Medien auch sehr wichtig. Anja Meier meint: «Viele von psychischen Belastungen betroffene junge Menschen nutzen Social Media, um sich darüber auszutauschen und mit der Krankheit besser umgehen zu können.» Zudem seien unterdessen auch viele professionelle Psychologinnen und Psychologen auf TikTok unterwegs, die so auch fachliche Inhalte auf eine Weise vermitteln können, dass die Jungen auch Zugang dazu haben.
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Als «deep» wird mir «Thunderbolts*» angekündigt, als ich es mir kurz vor Beginn der Pressevorführung im Kinosessel gemütlich mache. Die Filmkritik würde ihn loben als einen «seit langem mal wieder richtig guten Marvel-Film», erzählt eine Disney-Mitarbeiterin euphorisch.
Selbiges bei psychologischen Krankheiten: ADHS oder Autismus, was dir lieber ist.
Schlimm finde ich einfach, dass dann Personen, die tatsächlich von diesen Krankheiten betroffen sind, entsprechend weniger ernst genommen werden...
Musiker, Schauspieler, etc. sind schon lange keine Musiker und Schauspieler mehr, sondern in der Umgangssprache direkt Stars. Die 100% oder 110% Leistung beeindrucken niemanden mehr, weil der Volksmund längst bei verbalen 1000% angekommen ist, etc.
Ich glaube, wir sollten uns alle in der Alltagssprache zusammenreissen, mit Übertreibungen und Extremen aufzuhören, da man damit die Spirale nur weiter nach oben treibt.